Die Entwicklung des Internets ist nicht nur nervig. Sie gefährdet auch die Demokratie.
Wäre das Internet ein Ort, wäre es ein riesiger Raum, in dem einem unwahrscheinlich viele Fremde ihre Meinung ins Ohr plärren. Wäre das Internet eine Person, läge sie auf dem Sterbebett. Das mag zunächst dramatisch klingen, doch so übertrieben ist das nicht.
Wir haben uns an zu vieles gewöhnt. Zum Beispiel an erkaufte, durch SEO verunstaltete, unbrauchbare Google-Suchergebnisse. An einen endlosen Strom an Inhalten, der auf Wut, Unsicherheit und Kauflust abzielt.
Die meisten haben sich längst damit abgefunden, dass soziale Medien uns vor allem voneinander entfremden, statt tatsächlich sozialen Mehrwert zu bieten. Noch kann man als sogenannter digital native KI-generierte Inhalte meistens als solche erkennen. Allerdings ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Wissensvorsprung verpufft. Nicht ohne Grund haben KI-Schönheiten hunderttausende Follower:innen auf Instagram.
Die Idee, dass das freie Internet stirbt, ist nichts Neues. Schon seit Jahren warnen Forscher:innen davor, dass die Beeinflussung der Plattformen überhandnimmt. Beispielsweise erklärte der Medienwissenschaftler Martin Andree im August 2023 im Interview mit dem ZDF, dass die Marktmonopole der großen Tech-Konzerne unsere Demokratie elementar gefährden. Seiner Einschätzung nach sei nur noch bis 2029 Zeit, die Dominanz von Big Tech in Deutschland politisch aufzuhalten.
Zu oft vergisst man, was für ein großartiges Potential in einem freien Internet steckt. Im besten Fall motiviert es dazu, aktiv zu werden und sich weiterzubilden. Es gab einmal ein Internet mit einer viel lebendigeren Blog-Kultur und eine Zeit, in der Videos nicht vom Algorithmus unterdrückt wurden, weil sie nicht werbefreundlich genug waren.
Das eigene Nutzungsverhalten kritisch zu hinterfragen, ist sicherlich sinnvoll. Deutlich wichtiger ist es, anzuerkennen, dass das Internet kein politisches Randthema bleiben darf. Noch ist genug Zeit, vor der Bundestagswahl einen Blick in die Wahlprogramme zu werfen.
Nora Haselmayer