Der neue Präsident der FSU hat angekündigt, zukünftig mehr für die Exzellenzstrategie der Uni tun zu wollen. Aber was ist das überhaupt und braucht es sowas?
von Elisabeth Bergmann
Es ist das Jahr 2016. Die deutschen Universitäten leiden zunehmend an Unterfinanzierung und die Zahl der gestellten Drittmittelanträge steigt unaufhaltsam. Gleichzeitig hinkt die deutsche Wissenschaft dem Fortschritt im Ausland hinterher. Doch da kommt dem Bund eine zündende Idee, die die deutsche Forschung an die Spitze der internationalen Wissenschaft katapultieren und gleichzeitig einige Unis aus der Finanzkrise ziehen soll: Die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder ist geboren.
Das Ziel dieser Strategie ist es, anders als im Vergleich zu unseren Freunden im angloamerikanischen Raum, nicht ein paar wenige Universitäten zu Spitzeninstitutionen heranzuziehen, sondern jede deutsche Universität dazu zu ermutigen, sich auf einige wenige Disziplinen zu konzentrieren und für diese eine Expertise zu entwickeln. Also statt Harvard oder Oxford, die alles können, Aachen, Konstanz und Jena, die innerhalb einiger Forschungsfelder sehr viel können und Ansprechpartner für eben dieses Gebiet werden sollen. Oder wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) es formuliert: „Die Förderung soll wissenschaftliche Spitzenleistungen ermöglichen, die Profile der Universitäten schärfen und zu noch stärkerer Vernetzung und Kooperation im Wissenschaftssystem anregen“. Die Gelder kommen dabei zu drei Vierteln direkt vom Bund, das verbleibende Viertel übernimmt das zuständige Bundesland – ab 2026 beläuft sich die Summe, die der gesamten deutschen Exzellenzstrategie damit zur Verfügung steht, auf 687 Millionen Euro pro Jahr.
Um Teil dieses Projekts zu werden und damit einen Anteil der erheblichen Summe an Fördergeldern beziehen zu können, müssen die Universitäten sogenannte Exzellenzcluster bilden. Das sind „international wettbewerbsfähige Forschungsfelder“, so das BMBF, an denen Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Disziplinen zusammenkommen, um mit gebündelter Expertise gemeinsam zu forschen. Die Projekte werden dann für sieben Jahre vom Bund und den Ländern gefördert, eine Verlängerung um weitere sieben Jahre ist aber möglich. Um sich dann als Exzellenzuniversität bewerben zu können, muss eine Universität mindestens zwei solcher Cluster vorweisen können und sich ebenfalls alle sieben Jahre evaluieren lassen. Ein Prozess, der sehr viel Verwaltungsarbeit, Bürokratie und Vernetzung fordert, von dem oft auch wissenschaftliche Mitarbeitende, die die Zeit ihres sehr kurz befristeten Arbeitsverhältnisses eigentlich zum Schreiben ihrer Qualifikationen verwenden sollten, zu spüren bekommen.
Jena macht mit
In Jena haben wir seit 2019 ein vom Bund gefördertes Exzellenzcluster mit dem Namen Balance of the Microverse, das sich momentan um eine zweite Förderperiode bewirbt. Dafür haben sich Wissenschaftler:innen der Biologie, Medizin, Optik/Photonik, Materialwissenschaften, Bioinformatik und Ethik zusammengeschlossen, um Mikroorganismen, ihre Interaktionen und (Dys-)balancen zu erforschen. Die Sprecherin des Exzellenzcluster, Kirsten Küsel erklärt, dass hierbei vor allem aus ökologischer und medizinischer Sicht untersucht werden soll, wo die Kipppunkte dieser Mikroorganismen liegen und wie durch gezielte Einflussnahme die Zerstörung dieser Systeme verhindert werden kann. Küsel erklärt, dieses Projekt sei eine einzigartige Möglichkeit, fächerübergreifend zu arbeiten und dabei Expertise und Ressourcen verschiedener Fakultäten zu einem gemeinsamen Zweck zu vereinen.
Um sich für eine Bewerbung als Exzellenzuniversität qualifizieren zu können – was das erklärte Ziel des neuen Universitätspräsidenten Andreas Marx ist, der damit in Konstanz schon viel Erfolg hatte – sind allerdings mindestens zwei Exzellenzcluster notwendig. In Jena ist auch schon ein zweites in Arbeit, diesmal sollen die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften im Cluster Imaginamics vereint werden. Hier wird geplant, Praktiken und Dynamiken des sozialen Imaginierens zu erforschen, um gesellschaftliche und soziale Konflikte besser verstehen zu können. Auch Johannes Grave, Sprecher des Clusters Imaginamics schätzt an dem Projekt, dass es Ressourcen und Kompetenzen verbindet und damit Forschungsprojekte ermöglicht, die einzelne Institute sowohl personell als auch finanziell gar nicht stemmen könnten.
Exzellent oder prekär?
Jena ist also auf einem guten Weg, um zur Exzellenzuniversität zu werden und vom Bund finanzierte Spitzenforschung auf internationalem Niveau betreiben zu können. Doch gleichzeitig werden besonders im universitären Mittelbau, also unter wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen, Promovierenden und Post-Docs, vermehrt Stimmen laut, die sich über die prekären und teilweise ausbeuterischen Arbeitsbedingungen an Universitäten beschweren.
An einem milden Nachmittag im April treffen sich in der Aula zur Rosen Promovierende verschiedener Fachrichtungen, um mit dem Rat der Doktorand:innen sowie der Schweizer Geologin und Mitbegründerin der „Better-Science-Initiative“ Heike Mayer, Alternativen zur aktuellen Wissenschaftskultur zu diskutieren. Es geht um viel zu kurz befristete Arbeitsverträge, problematische Machtgefälle innerhalb der Fakultäten und das Opfern eines Privatlebens für die wissenschaftliche Karriere.
Auch die Exzellenzstrategie wird dabei kurz angesprochen: Die Promovierende scheinen ihr nicht so wohlgesonnen wie Küsel und Grave. Sie sind überzeugt, dass gute und innovative Forschung nur von zufriedenen Wissenschaftler:innen produziert werden kann, die ihre mentalen Kapazitäten auf Inhaltliches richten können, anstatt in Existenzängsten und Verwaltungsarbeiten zu versinken. Die Exzellenzstrategie löst an ihren Problemen nichts, scheint sie nicht einmal anzuerkennen. Anstatt in Menschen und bessere Systeme zu investieren, macht die Politik Forschung zu einem Wettbewerb, stachelt die Universitäten förmlich gegeneinander an und fördert Elitarismus. Dabei widerspricht das dem, was Wissenschaft sein sollte – von Neugier und nicht von Politik oder Geld getrieben und dabei der Gemeinschaft, statt dem Image dienend.
Jena bleibt dabei nicht viel anderes übrig, als in diesem Wettstreit mitzugehen – und zwar nicht nur, weil es von einer der ältesten Universitäten des Landes erwartet wird, sondern auch, weil die FSU keine andere Wahl hat. Die Exzellenzcluster machen Jena als Studienort attraktiver und generieren so mehr Immatrikulationen, die wiederum Geld einbringen. Neben der direkten Projektförderung können Universitäten mit Exzellenzclustern zusätzlich „eine ‘Universitätspauschale’ als Strategiezuschlag zur Stärkung ihrer Organisation und strategischen Ausrichtung“ beim BMBF beantragen – laut Kirsten Küsel, handelt es sich dabei um eine Million Euro, die der Uni pro Jahr zur freien Verfügung zusteht – eine Summe, auf die die in der Finanzkrise steckende FSU nicht verzichten möchte.
Neben den finanziellen Gründen, soll der Standort in Jena aber auch den deutschen Osten repräsentieren, der im Netz der deutschen Exzellenz mal wieder nicht mithalten kann. Neben Jena finden sich aktuell nur noch in Dresden und Berlin Mitstreiter in den neuen Bundesländern. Besonders im Vergleich zu Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ist dieses Bild ernüchternd, da dort jeweils bis zu vier Exzellenzuniversitäten und eine erhebliche Anzahl an Exzellenzclustern zu finden sind.
„Jena muss strahlen“, erklärt Johannes Grave vom geplanten Exzellenzcluster Imaginamics. Strahlen für die Region und die Attraktivität gegenüber Studierenden, damit wir mithalten können – sowohl international als auch national. Nicht mitzumachen halten weder Grave noch Küsel für eine Option. Die prekären Bedingungen für wissenschaftliche Mitarbeitende erkennen beide an, betonen aber gleichzeitig, dass die Exzellenzstrategie diese zwar nicht löst, aber dennoch einen Beitrag zu ihrer Besserung leisten kann. Küsel erklärt, dass bei der Bewerbung um die vom Bund bereitgestellte Förderung nicht nur inhaltliche Fragen berücksichtigt werden, sondern ein sehr starker Fokus auf Diversität, Gleichstellung und Nachwuchsförderung gelegt werde. Dass so Anreize für diversere Wissenschaft gesetzt werden, befürwortet die Biologin. Sie hofft außerdem, dass durch die Exzellenzcluster Strukturen geschaffen werden können, die nachhaltig auch über die Dauer der Cluster hinaus bestehen bleiben können. Dabei geht es nicht nur um die interne Zusammensetzung der Fakultäten, sondern auch um materielle Anschaffungen wie Mikroskope oder neue Gebäude, die durch die Projektförderung finanziert werden können und der gesamten Universität langfristig zugutekommen.
Erzwungener Wandel
Die Idee des Exzellenzclusters birgt also viel Potential, sowohl im Guten wie im Schlechten. Es spaltet die deutsche Forschung in Spitzenklasse und die, die auf der Strecke bleiben. Es löst die Probleme nur oberflächlich – an Geld fehlt es immer noch flächendeckend und wissenschaftliche Mitarbeitende leben immer noch in Abhängigkeit zu einem ungerechten System. Gleichzeitig zwingt es die Universitäten dazu, mitzumachen, damit alles nicht noch schlimmer wird – und dabei auch einen Blick nach innen zu richten.
Trotz der Probleme ist es der deutschen Forschung allerdings gelungen, international an Erfolg zu gewinnen und die Wissenschaft profitiert vom interdisziplinären Ansatz und der Profilbildung.
Und vielleicht müssen innovative Forschung und gute Bedingungen ja gar kein Gegensatz sein – die Exzellenzstrategie schafft zwar nur Anreize und rollt die Verantwortung mal wieder aufs Individuum ab, aber es gibt Menschen, die diese ernst nehmen und Wissenschaft auf allen Ebenen exzellent machen wollen.