Die Universität hat mit Andreas Marx einen neuen Präsidenten. Die Herausforderungen bleiben groß, aber er redet über Opportunities. Erste Antworten gibt Marx auf Sparmaßnahmen, Bedingungen studentischer Beschäftigung und das politische Klima in Thüringen.
In einem Interview haben sie mal gesagt, dass sie eigentlich Barkeeper werden wollten. Jetzt sind Sie Präsident der FSU. Wie passiert so etwas?
In meiner Schulzeit habe ich während der Ferien als Barkeeper gearbeitet. Ich bin im ländlichen Raum aufgewachsen und dort waren Dorfdiscos der Knüller. In dem Job gab es gutes Geld, also habe ich Bier gezapft. Nach dem Abitur habe ich dann überlegt, dass ich etwas mit Menschen machen möchte und als Barkeeper hatte ich meinen Spaß. Dann ist mir doch die bessere Erkenntnis gekommen, dass Chemie bisschen more straight forward ist und eher meinen Neigungen entspricht. Für mein Studium bin ich nach Freiburg gegangen und habe die Arbeit in der Bar hinter mir gelassen.
Ihre Karriere hat bis jetzt in Westdeutschland gespielt. Sie waren lange in Konstanz. Nach der Wende haben viele aus dem Westen im Osten Spitzenpositionen bekommen, das ist auch immer noch so. Wie sehen Sie in diesem Kontext auf Ihre Biografie?
Damals wie heute spielt es für mich keine Rolle, woher die Menschen kommen. Mein Vater war beim Bundesgrenzschutz. Für uns war in der Familie die deutsch-deutsche Teilung immer präsent. Es hat mich daher unwahrscheinlich berührt, als die Mauer gefallen ist.
Ich würde dieses Denken gerne überwinden: Ich nehme Jena als einen großartigen Ort für die Forschung wahr. Als Forscher, der viel in der Welt herumgekommen ist, habe ich dafür denke ich einen guten Blick. Auch neuste Umfragen zeigen, dass Jena bei den Studierenden international sehr beliebt ist. Mit diesem Blick nehme ich Jena wahr, nicht als eine Stadt im Osten.
Die Uni hat Geldprobleme. Wie schlimm ist es denn wirklich?
Das ist schwierig zu beantworten! Wir wissen es nicht. Es gab Vorstellungen, die wir so nicht umsetzen können. Wir haben aber extrem gute Optionen, also wahre Opportunities mit der Exzellenzstrategie. Wir können uns ein zweites Cluster holen, was uns sicherlich helfen wird.
Was soll denn genau eingespart werden?
Die erste Sparauflage aus Erfurt, 100 Stellen aus dem System herauszunehmen, hat die FSU schon vor meiner Amtszeit erfüllt. Jetzt sind wir in einer Übergangsphase, wo man in Erfurt generell eine prekäre Finanzlage sieht.
Es soll jetzt ein Struktur- und Entwicklungsplan erarbeitet werden.
So kenne ich das aus anderen Hochschulen: Eine Uni muss hinterfragen, ob das, was sie macht, auch zeitgemäß ist. Lassen Sie uns besser von Zukunftsplanung sprechen. Wir machen auch nicht mehr alle Studiengänge von 1558. Wenn Studierende einen Studiengang nicht wollen, muss man diesen vielleicht auch nicht vorhalten und kann dafür etwas anderes machen.
Gehen Sie denn in den Streit mit dem Land, wenn noch mehr Einsparungen gefordert werden?
Bei unsinnigen Sparmaßnahmen ja. Wenn es um Maßnahmen geht, die uns im Kern treffen, dann bin ich der größte Streiter. Wenn sie jetzt sagen: „Kommt mal von den hohen Mietkosten herunter!”, dann muss ich sehen, wie wir das schaffen. Wir sind im regelmäßigen Austausch mit dem Ministerium. Man ist sich dort vieler Probleme sehr wohl bewusst. Mein Wunsch ist es, dass wir das nicht ganz so schwarzmalen. Es wurde klar gesagt: Sie werden schon ihr Geld bekommen, damit Sie weitermachen können.
Macht man dann nicht im Diskurs mit, der immer weitere Sparmaßnahmen fordert? Sollte das Ziel der Lobbyarbeit nicht ein anderes sein: noch mehr Geld zu bekommen?
Lobbyarbeit im Sinne von „Wir brauchen mehr Geld” machen wir pausenlos. Als Leiter einer Behörde habe ich aber irgendwann keine Wahl sonst kommt eine Notverwaltung. Ob das besser wird?
Das würde sicherlich in den Nachrichten landen. Es gibt eine neue Tarifvereinbarung für studentische Beschäftigte an der Uni. Darin wurde auch eine Mindestvertragslaufzeit von zwölf Monaten für studentisch Beschäftigte festgelegt. Wie viele Verträge werden momentan mit einer Laufzeit unter zwölf Monaten abgeschlossen?
Die Mehrzahl der Verträge ist noch unter zwölf Monaten, das ist klar. Aus meinen 20 Jahren Berufserfahrung als Gruppenleiter kann ich Ihnen auch erzählen, dass ich mit keinem einzigen Studierenden einen Vertrag über 12 Monate gehabt habe. Das wollten die Studierenden auch nicht. Ich hätte mich gefreut, wenn jemand zwölf Monate geblieben wäre. Eine gewisse Flexibilität muss bleiben.
Wenn ein Vertrag für zwölf Monate gilt, dann bleibt die Flexibilität für Studierende durch eine frühzeitige Kündigung. Die entscheidende Frage ist, ob Verträge für sechs Monate sind oder ob die zwölf Monate eingehalten werden.
Ich bin sicher, dass die Verträge rechtssicher sind. Ob es pragmatisch ist, wie Sie sagen, immer Verträge für zwölf Monate zu schließen, ist unklar. Es könnte sich auch ein bürokratischer Rattenschwanz ergeben. Wenn zusätzlich herauskommt, dass 80 Prozent der studentischen Assistenzen frühzeitig kündigen, könnte man uns auch etwas ans Bein flicken, was unverdient ist. Wir müssen daher zu pragmatischen Lösungen kommen. Mir fehlt es nicht am Willen. In meinem Bereich der Biochemie machen Verträge für ein Jahr wenig Sinn, mag aber sein, dass das woanders angebracht ist. Das Problem ist also bekannt und die Studierenden aus dem Senat werden mich daran erinnern.
Im Interview mit dem MDR haben Sie gesagt, dass sie sich sicher sind, dass die Thüringer:innen das Richtige wählen, das auch ihr Land voranbringt. Wie schauen Sie heute auf Ihre Aussage?
Wishful Thinking. Klar, das Ergebnis ist eine Herausforderung.
Was ist denn die Position der Uni? Sie ist ja momentan im Bündnis Weltoffenes Thüringen.
Da machen wir weiter, das wird intensiviert. Mehr und mehr Menschen koppeln sich von der Wissenschaft ab. Da sollten wir mehr in den Austausch gehen. Ich will aus Jena rauskommen, ins Umland gehen, um dort für Wissenschaft zu werben.
In einer Rundmail nach der Landtagswahl haben sie geschrieben, dass sich die Universität einsetzt, wenn ihre Werte bedroht sind. Wie weit soll dieser Einsatz gehen und wie sieht der aus?
Wir haben eine klare Position: Wir sind weltoffen. Wir geben Möglichkeiten für Veranstaltungen. Was wir tun dürfen, tun wir.
Ich habe oft das Gefühl, dass der Handlungsspielraum zu eng gedacht wird.
Wir haben als Universität, als Behörde das Neutralitätsgebot. Das muss und will ich einhalten, weil ich der Überzeugung bin, dass eine Demokratie auf Rechtsstaatlichkeit beruht. Ich wette mit Ihnen, wenn wir Recht brechen würden – wenn ich sagen würde, wählt diese oder jene Partei nicht -, das würde der Uni schaden. Das würde auch ihrem Anliegen schaden, weil es medial ausgenutzt werden würde. Stellen Sie sich vor, hier würde jemand anderes sitzen!
Statt Wahlempfehlungen auszusprechen, könnte man doch klar das Problem benennen: Die AfD ist eine faschistische Partei.
Was erwarten Sie denn von dieser Aussage? Dass eine Person, die eine Partei wählt, die wenig mit Weltoffenheit zu tun hat, dann etwas anderes wählt?
Gut, aber warum sagen Sie dann, dass die Universität weltoffen ist?
Um den internationalen Studierenden zu signalisieren, dass sie hier sicher studieren können. Wir denken über viele Maßnahmen nach, die wir mit dem neuen Vizepräsidium für Engagement koordinieren wollen. Geben Sie uns etwas Zeit. Mein Ziel ist es rauszugehen: Nicht in der eigenen Blase sitzen und sich gegenseitig versichern, wie weltoffen man ist, sondern dorthin zu gehen, wo es weh tut.
Letzte Frage: Wo gehen Sie heute Abend hin? Im Fragebogen schreiben Sie, dass Sie Rotwein und Jazz lieben.
Ich treffe mich heute Abend mit dem neuen Präsidium im Café Stilbruch und wir lernen uns bei einem Bierchen kennen. Im Moment fehlt aber etwas die Muße für Jazz und wenn ich morgens Musik höre, ist noch keine Zeit für Rotwein.