Nicht nach rechts, aber wohin?

Auf der Suche nach der richtigen Strategie gegen rechts schalten sich jetzt Gewerkschaften ein. Antifaschismus heißt Arbeitskampf – auch an der Universität.


von Johannes Vogt

Etwa 400 Studierende versammeln sich in Hörsaal 1.
Foto: Johannes Vogt

Ein Teil der Jenaer Studierendenschaft – ein Teil, den man von außen auch als alternative Szene bezeichnen könnte – ist seit ein paar Monaten auf der Suche nach der richtigen Strategie gegen rechts. Erst Rechtsruck Stoppen, dann Demos gegen die Deportationspläne der AfD und jetzt Uni gegen rechts.
400 Menschen versammelten sich dafür am vergangenen Mittwoch im Hörsaal 1. Verschiedene Gewerkschaften hatten dazu aufgerufen, darunter die FAU, Verdi, GEW und TV-Stud, aber auch universitäre Organisationen wie der Promovierendenrat, der Stura und einige FSRe.
Der Grundkonsens ist dementsprechen klar: Kampf gegen rechts heißt Arbeitskampf. „Das stärkste Mittel, das wir als Arbeiterinnen und Arbeiter haben, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen, ist der Streik“, sagt Konstantin Behrends, Verwaltungsmitarbeiter der FSU und bei Verdi aktiv. Tosender Applaus. Wirklich viele Arbeiter:innen waren zwar nicht da, die große Mehrheit könnte nur die nächste Vorlesung schwänzen. Der Machthebel ist da kleiner, aber nicht gleich null.

Die Schlüteraffäre

Es gibt ein historisches Vorbild, wie Streiks an der Uni den Kampf gegen Rechts unterstützen können: Die Schlüteraffäre. 1955 wurde Leonhard Schlüter zum Kultusminister Niedersachsens ernannt. Er war in der Nachkriegszeit Verleger von nationalsozialistischen Büchern und trug immer wieder rechte Brandreden. Er war zwar während der NS-Zeit kein hochrangiger Funktionär, seine rechtsextreme Einstellung war aber allgemein bekannt. Die Göttinger Universität wollte seine Ernennung deshalb nicht hinnehmen. Ihr Rektor und alle Dekane der Universität traten kurz danach zurück. Die Studierendenschaft stellte sich hinter ihre Universitätsleitung. Der Asta (Stura für Wessis) trat zurück, es wurden Demonstrationen organisiert und Vorlesungen boykottiert. Der Druck führte am Ende dazu, dass Schlüter zurücktreten musste.
Die Situation ist heute allerdings nicht die gleiche, denn es geht nicht nur um eine Person. Es geht darum, eine ganze Partei von der Regierungsverantwortung fernzuhalten. Rechte sind heute nicht mehr isoliert, sondern fast natürlicher Teil der politischen Landschaft. Aber der historische Vergleich zeigt, dass der Ruf nach einem Streik an der Universität mehr sein kann als leere Phrasen von Gewerkschaftsfunktionär:innen, die gerne Antifaschist:innen wären.

Bürgerlicher Antifaschismus

Im Aufruf der Gewerkschaften kritisieren die Veranstalter:innen die bröckelnde Brandmauer nach rechts. „Gleichzeitig arbeiten CDU und FDP auf kommunaler und Landesebene nahezu vorbehaltlos mit der Partei [AfD] zusammen“, heißt es dort.
Das gefällt natürlich nicht allen. CDU und FDP zeigen sich von der Veranstaltung empört. Sie fühlten sich offenbar vom Kampf gegen rechts angesprochen, allerdings nicht als Mitkämpfende, sondern Bekämpfte.
Der Vorstand des Jenaer Kreisverbands der CDU Guntram Wothly wies diese „pauschale Unterstellung“ zurück. Die CDU arbeite nicht mit der AfD zusammen, sagte er der OTZ. Die FDP reihte sich ein. Petra Teufel, Stadträtin in Jena für die FDP forderte eine Entschuldigung von der Uni für diese Veranstaltung. „Wer ernsthaft für Demokratie kämpft, der darf nicht mit spalterischen Falschaussagen für Versammlungen werben“. Ob die Kritik an FDP und CDU gerechtfertigt ist, kann jeder selbst entscheiden, grundsätzlich falsch ist sie jedenfalls nicht. Nach der letzten Landtagswahl wählten CDU, FDP und AfD gemeinsam den FDPler Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens. Schon fünf Jahre zuvor plante die Thüringer CDU gemeinsam mit der AfD, eine rot-rot-grüne Regierung unter Ramelow zu verhindern. Die Pläne scheiterten zwar in beiden Fällen, zeigen aber, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht in allen Teilen dieser Parteien abgelehnt wird.
Der Nachwuchs der CDU wollte sich auch an der Empörungswelle beteiligen und kommentierte unter der Einladung des Stura. Markus Wolf, langjähriges Mitglied des Stura und des RCDS, hoffe, dass die Uni der Veranstaltung einen Riegel vorschiebe. Offenbar hat er die Bundespartei um Hilfe gebeten, denn RCDSler aus ganz Deutschland kommentierten: Valentin Kukuk vom RCDS Niedersachsen sagt, „wer gegen rechts ist, stellt sich gegen AfD aber auch CDU, FDP und Teile der SPD“. Die Diskursverschiebung ist damit vollendet. CDUler fangen an, sich als rechts zu begreifen, Reihen sich hinter der AfD ein und diskreditieren Versuche, etwas gegen rechts zu unternehmen.

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