3,2,1… Jugger!

Am 7. und 8. Mai fanden in Jena die Thüringer Jugger-Meisterschaften statt. Ein Blick aufs Spielfeld.

Von Johanna Heym

Das Unisport-Team in Aktion. Foto: Johanna Heym

Eine bunte Zeltlandschaft breitet sich mitten auf dem Unisportgelände aus. Ein Imbissstand, kaffeepausierende Sanitäterinnen, undurchdringliches Stimmengewirr und übersteuerte Lautsprecher-Geräusche verstärken den Eindruck, ein ganzes Festival habe an diesem Wochenende auf der grünen Rasenfläche seinen Platz gefunden. Verwunderte Volleyballspieler:innen auf der einen, Spikeballfreund:innen auf der anderen Seite der Felder schauen neugierig hinüber. Bei genauerem Hinhören werden schließlich Rufe deutlich, die über den Anlass des wilden Treibens aufklären: „3, 2, 1… Jugger!!!“ schreien Schiris von allen Seiten.

Bei der 14. Thüringer Jugger-Meisterschaft treten Teams aus Berlin, Leipzig, Halle, Bonn und zehn anderen Städten gegeneinander an. Die Zonenkinder aus Jena sind in rot-grünem Outfit auf dem Feld und werden vom Rand aus mit einer flatternden Bananenlogo-Flagge unterstützt. Auch das Zweitteam namens Amazonis, das Unisportteam der Knautschzonenkinder und das Kinderteam, die Zonenzwerge, rennen über die Spielfelder und schwingen ihre Pompfen.

Pompfen überall

Pompfen, langstielige Schaumstoffstäbe, sind überall zu sehen. Jugger ist nicht nur eine Ballsportart, sondern hat sich inbesondere vom Fechten etwas abgeschaut.  Ziel des Spieles ist es dennoch, den Ball („Jug“) ins „Mal“ zu stecken. Dabei darf nur eine Mitspieler:in den Ball tragen und werfen. Alle anderen dürfen die gegnerische Läufer:in mit Schildern, Pompfen und Ketten abwehren und die eigenen Läufer:innen beschützen. Besonders die Schilder und die Ketten wirken sehr mittelalterlich. Zum Glück bestehen sie aus Schaumstoff und distanzieren sich damit von brutalen Kampfszenen. Trainer Andreas Garfield, auch als Garf bekannt, betont, dass die Sicherheit der Spieler:innen immer mitgedacht werde.
Neben den verschiedenen Spieltechniken kommt hinzu, dass alle Spieler:innen jederzeit abgeschlagen werden können. Wie früher auf dem Pausenhof, halten Getroffene plötzlich still, knien sich aufs Gras und zählen mit der Hand hinter dem Rücken fünf Zählzeiten herunter. Die Duelle auf dem Feld gehen sehr schnell vor sich, die Schiris bekommen nicht alles mit. Wer abgeschlagen wurde, muss sich als faire:r Mitspieler:in daher selbst zur Spielpause verdonnern. Bis der Jug im Mal gelandet ist, dauert es oft nur wenige Minuten. Die Spieler:innen müssen immer wieder zur Spielfeldbegrenzung zurück, bevor sie sich nach dem Ruf „Achtung! – 3, 2, 1…Jugger!“ wieder ins Spielgeschehen stürzen.

Jugger hat sich aus der Larp-Szene („Live action role play“) entwickelt, wurde jedoch schnell zu einem eigenständigen Sport. „Den Leuten ist die Geschichte von Jugger heute eigentlich egal. Sie wollen einfach den Sport spielen, weil er Spaß macht“, so Garf.

Lange Haare, verschiedenfarbige Stulpen an den Beinen der Spieler:innen und Totenschädel auf Trikots fallen ins Auge.

Mit aufwendigen Kostümen und Fantasy-Charakteren hat der Sport heute nichts mehr zu tun. Dennoch zeigen sich einige extravagante Looks auf dem Spielgelände. Lange Haare auf Männer- und Frauenköpfen, verschiedenfarbige Stulpen an den zwei-mal-x Beinen der Spieler:innen und Totenschädel auf Trikots fallen ins Auge. Das Team der Grünanlagen Guerillas hat sich Regenbogen-Flaggen auf die Stirn gemalt, ein anderes Team mit dem Namen pink pain ist komplett in pink gekleidet. Farbiges Tape, viel Klebeband und Sticker auf den selbstgebauten, ursprünglich aus Rohrisolations- und Poolnudeln hergestellten Pompfen runden das Bild einer kreativen Community ab.

Offenheit, Toleranz und Fairness

Der Sport soll für eine Kultur der Offenheit, Toleranz und Fairness stehen. Andere Ballsportarten seien da noch nicht so weit, es würde teilweise zu Ausgrenzung und Mobbing kommen, meint Garf. Ihm ist als Ansprechpartner für Probleme im Miteinander aber bewusst, dass auch Jugger nicht perfekt ist. „Jugger soll sich seinem eigenen Wertekanon auch in Zukunft treu bleiben.“ Um neben dem klassisch kompetitiven Spiel auch die Spielharmonie zu bewerten, wird ein Team zum „Spirit-Winner“ gewählt.  
An diesen zwei Tagen wurden die Plätze von früh bis spät ausgehandelt. Die Jenaer Zonenkinder konnten sich ganz oben aufs Siegertreppchen stellen, die Flying Juggmen aus Bonn taten sich als Spirit-Winner hervor.

Lieber weiterhin gegen ballnahe Schienbeine zu treten („Fußball“), sich beim Sprung in einem Netz zu verheddern („Volleyball“) oder ausgepfiffen zu werden, wenn der Ball zu lange in der Hand gehalten wird („Basketball“) ist legitim, kann aber nicht mit dem Ideenreichtum von Jugger mithalten. 

Eine Antwort auf 3,2,1… Jugger!

  • Gute Beiträge zum Thema Jugger helfen dem Sport extrem und sind auch einfach schön zu lesen, Danke dass ihr euch die Mühe gemacht habt!

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