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FSU feuert Klimaaktivist:in

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Wegen Klimaaktivismus wurde Eli von der FSU gefeuert. Während die Uni auf Ordnung pocht, kämpft die FAU für Elis Zukunft.

von Moritz Weiß

Damit hat niemand gerechnet
Foto: Johannes Vogt

Mehrere Blockaden und Besetzungen gegen die deutsche Klimapolitik könnten Eli langfristig zum Verhängnis werden. Zumindest wenn es nach dem Wunsch der Uni geht. Vor mehreren Jahren sah sich Eli veranlasst, mit zivilem Ungehorsam gegen das Handeln der Regierung zu protestieren, um auf das Scheitern im Umgang mit der Klimakrise aufmerksam zu machen. Nach einer Werksblockade wurde Eli unter anderem wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt. Insgesamt kam es zu zwei Verurteilungen aufgrund dieser Aktionen. Heute würde Eli einige Dinge rückblickend anders machen.
Zwei Jahre nach der aktivistischen Hochphase wollte Eli als wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in am Institut für Mathematik und Informatik der FSU anfangen, um sich eine Promotion zu finanzieren. Im Vorfeld musste Eli versichern, nicht vorbestraft zu sein, und später als Nachweis noch ein makelloses Führungszeugnis einreichen. Im Dezember 2023 nahm Eli dann zunächst die Arbeit auf. Zwei Wochen nach Beschäftigungsbeginn teilte die Personaldezernentin allerdings mit, die Anstellung könne nicht fortbestehen. Grund dafür seien die besagten Vorstrafen, von denen die Dezernentin erst nach Vertragsschluss erfuhr. Die Uni wirft Eli vor, sie durch das Verschweigen absichtlich getäuscht zu haben. Daher sei der Arbeitsvertrag aus ihrer Sicht rückwirkend nicht mehr gültig und Eli müsse ab sofort den Arbeitsplatz räumen.

Wer begeht hier Rechtsbruch?

Eli suchte Hilfe bei der Freien Arbeiter*innen-Union Jena (FAU). Die Gewerkschaft ist der Ansicht, dass die Uni Vorstrafen gar nicht pauschal abfragen dürfe. Die Informationen seien für die Tätigkeit von Eli nicht relevant. Demnach hätte Eli ein „Recht zu lügen“ und müsse von der Uni weiterbeschäftigt werden. Die FAU sieht in dem Ganzen auch einen politischen Fall. Es sei widersprüchlich, dass eine Einrichtung die Beschäftigung aufgrund klimaaktivistisch motivierten Ungehorsams verweigern will, an der sich mehrere Lehrstühle für Klimaschutz engagieren. Laut ihrem eigenen Leitbild kämpft die Uni für eine nachhaltige Welt. Als sie das Personaldezernat damit konfrontieren, weicht es auf eine andere Argumentationslinie aus. In einem weiteren Schreiben der Personaldezernentin, das ebenso dem Akrützel vorliegt, heißt es nun folgendes: an der Uni sei generell kein Platz für mehrfach vorbestrafte Personen. So die Beschlusslage der Universitätsleitung. Die politische Dimension in Elis Fall spiele dabei keine Rolle, es gebe schließlich keine „guten“ Straftaten. Außerdem liege bei Eli eine staatsfeindliche Haltung nahe, was einer Anstellung an einer staatlichen Einrichtung wie der Uni entgegenlaufen würde.
Eine staatsfeindliche Haltung kann bei Beschäftigten des öffentlichen Dienstes die persönliche Eignung in Frage stellen, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht, im Gespräch mit dem Akrützel. Normalerweise dürfen Arbeitgeber:innen nur dann nach früheren Straftaten ihrer Beschäftigten fragen, wenn diese für die Art der ausgeübten Tätigkeit von Bedeutung sind. Dagegen besitzt ein öffentlicher Arbeitgeber wie das Land Thüringen ein weitergehendes Fragerecht. Straftaten können auf fehlende Verfassungstreue hindeuten und damit die allgemeine Eignung eines Beschäftigten für diese Tätigkeit beeinträchtigen. Ob aus der Teilnahme an Klimablockaden oder dabei begangenen Straftaten bereits der Schluss auf Verfassungsfeindlichkeit gezogen werden könnte, müsste aber im Einzelfall geprüft werden. Jedenfalls dürfte es laut Oberthür unzulässig sein, generell keine Straftäter:innen einstellen zu wollen, ohne nach der Art der Straftaten und der auszuübenden Tätigkeit zu differenzieren.

Alles oder nichts

Das tut die Uni auch gar nicht, meint die Pressesprecherin der Uni Katja Bär. Lehrende, also auch wissenschaftliche Mitarbeiter:innen, hätten aber eine besondere Vorbildfunktion. Eine Vorbestrafung wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt sei bei diesem Personenkreis deutlich kritischer zu sehen als zum Beispiel bei angestellten Hausmeister:innen. Auch falsche Angaben bei der Vertragsunterzeichnung würden laut der Uni an der Eignung für eine wissenschaftliche Tätigkeit zweifeln lassen. Richtlinien für den generellen Umgang mit vorbestraften Bewerber:innen gäbe es aber bisher gar nicht, heißt es jetzt. Das Personaldezernat zeigt sich zwar weiterhin gesprächsbereit, will aber an ihrer Entscheidung und der zugrundeliegenden Motivation festhalten. Eine weitere Eskalation scheint vorprogrammiert. Die FAU erwägt eine Klage vor dem Arbeitsgericht, um Elis Interessen zu verteidigen. Würde die Uni vor Gericht unterliegen, müsste sie alle Gehälter nachzahlen, obwohl Eli in der Zeit gar nicht gearbeitet hat. Die Uni geht damit auch ein finanzielles Risiko ein. Unklar ist, ob es weitere Betroffene gibt, die auf gleiche Weise von einer Beschäftigung an der Uni ausgeschlossen wurden. Auch diese können sich rechtlich noch zur Wehr setzen, falls ein Arbeitsvertrag bereits unterschrieben und hinterher wegen Vorstrafen annulliert wurde. Dabei steht der Verdacht im Raum, die Uni würde über die ihr zustehenden Rechte hinausgehen. Eli könnte davon profitieren, dass der Vertrag bereits abgeschlossen war, bevor die Uni von den Straftaten erfahren hatte. Einen Arbeitsplatz für sich einzuklagen, wenn noch nichts unterschrieben wurde, ist sehr schwierig.
Elis Fall könnte grundsätzliche rechtliche Fragen beantworten und hat zugleich das Potential, das Vorgehen der Uni politisch in Frage zu stellen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung bleibt aber auch Eli im Ungewissen, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht. Eli darf die Promotion immerhin fortsetzen, ist aber nicht mehr im Forschungsbetrieb des Instituts eingebunden. Elis Kolleg:innen aus dem Fachbereich wären bereit, wieder mit Eli zusammenzuarbeiten, sofern es die Uni zulässt. Dazu wird sich diese kaum aus freien Stücken durchringen.

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