Jährlich lockt die Weinmeile zu Pfingsten tausende Besucher:innen ins Saale-Unstrut-Gebiet.
Wir waren vorab da und geben euch die wichtigsten Tipps.
von Henriette Lahrmann
Weingut Hey: Wein so weit das Auge reicht. Foto: Pauline Schiller
Freitagnachmittag, 14 Uhr – zwei Wochen vor Pfingsten. Mit den Rädern unterm Arm läuft eine Gruppe aus drei Redakteur:innen die Treppe zum Gleis 2 hinauf. In wenigen Augenblicken wird hier im Paradies-bahnhof ein Zug einfahren, der sie ins Saale-Unstrut-Gebiet bringen soll, das jedes Jahr zu Pfingsten zur Saale-Weinmeile wird. Auf sechs Kilometern zwischen Bad Kösen und Roßbach tummeln sich dann Weinexpert:innen, Genießer:innen, aber auch einfache Saufbolde. Sie alle lockt der Wein, der an kleinen Ständen überall entlang der Saale angeboten wird.
Radeln entlang der Saale
Innerhalb von 20 Minuten erreichen wir unser erstes Ziel: Schon im 17. Jahrhundert wurden erste Salzvorkommen in Bad Kösen erschlossen, und noch heute bezeichnet sich die Kurstadt offiziell als „Solebad“. Kurbesucher:innen sehen wir heute nicht – die Weinmeile bestimmt die Stadt. Auf Fahrradsattel und Kopfsteinpflaster geht es durch den Ortskern, immer den Schildern nach, die die ersten Weingüter versprechen. Und das Versprechen wird gehalten. In der nächsten Biegung wartet in einem weißen Fachwerkhaus mit großen Sprossenfenstern das Weingut Lützkendorf auf die kleine Reisegruppe. Wenig später stehen ein Weißburgunder, ein Silvaner und ein Riesling auf dem Tisch. Ein Radfahrer aus der Schweiz schließt sich unserer Bestellung an. Am liebsten trinke er eigentlich Riesling von der Mosel, aber jetzt sei er hier, um einige Empfehlungen des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter auszuprobieren, man müsse ja auch nicht immer alle austrinken.
Zu ihm an den Tisch gesellt sich auch ein älteres Ehepaar, welches mit ihren E-Bikes angereist ist. Gemeinsam einigen wir uns darauf, dass wir den Weißburgunder empfehlen wollen. Der ältere Mann wirft
ein, dass der Weißburgunder mittlerweile ja ein Modewein sei. Er schmecke ihm aber auch und er gehe mit der gemeinsamen Entscheidung mit. „Wir kommen gerne hierher, auch deswegen“, erklärt er und hebt dabei sein Weinglas. „Wir nennen das Fahrradfrühschoppen“, ergänzt seine Frau und lacht.
Mit reichlich Empfehlungen für weitere Weingüter und dem Geschmack von Wein noch auf der Zunge schwingt sich die Dreiergruppe zurück auf ihre Räder. Auf der linken Seite führt der Weg entlang einzel-
ner Häusern mit großen Gärten mitten in den Weinbergen und rechterhand an Schrebergärten und größeren Wiesen vorbei.
Ein Dreiklang aus Bacchus, Traminer und Auxerrois. Foto: Pauline Schiller
Schon von weitem ist das Logo des Landesweinguts Kloster Pforta an der Hauswand zu sehen. Zur Weinmeile ist es hier besonders voll, weil der Gutshof neben Wein auch Essen vom Grill sowie Kaffee
und Kuchen anbietet, dazu Musik von diversen Livebands. Nachdem wir einen Bacchus, Traminer und Auxerrois bestellt haben, kommen wir in Kontakt mit zwei Frauen vom Nebentisch. Die beiden sind gerade in Bad Kösen zur Kur und kommen immer nur hierhin, denn hier sei es schön. Nach einer Dreiviertelstunde strammen Fußmarschs würden sie sich im Landesweingut etwas bestellen und hier hängen bleiben. Die Delegation aus Jena kann leider nicht so lange bleiben – der nächste
Wein will wieder auf einem neuen Weingut verkostet werden.
Der Weg entlang der Saale wird immer weitläufiger, anstelle der einzelnen Häuser schmiegt sich ein Weinberg an den nächsten, dazwischen immer wieder idyllische Weinberghäuschen. Sie dienen den
Winzer:innen als Unterstellmöglichkeit für Arbeitsgeräte und Weinutensilien. Hinter einer Linkskurve und einem schmalen Weg erstreckt sich auf einer halbrunden Kiesterrasse vor einem gelben Gutshaus das
Weingut Hey. Die Stimmung auf dem Hof ist ausgelassen und fünf angebrochene Weingläser an einem Einzeltisch lassen auf einen altbekannten Weinexperten schließen – ganz knapp verpassen wir den Schweizer.
Wir freuen uns, wieder verweilen zu können, und wagen uns neben einem Allerhand und einem weißen Hey das erste Mal an diesem Tag an einen Rosé heran. Es geht nicht mehr um den Wein allein, sondern
um die Kombination mit Essen sowie die Chancen und Probleme der Weinproduktion in Deutschland. Mehr dazu weiß der Tischnachbar. „Der Traminer passt sehr gut zu asiatischem Essen”, rät der Jour-
nalist. Seinen Beruf eröffnet er uns, nachdem die Frage aufkommt, welchen Job man denn wählen müsse, um an einem Freitagnachmittag Wein verköstigen zu können. Wir müssen schmunzeln. Wein sei ein rich-
tiges Hobby von ihm, welches er nicht mit dem Beruflichen mischen würde.
Wein mit Persönlichkeit
Nach bedeutungsschwangeren Gesprächen über die Entwicklung der Weinkultur in Deutschland liegt das nächste Weingut direkt um die Ecke: Weingut Prof. Wartenberg. Geführt wird es von Maria Wartenberg, die in Jena nicht ganz unbekannt ist: An der medizinischen Fakultät ist sie Professorin für molekulare Kardiologie und Stammzellforschung. In ihrer Freizeit führt sie das Weingut „Der Steinmeister“; prak-
tisch, dass sie dort auch lebt. Neben dem Eingang lockt das Weingut die Besuchenden mit einer Weinkarte als Persönlichkeitstest, in der jede Persönlichkeit einem Wein entspricht: Psychologiestudierende können sich an dieser Stelle freuen, mit den Persönlichkeitseigenschaften der Big Five auch außerhalb der Uni in Berührung zu kommen. Am Ende werden es der gesellige Typ in Form eines Müller-Thurgau, der Rebell als Souvignier Gris und ein zarter Rosa, der keinen Platz auf dem
Persönlichkeitsplakat gefunden hat. Die Auswahl entspricht damit nicht ganz dem Vorschlag des Persönlichkeitstests, schmecken tut sie trotzdem. Als Gruß des Hauses gesellt sich noch ein Glas vom Sportler dazu, ein Chardonnay. Mit einem gekonnten Schwung wirft der Kellner, ein junger FCC-Fan, die Weinflaschen aus dem Kühler, fängt sie in der Luft und gießt großzügig ein. In einem großen Garten zwischen weiblichen Holzskulpturen lässt sich der Wein wieder in einer anderen Atmosphäre genießen, während die Chefin höchstpersönlich ihre Einkäufe aus dem Auto packt.
Weingut Wartenberg. Professorinnenresidenz von Maria Wartenberg. Foto: Pauline Schiller
Mittlerweile ist es schon halb sieben, eine halbe Stunde bevor das Weingut Frölich-Hake in Roßbach schließt. Glücklicherweise ist das beworbene Weindorf nicht mehr weit. Mit dem Rad treffen wir nach nur wenigen Minuten an unserem letzten Stopp ein. Die Bestellung geht inzwischen leicht von den Lippen und in der Abendsonne klirren zum Abschluss eine Scheurebe, ein Kerner und ein Rosé aneinander.
Um nach der abgeschlossenen Meile dem Programm noch einen Kulturpunkt entgegenzusetzen, machen wir noch einen Abstecher in die kleine Kirche oberhalb des Dorfplatzes. Hier oben können wir beobachten, wie die Sonne langsam hinter den Weinbergen untergeht. Um uns herum ist schon eine fast andächtige Stille, und es ist kaum vorstellbar, wie sich der Ort schon in zwei Wochen in ein einziges Weinspektakel verwandeln wird.
Weinempfehlungen
Weingut Lützkendorf: Der Weißburgunder, ein trockener, fruchtiger Wein, der ein bisschen spritzig ist. Sorgt eindrucksvoll für neue Lieberhaber:innen.
Weingut Kloster Pforta: Der Bacchus, ein sehr aromatischer, blumiger Wein, der trotzdem frisch schmeckt. Ebenfalls zu empfehlen ist der Traminer, er ist würzig und etwas schwerer als der Bacchus. Seine Aromen treten nicht so stark hervor. Beide bombastisch!
Weingut Hey: Der Allerhand, ein leichter, süßlicher Sommerwein, der leicht nach Karamell riecht. Wird der Sommer wie der Wein, können wir uns freuen.
Weingut Wartenberg: Der Zart Rosa, ein herber, leicht fruchtiger Wein, ebenfalls mit einer Karamellnote. Beglückt alle Rosé-Freunde.
Weingut Frölich-Hake: Die Scheurebe, ein leichter Wein mit einer angenehmen Säure, mit dem Geruch nach Holunder. Warum ist die Rebsorte immer noch unterschätzt? Diesen tollen Trinkge- nuss sollte man sich nicht entgehen lassen.
Pausen- und Ausstattungstipp
Ein guter Zeitpunkt, um den Menschenmassen für einen Augenblick zu entfliehen, findet sich gleich vor dem Landesweingut Kloster Pforta. Dafür geht man zehn Meter hinter dem Logo an dem Wegweiser Richtung Göttersitz die steile Treppe links hoch und auf der Höhe des Weinbergs gleich wieder rechts. Jetzt befindet man sich oberhalb des Weinguts Kloster Pforta und unmittelbar unter den Weinstöcken. Die Pause kann genutzt werden, um in Ruhe den Blick über das Saaletal, das Weingut und die großen Rapsfelder schweifen zu lassen.
Die Weinmeile ist sehr teuer und an den meisten Ständen kann nur mit Bargeld bezahlt werden. Daher ist es gut, genügend Bargeld mitzunehmen. Um wenigstens ein bisschen den Geldbeutel zu schonen, lohnt
es sich, ab einer Gruppe von drei oder vier Personen eine ganze Flasche anstatt vier Gläser Wein zu kaufen. Dazu lässt sich der Glaspfand sparen, wenn man sich gleich ein Glas oder einen Becher von zu Hause mitbringt – am besten befestigt man das Gefäß noch an einem Bändchen, damit es weder verloren noch kaputtgeht. Gerne wird auch mal vergessen, genügend Wasser mitzunehmen oder vorher ausreichend zu essen. Davon solltet ihr unbedingt absehen. Bei gutem Wetter solltet ihr auch an eine Kopfbedeckung und Sonnencreme denken: Wenn man erstmal unterwegs ist, wird die Sonne in Kombination mit dem Alkohol gerne unterschätzt.
An- und Abreise
Für die Zuganreise aus Jena lohnt es sich, ein Ticket von Camburg nach Bad Kösen zu buchen, da man bis Camburg noch mit der Thoska fährt. Auf dem Rückweg solltet ihr euch überlegen, noch das letzte Stück von Roßbach nach Naumburg zu laufen, weil die Züge von Roßbach immer sehr überfüllt sind – auch schon am Gleis.