Endstation Thüringen

Aus Liebe zum grünen Herzen Deutschlands gehen wir bis ans Ende der Welt und weiter, um die schönsten Flecken Thüringens zu finden. Heute ist Endstation in Lauscha.

von Lea Müller und Karolin Wittschrik

In der Weihnachtsbläserei. Foto: Pauline Schiller

In Lauscha herrscht das Motto der ganzjährigen Weihnacht. Aber auch wenn sie als Geburtsort des gläsernen Weihnachtsschmucks gilt, bedeutet Lauscha nicht nur Baumschmuck. Jährlich am ersten und zweiten Adventswochenende bietet die Kleinstadt einen Kugelmarkt an – den sowohl größten als auch teuersten in Deutschland. Hier befindet sich außerdem die einzige Berufsschule europaweit, welche die Kunst des Glasblasens in einer dreijährigen Ausbildung lehrt. Diese zieht neben den eher älteren Touristin:innen auch die junge Generation an.

Weihnachtshochburg Lauscha. Foto: Pauline Schiller

Die Auszubildende Mieke Sander ist bereits in ihrem letzten Lehrjahr an der Berufsschule. Insgesamt lernen dort derzeit 30 Auszubildende, die aus den unterschiedlichsten Regionen nach Lauscha kommen – der Ansturm ist riesig, der Altersdurchschnitt der Stadt sinkt drastisch.

Aus einem Zufall entstand Kunst

Überraschenderweise lässt sich Glas durch ein Gemisch aus Sand, Soda und Kalk unter der Einwirkung von Hitze herstellen. Dabei war die Entdeckung lediglich ein Zufallsprodukt der damaligen Metallverarbeitung
im Orient. Durch ein Versehen entstand ein Produkt, das damals auch als wertvolles Gut zum Tausch verwendet wurde.

Schon früh wurde eine sogenannte Glasmacherpfeife verwendet, ein Rohr, durch das Luft in die Glaskugeln geblasen wird und das heiße Glas formt. Bis heute werden die Kugeln in Lauscha auf diese Weise kreiert und das Wissen in der Ausbildung weitergegeben.

In der Farbglashütte entsteht die Glaskunst in traditioneller Handarbeit. Foto: Pauline Schiller

Die Farbglashütte Lauscha wurde 1853 gegründet, die Glasmanufaktur fertigt seit jeher per Handarbeit das Glas dort. Die entstandene gläserne Kunst und das Weihnachtszubehör werden in den naheliegenden Läden und im Werksverkauf angeboten. Die Räumlichkeiten sind größtenteils öffentlich und bis auf das Museum kostenlos zu besichtigen. Doch aufgepasst: Gemäß einer Sage soll der Geist des Gründers noch heute durch die Hütte spuken.

Nicht nur Baumschmuck: Glasaugen für die Medizin. Foto: Pauline Schiller

In der zugehörigen Glasausstellung gibt es nicht nur Eindrücke zur Kunst des Glasblasens, sondern auch zur Geschichte des Glases. Damals noch keine digitale Technik, wurden Botschaften auf Glas gemalt –
Emailmalerei. Aus der Vitrine heraus starren gläserne Augen auf die Besucher:innen, diese werden noch heute zur medizinischen Verwendung gefertigt.

Kitschige Kunst, kaufwillige Boomer

Auf dem diesjährigen 30. Kugelmarkt konnte das Handwerk selbst ausprobiert, eigene Kugeln geblasen und diese anschließend als Mitbringsel behalten werden (Vorsicht: Bruchgefahr!). Reizüberflutung und Menschenmassen waren garantiert. Der begehrte Baumschmuck entstand ursprünglich durch Arbeiter:innen, die aus der Not heraus Kugeln aus Glas fertigten, da es keine Nüsse und andere Früchte für den Weihnachtsbaum gab – logische Schlussfolgerung. Der Altersdurchschnitt der Besucher:innen lag fernab vom Studentischen, fast nur die Kinder versuchten sich an der Kunst, die Erwachsenen erfreuten sich am Kauf oder heißem Glühwein. Durch die einzigartige Handfertigung müssen Käufer:innen heutzutage tief in die Tasche greifen. In der Ausstellung steht unübersehbar ein vier Meter hoher und übermäßig beleuchteter Plastikbaum, dessen Christbaumschmuck allein über 2200 Euro kostet. Insgesamt kostet der Kitsch schlappe 4200 Euro, gute Qualität zum großen Preis. Exklusiv ist auch die repräsentative Hoheit des Glases selbst, eine Frau der Handwerkskunst: die Glasprinzessin mit passender Krone – aus welchem Material diese wohl gefertigt wurde?

Unikate Glaskunst. Foto: Pauline Schiller

Wer soll sich das leisten können? Sander ist sich sicher, dass ihr Beruf nicht aufgrund des hohen Preises irgendwann aussterben wird. Dieser sei dadurch gerechtfertigt, dass Glasblasen eine Fachrichtung der Kunst sei, welche Einzelfertigung vorsieht. Mit dem maschinellen Herstellungsprozess der Massenproduktion sei die Glaskunst nicht zu vergleichen. Demnach werden die Unikate gefragt bleiben – nur für wen? Die vielfache Nachbildung werde laut Sander vollkommen von der Massenproduktion übernommen. Auch die Energiekrise bedroht die Glasmanufaktur. Zur Vorbeugung immenser Kosten kam es bereits zu einem Umstieg von Erdgas auf Propangas.

Die Weihnachtsstadt bietet neben kitschiger Kunst eine besinnliche Atmosphäre, die nicht ausschließlich auf die Festlichkeiten begrenzt ist. Lauscha bedeutet „Winter Wonderland“ und verleitet zu eine winterlichen Spaziergang mit Schnee in Hülle und Fülle. Getreu der Aussage: „Klein aber oho“, hat Lauscha einiges zu bieten, ein Besuch lohnt sich jederzeit.

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