Nebel im Kopf

So viel man mittlerweile über das Virus selbst weiß, so wenig ist über die Folgeerkrankung Long Covid bekannt. Zwei Betroffene berichten.

von Carolin Lehmann

Alles irgendwie verschwommen. Foto: Lukas Hillmann

Während Münder wieder bloß- und Menschen im Park aufeinander herumliegen und die Pandemie überstanden scheint, haben einige Menschen immer noch mit den Nachwirkungen ihrer Infektion zu kämpfen. Fanny (30) infizierte sich im Zuge der zweiten Welle mit dem Virus, als noch kaum eine:r etwas von dem Begriff Long Covid gehört hatte und es entsprechend wenig gesicherte Erkenntnisse dazu gab. Nach der akuten moderat verlaufenen Krankheitsphase wähnte sie sich schon genesen, als sie auf einer Zugfahrt unter ihrem schweren Reiserucksack zusammenbrach. Sie hatte sich überlastet und fühlte sich infolgedessen wieder „komplett krank“. Schwindel, Atemnot und Erschöpfung waren zurück – und das drei Wochen nach ihrer Infektion. Ihr Arzt riet ihr, sich auszuruhen. Nachwirkungen seien nach einer Viruserkrankung nichts Ungewöhnliches.

Als es ihr nach mittlerweile zwei Monaten nicht besser ging, war auch der Arzt ratlos. Auf Long Covid kam sie schließlich durch Google-Recherchen selbst.

Anders war es bei Leonie, 25, bei der nach ihrer Infektion im Februar 2022 eine bleierne Müdigkeit blieb. Sie leidet auch heute noch unter Kopfschmerzen, Brain Fog (Nebel im Kopf) braucht viel Schlaf und Ruhe, hat ihr Studienpensum reduziert. Das Lesen ihrer Seminarlektüre dauert bei ihr nun deutlich länger. Dozierende informiere sie aber nur, wenn es unbedingt nötig sei; sie wolle nicht auffallen. Ihre Ansprüche an sich selbst musste Leonie runterschrauben.

Eine Krise – körperlich und mental

Eine Erfahrung, die auch Fanny gemacht hat: Lernen, wie man mit einem kranken Körper umgeht. Als sie versuchte, wieder etwas zu arbeiten, lag sie danach wieder zwei Tage flach. „Für mich war klar: Ich kann mich nicht mehr selbst versorgen“, schildert sie ihre Situation damals. So zog sie aus ihrem Studien- zurück in ihren Heimatort, um wenigstens Unterstützung von Familie und Freunden zu haben.

Zu ihren körperlichen kamen finanzielle Probleme hinzu. Die Situation sei psychisch sehr belastend gewesen, erzählt sie. Ihre Mutter wurde schließlich durch das Fernsehen auf eine auf Long Covid spezialisierte Ärztin aufmerksam; zum ersten Mal hatte Fanny das Gefühl, jemand könnte ihr helfen.

Sie begann ein Rehaprogramm mit regelmäßiger Atemphysiotherapie. Richtig aufwärts ging es aber erst, als ihre Ärztin ihr eine Cortisontherapie verordnete: „Die hat mich richtig rausgerissen aus meiner Krankheit.“ Seitdem ging es ihr von Monat zu Monat besser.

Die Vorsicht ist immer dabei

Solch einen Umbruch gab es bei Leonie noch nicht. Sie mache sich keine Illusionen, durch Arztbesuche noch „geheilt“ zu werden. Geheimtipps gebe es nicht. Dennoch hat sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben, wieder komplett gesund zu werden. Für das Wintersemester plant sie einen Auslandsaufenthalt.

Sie hat für sich einen Weg gefunden, mit Long Covid zu leben, vermeidet Überlastungen wie lange Zugfahrten, ruht sich viel aus. Denn vermeintliche Schritte nach vorn sind trügerisch: „Ein guter Tag zerstört meine Wahrnehmung. Dann denke ich: Ach, es wird bestimmt alles gut.“

Zu viel Raum soll die Krankheit in ihrem Leben aber auch nicht bekommen: Sie ist froh, wenn sie mit Freund:innen über „normale Dinge“ reden kann. Bei jedem Treffen kommt die Frage: Geht es dir besser? Auch immer mit dabei bei Leonie: Ein Quäntchen Vorsicht.

Karten für ein Konzert im Juni hat sie bereits zurückgegeben, das Ansteckungsrisiko ohne jegliche Schutzmaßnahmen ist für sie einfach zu hoch. Sie weiß nicht, wie eine erneute Infektion für sie verliefe. Vor diesem Hintergrund ist eine gewisse Verärgerung bei ihr spürbar, dass alle Schutzmaßnahmen beendet und das Virus inzwischen als harmlos dargestellt wird. Zuweilen verliert man bei all den Lockerungen aus dem Blick, dass es das nicht für jede:n ist.

„Das war so eine Ohnmachtserfahrung“, sagt Fanny. Sie kann nicht in ihr altes Leben zurück, mit dem Fahrrad durch die Stadt fahren oder sich drei Stunden lang mit Freund:innen vergnügen. „Ich bin nicht die gleiche Person wie vorher.“

Schreibe einen Kommentar

*