Die Raveolution Jenas

Raves gab es auch schon in den 90ern. Über die Veränderung einer Subkultur.
von Ruby Haffar

Warme Temperaturen sind angesagt, die Jenaer Studierendenschaft möchte raus. Viele Optionen meinen die meisten in Jena nicht zu haben. Vor allem nach der dreijährigen Corona-Pause mussten viele neue Studierende sich in die nicht allzu leicht durchzublickenden Musik- und Kollektivszene Jenas zu Recht finden. Wirkliche Clubs bietet Jena nicht an, die Szene wird von den Kulturzentren geführt. Eins ist aber für viele klar, im Jenaer-Sommer muss geravet (ge-rave-ed) werden.
Anders als Clubs, die eine konstante und organisierte Umgebung für Tanzveranstaltungen anbieten, waren Raves ursprünglich frei von jeglichen Normen und Schemata. Durch ihre Spontanität waren sie ein Zufluchtsort für Viele, um aus dem Alltagsstress zu entkommen und sich vorurteilslos der Musik und dem Tanz hinzugeben. Ein Rave ist mehr als eine rein musikalische Abendgestaltung; er ist ein fester Bestandteil der subkulturellen deutschen Geschichte und hat erheblich zu politischem und gesellschaftlichem Wandel beigetragen, wie beispielsweise die Loveparade in Berlin. Genau das begeisterte Felix, einen der Gründer des Kollektivs Biotobt e.V., als er mit 18 Jahren in Berlin die Bar25 entdeckt hat. Er ist immer noch davon begeistert, wie einfach, offen und unkompliziert das Zusammenkommen feiernder Menschen damals war. Und genau das wollte er auch auf Jena übertragen. Mit einem seiner Freunde veranstaltete er den ersten Biotobt Rave in der Natur Jenas. Damals noch vor allem für Bekannte und Freunde. Von Jahr zu Jahr gewann die Veranstaltung aber neue Gesichter.
Bei den Clubs läuft es in die gegensätzliche Richtung. In der Jenaer Kultur etablierte Veranstaltungen wie die „Schöne Freiheit“ im Kassablanca verlieren nach und nach an Popularität.

Die Ravewende

Nach der Wende, Anfang der 1990er, ist die elektronische Musik in Jena in Aufbruchstimmung. In alten Militärkasernen, Kellern oder Bunkern wurden tagelange Raves mit „chill out areas“ zum Ausruhen angeboten.
Auch indoor hatte die elektronische Musik einen großen Spielplatz in Jena. Besonders das Kassablanca hat große DJs wie Paul Kalkbrenner und Chris Liebing und dieses Jahr sogar den Berliner Berghain Resident, Fadi Mohem, empfangen. Zudem hat das Jenaer Label „Freude am Tanzen“ renommierte Jenaer DJs wie zum Beispiel Robag Wruhme und Monkey Maffia, die zusammen als Wighnomy Brothers international bekannt sind, in die weltweite DJ-Szene eingeführt.
Der Interessenwechsel der heutigen Partygänger:innen ist aber bemerkbar und für viele in der Jenaer Musikszene Mitwirkenden fraglich. Die musikalische Einrichtung des Abends spielt für viele keine große Rolle mehr. Fokus ist eher auf die äußeren Umstände wie die Einhaltung des vermeintlichen Kleidungsstils gelegt. Schwarze Kleidung, schnelle Brillen und nichts unter 160 bpm begeistere die Mehrheit. Einige aus der Musikszene gehen davon aus, die Popularität an ausschließlichem HardTekk sei auf TikTok-Trends wie #ravetok oder #tektok zurückzuführen. Durch diese wenige Sekunden andauernde Videos wird ein verzerrtes Bild von einem Rave vermittelt, bei dem nicht der gesamte Verlauf, sondern nur die High-Peak- Momente gezeigt werden. Dadurch gerate die Kunst in den Hintergrund.
Einige Befragte, wie Sören (alias Monkey Maffia), beschreiben den Wechsel im Zeitalter der Digitalisierung weiterhin als harmonisch. „Die Musik bleibt lediglich das Gerüst um das gesellschaftliche Zusammenkommen in der Natur“, sagt Toci, ein in der Szene aktiver Grafikdesigner.

Raven als Engagement

Doch auch dieses in der Natur gestaltete Zusammenkommen erfordert viel Vorbereitung und ein großes ehrenamtliches Engagement. Hinter den Kulissen liege der Fokus der meisten Musikkollektive auf Aspekte wie der nachhaltigen Veranstaltungsgestaltung und insgesamt die Teilnahme an der Kommunalpolitik, um den Rave-Konsumierenden weiterhin einen kulturellen Mehrwert versprechen zu können. Denn die musikalischen und insgesamt kulturellen Beiträge, die uns die Kollektive Jenas anbieten, sind keine Selbstverständlichkeit. Sie wurden erkämpft und müssen kontinuierlich – ob mittels politischen Mitwirkens oder mit selbstständigem Mitgestalten – gepflegt werden, um nicht verloren zu gehen.

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