Psychische Leiden und sexuelle Lust sind an sich schon sensible Themen. Umso prekärer kann
es für Betroffene werden, wenn die Behandlung mit Antidepressiva zu einem veränderten
sexuellen Erleben führt.
von Lars Materne

Ein Zettel klebt am Pfosten der Ampel. Die Überschrift ist mit Textmarker umrahmt: „SSRI/SNRI führen zu PSSD – Warnung vor Antidepressiva“. Nach der Erklärung, was die Post-SSRI-Sexuelle-Dysfunktion (PSSD) ist und wie sie entsteht, fordert die Verfasser:in mit einem QR-Code auf, einer Messenger-Gruppe beizutreten, um sich zu vernetzen und gegen die Pharmaindustrie zu mobilisieren. Der Zettel zwingt mich, an die Nebenwirkungen meiner Antidepressiva zu denken und lässt mich wieder fragen, ob ich möglicherweise die PSSD nach der Behandlung haben werde. Nachdenklich stimmt mich die polemisch klingende Mobilisierung gegen die Pharmaindustrie. Mir erscheint das Vorhaben als recht verkürzt. Was ist nämlich, wenn die Pharmaindustrie nur Symptom und nicht Ursache des Problems ist? Was ist, wenn die Stigmatisierung von psychischen Leiden und die Tabuisierung von Schwierigkeiten mit der eigenen Sexualität ein gesamtgesellschaftliches Problem ist?
Wenige Antworten aus der Forschung, viele Fragen für die Praxis
Antidepressiva – wie die selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) oder selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) – werden bei der Behandlung von Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen eingesetzt. Häufig wird die Gabe von Antidepressiva mit der sogenannten Serotonin-Hypothese begründet: Ein Mangel an Serotonin soll die psychisch belastenden Symptome verursachen. Wie bei allen Medikamenten ist auch bei Antidepressiva entscheidend, zu wissen, was das Leiden verursacht und ob das Medikament die Leiden mindert.
Aktuell wird die Ursache von Depressionen als multikausal betrachtet. Dementsprechend ist die Wirkung von Antidepressiva umstritten und die Forschung distanziert sich zunehmend von der Serotonin-Hypothese. Dennoch wird in der Praxis an Antidepressiva festgehalten. Umso stärker wird von der deutschen Behörde für medizinische Leitlinien betont, dass eine vollständige Aufklärung über sexuelle Nebenwirkungen vor der Vergabe von Antidepressiva stattfinden soll. In der Praxis ist das nur begrenzt der Fall. Zudem werden auch bei der Behandlung auftretende sexuelle Nebenwirkungen unzureichend besprochen.
Irritierend ist dabei, dass unzureichend über sexuelle Nebenwirkungen aufgeklärt wird, während die Häufigkeit von sexuellen Funktionsstörungen bei 20-70 Prozent je nach Antidepressivum liegt. Vor allem bei gängigen SSRIs und SNRIs verändert sich das sexuelle Erleben ungleich häufiger als bei anderen Präparaten. Davon können Personen jeden Geschlechts und jeder Sexualität betroffen sein. Bei der bisher als sehr selten eingestuften und wissenschaftlich strittigen Diagnose der Post-SSRI-Sexuellen-Dysfunktion (PSSD) können die Nebenwirkungen von Antidepressiva auch nach dem Absetzen über Jahre hinweg oder auf unbestimmte Zeit anhalten. Weshalb wird selten über sexuelle Nebenwirkungen gesprochen?
Mit der Tabuisierung brechen
Irische Forschende um Agnes Higgins sind diesem Phänomen bei qualitativen Studien in Irland nachgegangen und haben für den psychiatrischen Kontext eine Theorie der Verschleierung von Sexualität erarbeitet. Nach ihrer Theorie führen implizite Normen und Verhaltensweisen in der Beziehung zwischen Behandelnden und Betroffenen dazu, dass Behandelnde in Gesprächen mit Betroffenen vermeiden, Punkte bezüglich der Sexualität anzusprechen. Dies erfolgt ohne Absicht, sondern aus fehlgeleiteter Fürsorge oder zum eigenen Schutz, um die Betroffenen nicht zu belasten oder keine unangenehmen Situationen zu haben. Die Forschenden fordern deshalb eine bessere Schulung und ein proaktives Auftreten von Behandelnden, um auf Betroffene und ihr sexuelles Befinden kompetent einzugehen.
Neben dem allgemeinen Umgang mit psychischen Leiden zeigt sich, dass speziell die Sexualität von psychisch Leidenden tabuisiert ist. Auf diese doppelte Tabuisierung macht der Zettel an der Ampel aufmerksam. Doch ein Gesprächsangebot für eine diverse Gesamtheit fehlt meiner Ansicht nach. Ein Austausch von Betroffenen und Nicht-Betroffenen kann gegenseitiges Verständnis fördern und für beide Seiten bereichernd sein. Wie lassen sich nämlich sexuelle Lust und der Verlust von Libido – eine mögliche Nebenwirkung von Antidepressiva – beschreiben? Die verlorene Libido fühlt sich beispielsweise für mich je nach Stimmung an wie eine angenehme Ruhe oder wie eine anhaltende Eiszeit ohne Anzeichen auf Tauwetter. Nun interessiert mich, wie fühlt sich denn sexuelle Lust an?


Vielen Dank für den leider immer noch viel zu kurz geratenen Bericht. Ich leide seit der Einnahme von Sertralin unter erektiler Dysfunktion. Deshalb wollte ich Sertralin wieder absetzen. 2 Tage nach dem Absetzen war dann wieder alles in Ordnung, aber 1 Woche später habe ich gemerkt, dass ich keine Videos mehr auf den gängigen Plattformen schaue und kein Interesse an Sex mehr habe. Ich habe daraufhin wieder Sertralin genommen und die Lust kann wieder. Ich habe dann ganz langsam runterdosiert. Irgendwann war die Lust dann wieder weg. In einem Forum hatte ich gelesen, dass es 3 Monate dauern kann, bis es sich wieder normalisiert. Leider habe ich dem vertraut. Ich bin nun seit 4 Jahren asexuell, und eine Wiederaufnahme von Sertralin hat es wesentlich verschlimmert. Ich leide seitdem unter übermäßigem Schlafen und kann man nicht mehr verlieben. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich ist.
Hallo Toni,
vielen Dank für deine Rückmeldung und denn offenen Umgang mit deinen Erfahrungen.
Bei meiner Recherche bin ich zu keiner zufriedenstellende Antwort auf die Frage finden können, wie Antidepressiva eine veränderte Sexualität möglich machen.
Umso mehr wünsche ich Dir, dass du mit den Veränderungen umgehen und deine zwischenmenschlichen Beziehungen gestalten kannst, wie du es magst.
Hallo Toni,
vielen Dank für deine Rückmeldung und denn offenen Umgang mit deinen Erfahrungen.
Bei meiner Recherche fand ich keine zufriedenstellende Antwort auf die Frage, wie Antidepressiva eine veränderte Sexualität möglich machen.
Umso mehr wünsche ich Dir, dass du mit den Veränderungen umgehen und deine zwischenmenschlichen Beziehungen gestalten kannst, wie du es magst.
Bei mir war es Quetiapin. 25mg hatten bei mir schon starke Nebenwirkungen, ohne meine Stimmung zu verbessern, deshalb habe ich es damals abgesetzt. Jahre später wurde mir allerdings wieder das selbe Medikament 150mg verschrieben.
Am dritten Tag nach der Einnahme habe ich beim Onanieren statt einen Orgasmus, unfassbar krasse Kopfschmerzen bekommen und mir wurde schwarz vor Augen. Da hab ich es mit der Angst zu tun bekommen. Mein Leben war sowieso von Einsamkeit geprägt und ich wollte auf keinen Fall solche Erektionsprobleme bekommen. Ich wurde nicht über die Nebenwirkungen aufgeklärt. Unter Scharm, habe ich diese und andere Nebenwirkungen dann bei der Krankenschwester gemeldet. Einen Tag später wollte der Arzt meine Dosierung sogar noch erhöhen. Auf Grundlage einer Diagnose, die sich als später als falsch herausgestellt hat. Da habe ich mich dann gegen ärztlichen Rat selbst entlassen. Habe es dann natürlich nicht mehr eingenommen. Bis heute habe ich einen sehr schwachen Orgasmus (kein Vergleich zu vorher) und es dauert sehr lange bis dieser eintritt (Btw: SSRI werden auch gegen führzeitigen Orgasmus verschrieben). Vor der Einnahme bin ich im Wald jeden Tag 3 Runden gejoggt. Heute schaffe ich trotz Training nur noch 1 Runde und joggen geht gar nicht mehr. Wenn ich eine attraktive Frau sehe, dann werde ich schon irgendwie lustvoll und sehnsüchtig aber die Lust kommt nicht im Penis an. Wäre ich ein alter Mann der im Hospiz liegt, wäre das kein Problem aber diese Medikamente an junge Menschen zu verschreiben ohne vorher Psychotherapie oder soziale Hilfe zu probieren, halte ich für einen Kunstfehler. Im Arztbrief stand dann folgendes ”Der Patient gab ”diverse Nebenwirkungen” an, darunter auch einen vermehrten Harndrang, der nicht auf das Medikament zurückzuführen ist. Alle Nebenwirkungen (die ich auch erst nach der Einnahme hatte und nicht von der falschen Diagnose erklärt werden konnten) wurden verschleiert. Da gibt eindeutig eine Dunkelziffer, was Nebenwirkungen angeht. Die SSRI haben nun mal einen guten Ruf und solche Meldungen führen dazu das die Menschen das Medikament (das auch Leben rettet) dann nicht mehr eingenommen wird. Das weiß ich aus einem Vortrag von Gerald Gründer (ZI-Mannheim), der auf YouTube einen gleichnamigen Channel unterhält.
Was mir geholfen hat:
1. Keine Pornos mehr. Der Mensch hat 5 Sinne. Alle Sinne können mit Gefühlen gekoppelt werden. Onanierst du immer wieder zu Pornos, dann passt sich dein System an (Konditionierung: Visuelle Stimulation = Onanieren = Orgasmus = Positives Gefühl). Ohne Pornos fehlt dieser Trigger dann erstmal. Wenn du eine bestimmte, gut duftende Lotion nimmst und ohne Pornos immer wieder Onanierst, dann baut sich eine neue Trigger-Konditionierung auf. Nach einer Weile, wirst du dann durch den Duft erregt (Neue Konditionierung: Geruch = Onanieren = Orgasmus = Positives Gefühl). Am besten direkt mit einem Gleitgel konditionieren, weil Lotionen Kondome reißen lassen können. Wie gesagt. Alle Sinne. Hören, Sehen, Tasten, Riechen, Schmecken. Natürlich kann man sich auch Pornos vor seinem geistigen Auge vorstellen solange ihr nicht die Namen der Darsteller beim Sex laut ruft, sollte das kein Problem sein. Licht ausmachen ist auch gut, bei Menschen die sich selbst oder ihren Partner*in unästhetisch finden oder um zu viele ablenkende Reize zu unterbinden (Autismus , hochsensibel e.t.c).
2. Maximal 1mal am Tag Onanieren. Die Sensibilisierung nimmt sonst ab.
3. Ernährung umstellen. Muss nicht perfekt sein, reicht schon den Zucker weg zu lassen und Mängel auszugleichen.
4. Beckenboden. (Potenzmuskulatur) trainieren. Beckenbrücke e.t.c.
5. Penispumpe. Die Penispumpe ist das beste Potenzmittel was den Kostenfaktor und den Effekt angeht. Nie länger als 20 Minuten nutzen sonst wird die Blutzirkulation zu lange unterbrochen. Erhöht die Durchblutung und hilft auch langfristig den Schwellkörper wieder aufzubauen. Bei einigen Penissen, wird die Eichel nicht richtig durchblutet, weil der Schwellkörper bei Erregung die Blutzufuhr nach oben abdrückt. Die Pumpe behebt das. Der Penis wird groß, gut für die Psyche. Der Penis ist durch die Schwellung viel sensibler als ein nicht ganz steifer Penis. Der Penis bleibt viel leichter Steif, wenn er erstmal richtig Streif geworden ist und die Blutabfuhr dann richtig abdrückt.
Generell:
Im Penis sind sehr feine, kleine Muskeln und Venen die sich zusammenziehen können. Auch die Iris im Auge wird durch einen sehr kleinen, feinen Muskel vergrößert und verkleinert. Bei Anspannung oder Kälte ziehen sich diese zusammen. Dadurch kann das Blut nicht in den Penis fließen. Frauen merken das und sagen dann intuitiv: ”Entspann dich mal”. Menschen die z.B wirklich Angst haben (PTBS, Angststörungen e.t.c), bei denen zieht sich der Penis in akuten Panikattacken extrem zusammen. Das ist das typische Problem, dass Menschen ohne diese SSRI Nebenwirkungen haben. Angst.
Aber das hilft im Prinzip alles nur bedingt. Der Orgasmus ist trotzdem nicht befriedigend. Es gibt einfach viele Frauen, die sich durch den Anblick des steifen Penis ihres Partners erregt, geliebt und attraktive fühlen und wenn das nicht funktioniert, dann fühlst du dich wirklich wie ein Schlappschwanz, was enorme psychische Probleme bereitet. Verlustängste (je nachdem wie wichtig der Frau der Sex ist). Vor der Therapie ging es mir schlecht. Aber heute habe ich obwohl ich vieles in den Griff bekommen haben jeden Tag Selbstmordgedanken. Wenn ich ein junges Paar auf der Straße sehe, wenn ich irgendwelche sexualisierten Werbungen oder sexualisierte Witze höre. Ich würde gerne nochmal eine Therapie machen, weil solche Probleme auch durch PTBS und andere Angststörungen ausgelöst oder verstärkt werden können aber ich traue mich seit dieser Behandlung nicht mehr mir Hilfe zu holen. Es gibt Menschen, die haben ihren Penis bei einen Unfall verloren und leben trotzdem in einer Partnerschaft. Es gibt Lesben die tollen Sex haben und keinen Penis haben (Ausnahme Sextoys). Es ist nicht nur diese PSSD, die das Problem macht. Es geht nicht um Sex, es geht darum sich verbunden zu fühlen und Sex/Intimität gehört nun mal auch dazu. Ich habe kaum noch Gefühle. Momentan habe ich seit 3 Wochen wieder diese extremen Einsamkeitsgefühle. Torschlusspanik. 35 Jahre und noch Jungfrau und durch diese PSSD eigentlich keine Hoffnung mehr auf eine Beziehung, Zärtlichkeit, Verbundenheit, Gemeinsamkeit. So ein Leben ist einfach nicht mehr lebenswert. Es ist ein langsamer, qualvoller und einsames Warten auf den Tod.