Die Jenaer Studierendenschaft hat sich selbst gelähmt. Diesmal haben sie sich intern gestritten: mit schwerwiegenden Folgen.
von Johannes Vogt
Dieser Artikel wurde aktualisiert (Stand 09.11.23, 15:00 Uhr)
Wer gehofft hat, dass in der neuen Legislaturperiode zumindest kurzfristig mit den Mitgliedern auch ein wenig Vernunft in das höchste studentische Gremium Einzug hält, wurde spätestens nach einer Woche enttäuscht. Bis dahin lief es reibungslos. Jetzt ist der Stura handlungsunfähig – zumindest in einigen Teilen: die Haushaltsverantwortlichen bearbeiten keine Anträge mehr, die Beziehungen zwischen den Vorständen und dem Kassenverantwortlichen sind angespannt, dazu kommen Streitereien mit dem FSR Wirtschaftswissenschaften (Wiwi) und dem Stura der EAH. „Wir führen Krieg“, fasste es einer der Vorstände zusammen. Man könnte also sagen: Alles wie immer, und das schon nach der ersten Woche.Im Zentrum des Konflikts steht der Kassenverantwortliche Samuel Ritzkowski (Liste 42). Dieser hat es sich offenbar mit mehreren Personen im FSU-Stura gleichzeitig verscherzt. Dazu gehören Teile des Vorstands, insbesondere Marcel Julian Paul, einige Personen aus der linken Fraktion, der Haushaltsverantwortliche Paul Staab und die Wiwis.
Kein HHV, kein Geld
Mehrere Personen im Stura erzählen, Samuel Ritzkowski mische sich in Bereiche ein, die nicht in seiner Verantwortung liegen würden. Teilweise spielten aber auch persönliche Konflikte eine Rolle. Es geht um Vorstandssitzungen, die begonnen wurden, ohne auf alle Beteiligten zu warten, Kurzgeschichten, die während der Arbeitszeit vorgelesen wurden – eigentlich Firlefanz. Der Konflikt hat aber leider Auswirkungen auf die gesamte Studierendenschaft.
Wegen der Streitereien wurden bisher keine neuen Haushaltsverantwortlichen (HHV) gewählt. Man müsse zunächst besprechen, wie man in Zukunft noch gemeinsam arbeiten könne, und die Konflikte lösen, so Paul Weiß, ehemaliger stellvertretender HHV. Die Wahl des HHV wurde deshalb verschoben.
Für die Studierendenschaft bedeutet das eine Quasi-Haushaltssperre. Um Geld zu überweisen, muss nämlich sowohl die Kassenverantwortung als auch die Haushaltsverantwortung die Überweisung prüfen und unterschreiben. Bevor neue Finanzer gewählt werden, übernehmen den Job eigentlich die Verantwortlichen aus dem letzten Jahr. Aber die haben sich ja gestritten. Staab und seine Stellvertreter:innen haben angekündigt, die Arbeit erst wieder aufzunehmen, wenn die zukünftige Arbeitsatmosphäre geklärt ist. Wie schon im letzten Jahr kann der Stura also kein Geld ausgeben, und das kurz nach den Einführungstagen, für die viele FSR-Mitglieder Geld vorgestreckt haben, mit der Erwartung, dieses vom Stura zurückzubekommen.
Vor der Sturasitzung am 7. November ist Ritzkowski noch davon ausgegangen, dass der Konflikt ein riesiges Missverständnis sei. Dann wurde er aber unerwartet abgewählt. Den Antrag dafür stellte Viktoria Peinelt (Linke Liste), die bisher nicht am Konflikt beteiligt war. Mit Ritzkowski verlässt nun eines der ältesten Mitglieder das höchste studentische Gremium und mit ihm gehen Wissen und Erfahrung, die es nun zu ersetzen gilt. Dasselbe gilt auch für den HHV der letzten Legislatur. Staab hat seine Bewerbung auf der gleichen Sitzung zurückgezogen und ist damit de facto zurückgetreten. Wer nun die Arbeit der zwei Finanzer übernimmt, bleibt abzuwarten. Bisher ist nur noch Paul Weiß (Linke Liste) übrig, der Ritzkowki vertritt. Alle anderen Finanzstellen sind jetzt unbesetzt. Seit Jahren ist der Haushalt das Sorgenkind des Stura, mit dieser Sturasitzung hat sich die Situation wohl noch verschlechtert.
Die Wiwis mögen wir nicht
Während der Stura der FSU mit ihrem HHV streitet, ist man in der EAH geeint – in Solidarität gegen die FSU. Man ist davon überzeugt, dass der FSU-Stura einen über den Tisch gezogen hat. Über mehrere Jahre habe er, so der Vorwurf, keine Rechnungen für gemeinsame Projekte gestellt, bis schließlich alle auf einmal kamen. Die EAH hat deshalb vor einigen Wochen jegliche Kooperation beende. Seitdem ist die einzige Verbindung zwischen beiden Whatsapp-Chats mit bösen Nachrichten.
Seit einiger Zeit steht außerdem der Wiwi-FSR in der Kritik. Seine Finanzen seien undurchsichtig und teilweise falsch. Deshalb übernahm der Stura im April die Kontrolle über alle finanziellen Entscheidungen der Fachschaft. Dabei fanden die Finanzverantwortlichen verdächtige Überweisungen. Sie übermittelten sie an die Polizei, die jetzt wegen Verdachts auf Betrug ermittelt.Der Stura ist also so zerstritten wie eh und je. Aber das gehört ja zu einer Demokratie dazu. Bleibt nur zu hoffen, dass sie sich nicht bald über Heizungen streiten, und vor allem, dass nicht diejenigen darunter leiden, die sich in der Studierendenschaft engagieren.