Neues auf der Hinterbühne

In die Chef:innenetage des Theaters ziehen neue Leute ein. Die Ambitionen für das Haus sind hoch, teilweise aber auch noch etwas abstrakt.

Seit diesem Sommer steht das Theaterhaus in Jena unter neuer künstlerischer Leitung. Nachdem das niederländische Wunderbaumkollektiv in den letzten Jahren mit Stücken wie Damenwahl, Liebe brennt wie ein nasser Lappen oder der bundesweit rezipierten Hundekotattacke erfreute, verwunderte und verstörte, sind die Erwartungen an die neue Leitung hoch. Und in Anbetracht der extrem gemischten Kritiken zum ersten Stück Rhapsody scheint schon jetzt klar – wie ihre Vorgänger:innen wird die neue Gruppe anecken.

„Josef Butter“

Als Céline Karow, Daniele Szeredy, Azeret Koua, Lukas Pergande und Josef Bäcker während eines Besuches im sommerlichen Jena 2022 entschieden, sich gemeinsam ins Auswahlverfahren des Theaterhauses zu stürzen, war das auch das Debüt ihrer Arbeit zu fünft. Céline und Josef kennen sich durch ihren gemeinsamen Freund Lukas. Zum ersten Mal sahen sich beide auf einer Bielefelder WG-Party. Während Céline auf dem Sofa Mario Kart spielte, musste sich Josef am leergegessenen Buffet mit Butter begnügen. Céline hat ihn bis heute als Josef Butter eingespeichert. Als Josef Céline mit ihrem Umzug half, lernten sich beide besser kennen. Später wurde in Braunschweig der Kontakt zu Daniele geknüpft, welcher zu diesem Zeitpunkt schon gut mit Azeret befreundet war. „Und so sind wir nun zu fünft“, fasst Céline zusammen. Auf die Idee, sich als Gruppe in Jena zu bewerben, folgten einige Zoom-Meetings – auf die Entscheidung, es tatsächlich zu tun, noch einige mehr.


Im Gespräch mit Céline und Josef über ihre Pläne für das Theaterhaus geht es immer wieder um Teilhabe. Der Ensemblerat soll zu einem Hausrat heranwachsen. Dadurch sollen künftig alle Mitarbeitenden an kreativen Prozessen mitwirken. Von einem Geniekult, in welchem Einzelpersonen einen Großteil der künstlerischen Entscheidungen treffen, grenzt man sich ebenso ab, wie von intransparenten Vergabeprozessen. Damit Ressourcen am Ende nicht in elitären Netzwerken verteilt oder von dort eingefordert werden können, schrieb die Leitung alle offenen Stellen und drei Produktionen öffentlich aus. Der Teilhabeanspruch betrifft sowohl die künstlerische als auch die strukturelle Ebene. Die Leitung will Ambiguitäten bejahen, die aus produktiven Konflikten zwischen unterschiedlichen Arbeitsweisen und Ideen am Theaterhaus entstehen sollen. Dafür braucht es ein Bewusstsein für die Zusammenhänge von Kunst und Arbeitsstruktur. Das Wie bedingt am Ende immer das Was, wie es Josef formuliert.


Zum Rechtsruck in Thüringen und Deutschland soll das Theaterhaus weiterhin in klarer Opposition stehen. Das regressive Kulturideal der AfD gibt es nicht erst seit dem Angriff auf das Bauhaus, sondern ist etwas, mit dem die Partei seit ihrer Gründung Erfolge einfährt.
Das Theater hätte den Auftrag und die Ressourcen, die Gefahr der Einflussnahme im Bewusstsein zu halten – so Céline. Als Kulturschaffende selbst bedroht fühlen sich Céline und Josef bis jetzt aber nicht. Andere Gruppen seien in größerer Gefahr, darunter auch Menschen, die am Haus arbeiten. Das Theater könnte hier als Schutzraum fungieren.


Es sind hehre Ansprüche, die die Leitung in den letzten Wochen immer wieder betont hat. Mit Entscheidungen, wie dem Mitspracherecht aller Mitarbeitenden bei der Projektausschreibung, hat die Gruppe schon Willen zur Umsetzung gezeigt. Anderes klingt aber auch noch sehr abstrakt und es wird sich zeigen, inwiefern Wörter wie Teilhabe, Ambiguitäten oder Schutzraum in den nächsten Monaten und Jahren weiter gefüllt werden.

Elisabeth Golde
und Markus Manz

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