Nitzsche auf den Fersen

Am 26. Mai waren in Jena Kommunalwahlen. Die Kandidatin der Grünen kommt überraschend in die Stichwahl.

von Götz Wagner

Obwohl seine Partei eher einen schlechten Wahlabend hatte, kann sich Oberbürgermeister Thomas Nitzsche von der FDP entspannt auf die Stichwahl am 9. Juni einstimmen. Bei der Auszählung der Oberbürgermeister- und Stadtratswahl war schnell klar, dass er als erster Kandidat mit einem Viertel der Stimmen gesetzt ist. Bei Kommunalwahlen haben die Amtsinhaber:innen immer einen besonderen Vorteil; immerhin haben sie überhaupt ein bekanntes Gesicht. Das Ergebnis war also erwartbar.

Rennen zur Stichwahl

Die Wahlbeteiligung war für eine Jenaer Kommunalwahl mit mehr als 60 Prozent außerordentlich hoch. Das liegt vermutlich auch daran, dass die OB-Wahl und die Stadtratswahl zusammen stattfanden und so mehr Menschen ins Wahllokal lockten.
Die Kandidat:innen der Linken, Grünen, CDU und AfD lieferten sich am Wahlabend zunächst noch ein Rennen zur Stichwahl. Bis zur Auszählung der Briefwahlzettel schien es zwischenzeitlich, als würde Denny Jankowski von der AfD in die Stichwahl kommen. Mittlerweile ist klar: Kathleen Lützkendorf von den Grünen wird gegen Nitzsche antreten. „Für mich ist das ein Zeichen, dass sehr viele Menschen eine sozial-ökologische Politik wollen“, sagte sie am Wahlabend. Wenn Lützkendorf es schafft, in ihrem zweiwöchigen Stichwahlkampf die restlichen Wähler:innen der linken Parteien in Jena zu überzeugen, dürfte sie eine Chance gegen Nitzsche haben.
Eine Einschätzung, wie das Duell ausgeht, ist jedoch schwierig. Nicht alle, die zur ersten Wahl gehen, gehen auch zur zweiten und entscheiden sich für eine alternative Kandidat:in. Bei der letzten OB-Wahl ging die Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang von 50 auf 46 Prozent zurück. Am 9. Juni ist aber auch die Europawahl. Das könnte mehr Menschen zur Urne bringen. Es könnte ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden. Aber: Ein Alt-Linker entscheidet sich eben auch nicht notwendigerweise für eine grüne Oberbürgermeisterin. Die Parteien, die bei der Stadtratswahl 2019 die meisten Stimmen erhielten, also Grüne, Linke und SPD, haben an Stimmen verloren. Sie kommen zusammen nur noch auf 45 Prozent. Gewonnen haben die rechten Parteien. Jena bleibt zwar auch nach der Wahl eine rote Insel im blau-schwarzen Meer Thüringens. Der Durchmarsch der AfD in die Verwaltung der Thüringer Kommunen scheint verhindert, doch über die Wahlergebnisse der CDU und AfD sollte man sich nicht hinwegtäuschen. Denny Jankowski sagte es selbst: In einer Stadt wie Jena so ein Ergebnis zu erzielen, sei etwas Besonderes. Die Kommunalpolitik folgt also dem bundesdeutschen Rechtsruck. Im neuen Jenaer Stadtrat wird es 46 Sitze geben.
Schaut man sich an, wie die einzelnen Stadteile gewählt haben, fällt auf: Das urbane Zentrum wählt überwiegend linke Parteien. Die suburbanen Gebiete wählen eher FDP und CDU. Im Süden der Stadt hat die AfD ihre Hochburg. Bei der OB-Wahl ist es absurd: In der Stadtmitte gibt es einen grünen Punkt, in der Lützkendorf die meisten Stimmen bekommen hat. Fast überall sonst strahlt Jena gelb -also dort wo Nitzsche seine knappen Mehrheiten erkämpfen konnte.

Keine Mehrheiten

Was man festhalten kann: Es gibt keine eindeutigen Mehrheiten im Stadtrat. Das könnte Koalitionsverhandlungen im Stadtrat erschweren. Versammelt der oder die Bürgermeister:in eine Koalition hinter sich, kann die Verwaltung quasi durchregieren. Anträge können dann einfach im Stadtrat durchgewunken werden. In den letzten fünf Jahren war das aber in Jena anders. OB Nitzsche leitete die Verwaltung ohne eine Fraktion. Deshalb kamen viele Anträge von den Fraktionen. Die Mehrheiten für diese mussten immer wieder neu gefunden werden. Das könnte also weiterhin so bleiben. In der überschaubaren Kommunalpolitik könnte es trotzdem grundsätzlich möglich sein, auch zwischen mehr als drei Fraktionen ein Bündnis zu schaffen. Vor der Stichwahl lohnt es sich jedoch nicht zu spekulieren, welche Kombinationen sich ergeben könnten.

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