Das Friermanifest

Die Uni muss sparen und wir müssen frieren. Wie – das definiert ein Regelwerk. Das muss man aber erstmal verstehen. Eine Nachfrage. 

von Carolin Lehmann

Durchalten bis zum Sommersemester. Foto: Pauline Schiller

Sehr geehrter Herr Thoralf Held,

ich bin verwirrt. Wie alle Beschäftigten der Uni habe ich Ihr Rundschreiben zur Umsetzung der Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen der Bundesregierung (Bereich Kernuniversität), kurz EnSikuMaV – ein tolles Kürzel, das muss man Ihnen lassen – erhalten. Eine PDF-Datei voller Auflagen, Aufforderungen und ernsten Mahnungen, wie wir uns angesichts der drohenden Energiekrise zu verhalten haben. Ich habe Fragen. Ich hoffe, Sie haben Antworten. 

Warum trudelt Ihr Schreiben über die Maßnahmen, die ab 1. September gelten und „unmittelbar zu realisieren sind“, am 23. September in mein Postfach?

„Absenkung der Höchstwerte der Raumtemperaturen in Arbeitsräumen, d.h. a) für körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeit auf 19°C […] , c) für mittelschwere und überwiegend sitzende Tätigkeit auf 18°C”.  Wie würden Sie das Lesen eines wissenschaftlichen Artikels oder die Interpretation statistischer Kennzahlen, Standardtätigkeiten im Studium, klassifizieren? Handelt es sich hierbei um mittelschwere Tätigkeiten? Oder eher leichte? Davon hängt schließlich ab, ob ich bei 18 oder 19 Grad frieren muss. 

Ach ja, und wie oft in der Stunde darf ich maximal aufstehen, um den Lokus aufzusuchen, damit mein Grübeln noch als überwiegend sitzende Tätigkeit durchgeht?

„Für den Luftaustausch in den Räumen […] wenden Sie bitte das Stoßlüften an. Um Heizenergie einzusparen, müssen dabei Türen, Fenster und der Heizkörperthermostat (Stellung *) geschlossen werden.“ Wie jetzt – öffnen oder schließen?!

Letztes Jahr gab es extra Wecker, um uns ans regelmäßige Lüften zu erinnern. Was gilt denn nun? Gibt es das Corona-Virus nicht mehr? 

„Die Abschaltung von dezentralen Warmwasserbereitern erfolgt in Toiletten und deren Vorräumen.” Wozu braucht man überhaupt Warmwasserbereiter in Toiletten? In den Vorräumen verstehe ich es ja, aber IN den Toiletten? Haben Sie ein Bidet?

„Ausdrücklich untersagt wird […] der Einsatz privater […] Heizgeräte.“ Zählen meine Wärmflasche und Heizdecke als Heizgeräte? 

Sogar eine „Kontrollpflicht zur Einhaltung der genannten Maßnahmen” wurde den Leitern der jeweiligen Einrichtung aufgebrummt. Mit welchen Konsequenzen? Wer nicht friert, fliegt? Wird hier nicht thematisiert.  

Zum Schluss noch eine generelle Frage: Warum bekommen wir, die Beschäftigten der Uni, einen ganzen Maßnahmenkatalog aufgebrummt, die Studis hingegen werden lediglich gebeten, die Energiesparmaßnahmen zu „unterstützen […], wo Ihnen dies möglich ist, etwa, indem Sie Flurtüren geschlossen halten” ? Habe ich mit meinem Arbeitsvertrag die Verpflichtung zum Frieren unterschrieben? Kommen mit dem Lohn in Zukunft zwangsläufig auch Frostbeulen? Oder nehmen Sie das Sparen einfach ernster als Ihr Kollege Prof. Dr. Rosenthal, der in der eben zitierten Mail zum Semesterstart  sanft um Verständnis und Unterstützung warb? (Richten Sie ihm gern meinen herzlichsten Dank aus für die ungewöhnlich langen Weihnachtsferien – zwei ganze Wochen, wann gab es das zuletzt?) Jedenfalls kommt Prof. Dr. Rosenthals Mail deutlich sanfter daher. Er wünscht sogar einen guten Semesterstart. Nett, oder? Da wird mir gleich ganz warm ums Herz. 

Lese ich dagegen Ihre Anweisungen zur EnSikuMaV, ist mir so gar nichts klar. Außer dem Wodka, den ich mir reinkippe, um meine Körpertemperatur im zweistelligen Bereich zu halten. Damit meine Zunge nicht am Gaumen festfriert. 

Ich könnte mich hier richtig in Rage schreiben. Aber ich muss Energie sparen. Haben Sie gesagt. Also mache ich das, als brave Bürgerin und Beschäftigte der Universität. Ich möchte ja nicht gekündigt werden. Denn dann muss ich wieder zu Hause frieren und das will ja auch keiner. 

Leidlich warme Grüße,

Carolin Lehmann

2 Antworten auf Das Friermanifest

  • Dieser äußerst polemische und peinliche Artikel macht mich ehrlich gesagt einfach nur traurig. Warum regt man sich so gekünstelt öffentlich über solche Kleinigkeiten auf? Eine Glose ist das ja auch nicht, sondern viel mehr Gejammer. Hätte man sich stattdessen nicht einfach mit etwas mehr Tiefe damit auseinandersetzen können, statt sich in Wortklauberei und Polemik zu verlieren?

    • Sehr geehrter Jonathan,

      danke für Ihre konstruktive Kritik. Ich würde mich freuen, eine Auseinandersetzung in der Tiefe mit der Angelegenheit von Ihnen zu lesen. Die Tiefe konnte ich in der Thematik selbst leider nicht finden.

      Herzliche Grüße,
      Carolin Lehmann

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