Die Polizei räumte Ende Mai ein besetztes Haus der FSU. Aktivist:innen hatten es nur wenige Stunden vorher besetzt, um auf Leerstand und hohe Mieten aufmerksam zu machen.
von Johannes Vogt
Hausbesetzung am Forstweg. Foto: Privat
Jena hat zu wenig Platz. Trotzdem stehen immer wieder Häuser jahrelang leer, einige davon gehören der FSU. Deshalb besetzten Aktivist:innen der Initiative „Leerstand gestalten“ im Mai ein Gebäude am Forstweg 19. Seit sechs Jahren steht es leer. Merle findet das verantwortungslos. Sie ist eine der Initisatorinnen der Besetzungen und war auch selbst an dem Tag vor Ort: „Ich verstehe nicht, wie es sein kann, dass ein Gebäude jahrelang leer stehen soll, obwohl in Jena gleichzeitig Menschen nach Wohnungen suchen“, sagt sie.
Innerhalb weniger Stunden versammelten sich vor dem Gebäude ein paar Dutzend Menschen, um die Besetzung zu unterstützen. Jonas hat die Versammlung vor dem besetzten Haus mit auf die Beine gestellt und bezeichnet sie als Straßenfest mit politischem Appell: „Wir stehen vor gesellschaftlichen Krisen, die wir nicht von heute auf morgen lösen können. Deshalb braucht es Orte, in denen sich eine Zivilgesellschaft bilden und vernetzen kann.“ Er redet vom Rechtsruck, der gerade in Thüringen ein enormes Problem sei – die AfD lag zuletzt bei Umfragen in Thüringen bei knapp 30 Prozent – der Klimakrise, die ein radikales Umdenken fordere, aber auch von sozialen Krisen: steigende Mieten und Wohnungsmangel. Jena hat die teuersten Mieten in Thüringen und lag laut Mietspiegel 2021 über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Zu alledem sollte das Haus am Forstweg 19 ein Gegenpol sein, sagt Jonas. Für die Uni sind das Themen, die mit der Universität nichts zu tun haben, wie die FSU auf Anfrage des Akrützel betont. Lange konnten die Aktivist:innen den Raum allerdings nicht halten: Noch am selben Tag ließ die Universitätsleitung das Haus von der Polizei räumen. Die drei Aktivist:innen, die im Haus geblieben sind, bekamen eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch.
Ein Raum für Zivilgesellschaft
Öffentlich nahm die FSU keine Stellung zu der Besetzung. Auf Anfrage des Akrützel betont sie, dass das Haus in Zukunft Teil eines neuen Campus sein werde. Es befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Kinderklinik, wo in den nächsten Jahren die Sozialwissenschaften einziehen. Wann genau, das weiß die FSU selbst noch nicht. Ein Plan soll aber zum Ende des Jahres beschlossen werden.
Neben dem Gebäude am Forstweg hat die FSU nach eigenen Angaben sechs weitere leerstehende Häuser: drei im Areal der alten Kinderklinik, die alte Urologie in der Lessingstraße und das ehemalige Unihauptgebäude am Fürstengraben. Trotzdem baut die Uni an mehreren Stellen der Stadt. Sie befinde sich nämlich nach eigenen Angaben in einem Transformationsprozess: Die Gebäude der FSU sind über die gesamte Stadt verteilt. Deshalb will die FSU zentrale Campus für die unterschiedlichen Fachrichtungen schaffen, um deren Zusammenarbeit untereinander zu stärken. Auf dem Inselplatz entsteht ein Campus für Psychologie, Informatik und Mathematik, die alte Kinderklinik ist für die Sozialwissenschaften vorgesehen und im Bachstraßenareal soll einer für Biomedizin entstehen. Dieser Umbau ist der FSU zufolge noch nicht abgeschlossen, weshalb viele Gebäude leer stehen.
Eine Zwischennutzung schließe die Universität nicht aus. Genau das passiere sowieso schon: Das Café Wagner nutzt zum Beispiel die Kinderklinik für einige Monate und in der Bachstraße kamen Geflüchtete unter. Allerdings: „Eine Besetzung ist keine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“.
Das Haus im Forstweg steht also weiter leer. Für Merle und Jonas steht aber fest: „Das war noch nicht das Ende“. Welches Haus dann als nächstes besetzt wird, bleibt abzuwarten, genug Leerstand gibt es dafür allemal.