Feiern weil der Arzt kommt

Der FSR Medizin ließ sich eine Party von einem medizinischen Unternehmen finanzieren, das mit Abrechnungsbetrug in Verbindung gebracht wird.

von Bastian Rosenzweig

Im April veranstaltete der FSR Medizin zusammen mit dem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Kielstein eine Semester-Warm Up Party im F-Haus. Die Tickets waren für alle Humanmediziner:innen kostenlos. Dennoch zieht die Veranstaltung Kritik nach sich. Der Grund: Gegen zwei Mitarbeiter:innen des MVZ wird seit Februar wegen Abrechnungsbetrug ermittelt. Die Beschuldigten sollen seit 2018 Leistungen abgerechnet haben, die nicht erbracht wurden. Im Januar fanden deshalb an sechs Standorten des MVZs Kielstein Durchsuchungen statt. Rund 200 Mitarbeiter:innen des Landeskriminalamts, der Bereitschaftspolizei und regionaler Polizeiinspektionen stellten dabei rund sechs Terabyte an Daten sicher, die seitdem ausgewertet werden. Jochen Grundler, Sprecher der Staatsanwaltschaft Meiningen, erklärt gegenüber dem MDR, das Verfahren sei „sehr dynamisch und könne sich auch noch ausweiten“.

Die Feier mit Kielstein wurde trotzdem veranstaltet. In einer Stellungnahme nennt der FSR zwei Gründe für die Entscheidung: Erstens habe die Planung bereits im September begonnen, so dass alles schon vor dem Vorfall reserviert und bezahlt gewesen sei. Zweitens gehe der FSR davon aus, dass es sich um Einzelfälle und nicht um systematischen Betrug handele. Auch sei die Schuld der Verdächtigen noch nicht bewiesen. So weit, so nachvollziehbar. Weniger nachvollziehbar ist das Drumherum. Die Feier kam laut FSR Medizin auf Initiative des MVZs zustande. Dieses sei im letzten Jahr auf den FSR zugegangen und habe sich bereit erklärt, das Event zu finanzieren. Deko-Elemente, die laut FSR der Förderverein des Gremiums bezahlt hat, wurden von Kielstein übernommen. Ein Kooperationsvertrag, der für eine solche Zusammenarbeit vorgeschrieben ist, hat erst im letzten Moment seinen Weg zum Stura gefunden.

Fachschaftsrat zu verkaufen

Dass eine Firma wie Kielstein aus reiner Güte Studierendenpartys bezahlt, ist unwahrscheinlich. Abrechnungsbetrug hin oder her: MVZs sind ganz normale Unternehmen. Als privatisierter Teil der gesundheitlichen Versorgung müssen sie zwangsläufig profitorientiert arbeiten. Ihre Legitimität wird deshalb von verschiedenen Seiten prinzipiell infrage gestellt. Die Unabhängige Patientenberatung und der Thüringer Hausärzteverband stellt beispielsweise sicher, dass MVZs gewinnorientiert arbeiten. Das könne dazu führen, dass unnötige Behandlungen durchgeführt werden.

Kielstein ist darüber hinaus ein Investitionsobjekt der Investorengruppe Triton. Diese hat im Jahr 2020 das Belegkrankenhaus Klinik Schöneberg GmbH übernommen, unter dessen Trägerschaft seither MVZs aufgekauft werden. Laut Bundesärztekammer lohnt sich dieses Geschäftsmodell besonders, da die Erlöse gewissermaßen durch die Sozialversicherung der Patient:innen generiert werden. Dass ein Unternehmen wie Kielstein Expansionspläne verfolgt, ist also kein Wunder. Allein in diesem Jahr gingen bisher vier neue Standorte in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in Betrieb.

Die Expansion will also vorangetrieben werden. Das Image des Unternehmens kann mit Schlagzeilen über Abrechnungsbetrug und Google-Bewertungen, die im Schnitt bei weniger als drei Sternen liegen, wohl ebenfalls eine Verbesserung vertragen. Es braucht also Werbung. Und bei der half der FSR Medizin fleißig mit: Kielstein ziert die Veranstaltungswerbung nicht nur als Sponsor zwischen dem FSR und Red Bull, sondern taucht prominent im Veranstaltungstitel „FS Medizin X Kielstein“ auf. Zwischen einer Stellenanzeige und einem Rezept für Asia-Nudeln postete das MVZ auf Instagram Fotos von der Feier. Neben feiernden Studis sind vor allem große Banner mit Werbung für Kielstein zu sehen. Selbst über dem DJ prangt groß das Logo des MVZs.

Zu der Angelegenheit mit dem Abrechnungsbetrug gesellt sich die Frage, ob ein solches Event überhaupt stattfinden muss. Gerade als Medizin-FSR sollte man die Kooperation mit einem Unternehmen, das Krankheit mit Profit verbindet, vielleicht einmal mehr überdenken. Abgesehen davon, dass der Medizin mehr Geld zur Verfügung steht als jeder anderen Fachschaft der Uni, verfügt der FSR außerdem über einen eigenen Förderverein. Somit hätte also auch eine Semester-Warm Up Party veranstaltet werden können, ohne Name und Logo eines Uni-Gremiums für die Werbezwecke von Kielstein und Red Bull herzugeben. Auf die Frage, ob man dieses Vorgehen nicht für problematisch halte, gibt der FSR keine Antwort. Zukünftigen Kooperationen mit dem MVZ Kielstein stehe man aber kritisch gegenüber.

Foto: Line Urbanek

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