“Wir müssen den Stura verändern”

Der Stura beklagt sich über fehlendes Ehrenamt, er hat kein gutes Ansehen und mit der Arbeit geht es auch nicht so recht voran. Wir fragen die Mitglieder, woran das liegen könnte und beginnen mit Samuel Ritzkowski.

Das Gespräch führte Lukas Hillmann

Samuel, du kritisierst oft die Berichterstattung des Akrützel, bezeichnest es als Spaßmedium und sagst, der Studierendenrat (Stura) arbeite besser, als es wirke. Nun sollst du zu Wort kommen: Was läuft gut im Stura?
Die Aussage mit dem Spaßmedium klingt härter, als sie gemeint war. Ich wollte sagen, dass wir uns alle, auch der Stura, nicht zu ernst nehmen sollten. Der Stura ist also bei dieser Betrachtung auch eher ein Spaßgremium. Die Frage, was gut läuft, ist nicht einfach zu beantworten. Was ich hervorheben möchte, ist die Umstrukturierung in der Studierendenschaft. Wir haben jetzt eine Sekretariats- und Buchhaltungsstelle, die konstant arbeitende und vor allem unabhängige Menschen einführen. Da eine Umsatzsteuerprüfung massive Fehler festgestellt hat, waren diese Umstrukturierungen notwendig. Weiterhin gibt es einzelne Projekte, die für die Studierenden wichtig sind und die es ohne Stura so nicht geben würde. Es gibt ein Semesterticket, über das stetig verhandelt wird. Das ist wichtig und stellt keiner infrage. Auch das Kulturticket ist in meinen Augen eine sehr gute Sache. Kostenlose Menstruationsprodukte auf den Toiletten gibt es auf Initiative des Stura.

„Ich wünsche mir mehr Miteinander im Stura.“ Foto: Henriette Lahrmann

Wissen die Studierenden, dass der Stura für all diese Projekte verantwortlich ist?
ber. Es steht zwar immerhin auf den Websites, doch denke ich, dass viele das gar nicht lesen. Ich finde es zwar nicht wichtig, dass sich der Stura damit schmückt, aber es hätte große Vorteile, wenn die Studierenden wüssten, welche positiven Projekte verwirklicht werden. Es macht den Stura attraktiver und lässt das Interesse an ihm wachsen.

Was läuft dagegen schlecht im Stura?
Diese Liste ist etwas leichter zu füllen. Häufig hapert es an der Kommunikation im Stura und am Miteinander. Zu jeder politischen Arbeit gehört, dass man sich auf inhaltlicher Ebene streitet und man kann sich meiner Meinung nach auch mal anschreien, solange man es am Ende wieder klärt. Persönliche Angriffe und anonyme Beleidigungen kommen aber auch vor – die gehen natürlich gar nicht. Auch die vielen Regeln können verwirren. Dass sie abschrecken, sieht man an der geringen Bereitschaft, beim Stura mitzumachen. Große Projekte umzusetzen ist im Stura ebenfalls sehr schwer. Es gab zum Beispiel mehrfach die Idee, Wasserspender an der Uni zu installieren. Für so ein Projekt muss man drei bis vier Jahre einplanen, man muss konstant dran bleiben und vor allem geduldig sein. Uni-Mühlen mahlen langsam.

Oft kommt es gar nicht zur Diskussion über solche Projekte, weil über Anträge an die Geschäftsordnung abgestimmt werden muss.
Der Stura beschäftigt sich natürlich sehr mit sich selbst, es muss viel verwaltet und organisiert werden. Teilweise sind diese Diskussionen langwierig und kompliziert. Nicht jede Grundsatzdiskussion muss im Gremium geführt werden. Es könnte sich eine AG gründen und einen Vorschlag erarbeiten. Nur die finalen Details werden dann in der Sitzung diskutiert.

Man hat das Gefühl, dass die Satzung und deren Auslegung durch einige Mitglieder die Arbeit im Stura blockieren. Schafft sich der Stura selbst ab?
Momentan könnte das leider wirklich passieren. Es gibt immer wieder einzelne Menschen, die meinen, die Regeln zu ihren Gunsten auslegen zu müssen. Deshalb muss alles ganz genau geregelt sein. Wenn man ein gutes Miteinander hätte, könnten die Regeln viel lockerer ausgelegt werden.

Das System Stura baut momentan viel zu sehr darauf auf, Macht für einzelne Leute zu kreieren.

Blockiert die schlechte Zusammenarbeit der Mitglieder also die Arbeitsfähigkeit?
Wir haben fünf Aufgaben in der Studierendenschaft, die jeweils extrem viel Wissen, Erfahrung und auch Zeit benötigen. Das sind die drei Vorstandsämter, die Kassen- und die Haushaltsverantwortung. Man muss sich mit Buchführung auskennen, mit dem Landesrecht vertraut sein und am besten ein Experte im Verwaltungsrecht sein. Zudem muss man alte Beschlüsse kennen und die Zusammenhänge verstehen. Das können fünf Studierende allein nicht leisten. Wenn wir besser kooperieren würden, bräuchte man nur wissen, wen man fragen muss.

Oft unterstützen sich die Stura-Mitglieder nicht nur kaum, es wird bei Fehlern auch häufig mit persönlichen Konsequenzen gedroht. Aus dem Gremium wird ein enormer Druck auf Einzelne ausgeübt. Das klingt nicht wirklich nach einem Spaßgremium.
Gerade die wichtigen Aufgaben sind sehr undankbar, weil man am Ende nur angemeckert wird. Auch ich war früher sehr oft unzufrieden mit der Arbeit des Stura. Doch ich habe mich mehr damit beschäftigt und festgestellt, dass es Menschen gibt, die viel Arbeit in den Stura stecken, um Projekte zu realisieren. Das System baut momentan viel zu sehr darauf auf, Macht in Form von Wissen über Abläufe im Stura für einzelne Leute zu kreieren. Es ist zu viel Wissen bei Einzelnen gesammelt, das nicht weitergegeben wird. Das Wissen, wie das Gremium arbeitet, und die Tricks müssen weitergegeben werden, damit er wieder funktioniert.

Kann man die Machtkonzentration einiger langjähriger Mitglieder nicht auch durch eine Amtszeitbegrenzung einschränken?
Der große Vorteil einer Amtszeitbegrenzung ist, dass man dazu gezwungen ist, Nachfolger zu suchen. Das wäre dann die einzige Möglichkeit, sein Wissen weiterzugeben. Es wird gerade an einer solchen Amtszeitbegrenzung gearbeitet, aber die hat rechtliche Hürden, die noch abgecheckt werden müssen…

…und sicher auch Hürden im Gremium, da einige Mitglieder bei einer Begrenzung um ihren Platz bangen müssen.
Ja, das stimmt, aber man muss ja nicht alle davon überzeugen. Am Ende gibt es außerdem immer noch die Möglichkeit, den Stura mit einer Urabstimmung zu überstimmen. Und nur, weil man nicht mehr als Mitglied gewählt ist, heißt es nicht, dass man sich nicht mehr engagieren kann. Wir haben diverse unbesetzte Referate, die auf Mitarbeit warten.

Keiner außerhalb des Dunstkreises der Stura-Mitglieder setzt sich freiwillig in eine Sitzung. Warum interessiert sich niemand für den Stura?
Eine Stura-Sitzung ist lang, sie geht auch mal bis 1 Uhr nachts. Da muss man schon viel Zeit investieren. Ich wünsche mir dennoch, dass sich mehr Menschen beteiligen. Man müsste aus Stura-Sitzungen ein Event machen. Nach der Arbeit auf dem Campus sitzen und bei einem Bier oder Wasser weiter zu diskutieren könnte helfen. Und wie schon gesagt, die Diskussionen dürfen nicht mehr so langwierig sein. Vorarbeiten müssen ausgelagert werden.

Ein fünfjähriges Studium in Jena ist möglich, ohne überhaupt vom Stura gehört zu haben. Haben Studierende keine Lust auf diese Art von Politik?
Es hängt mit der Art der Politik zusammen, die im Stura gemacht wird. Die politischen Listen, die meist eine Parteinähe andeuten, ergeben eine problematische Situation. Es ist egal, ob wir uns für die Politik der CDU oder der Grünen interessieren, am Ende folgen wir hochschulpolitischen Interessen. Man sollte nicht versuchen, in den Stura zu gehen, um die Wohnsituation in Jena zu ändern, dafür gibt es andere Gremien. Weniger politische Listen würden weniger Druck bedeuten, allgemeinpolitische Forderungen zu beschließen. Zuletzt gab es einen Antrag auf die Beendigung der Zusammenarbeit mit Fridays for Future. Das hat nichts mehr mit Hochschulpolitik zu tun. Listen sorgen zwar dafür, dass das Gremium besetzt bleibt, ich würde mir aber wünschen, dass sie weniger politisch wären.

Nicht jede Grundsatzdiskussion muss im Gremium geführt werden.

Nun haben die Studierenden aber politische Listen gewählt und sich vor allem für den konservativen Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) entschieden. Wo sind die Linken?
Der RCDS ist sehr gut darin, Leute zu rekrutieren und sich systematisch aufzustellen. Sie sind in diesem Punkt einfach besser organisiert als viele andere. Insgesamt hat das ganze Engagement massiv unter Corona gelitten. Im links-grünen Spektrum lebt viel davon, dass man sich trifft und gemeinsam Aktionen plant. Das war die letzten Jahre überhaupt nicht möglich und das hat die Strukturen zerstört. Die Konservativen haben es da leichter, weil klare Strukturen und Regelungen dahinter stecken.

Kommen die Linken wieder?
Ich hoffe es, dafür müssen sich neue motivierte Menschen finden. Letztendlich ist es nicht so wichtig, welche politischen Listen im Stura vertreten sind. Man kann politische Einstellungen gut von der Arbeit im Stura trennen. Ich arbeite gerne mit Leuten vom RCDS zusammen, gern auch mit den Grünen, Linken, Ellis und wie sie alle heißen mögen, wenn der inhaltliche Punkt eine gute Sache ist und die Arbeit was für die Studierenden bringt.

Wie wird sich der Stura entwickeln?
Der Stura muss sich überlegen: Möchte er ein Planungs- oder ein Verwaltungsgremium sein? Ursprünglich wurde er als Planungsgremium entworfen und beschäftigt sich gerade hauptsächlich mit der Verwaltung. Dafür ist er einfach zu groß. Es müssen also entweder mehr Projekte umgesetzt werden oder wir müssen den Stura ändern, vielleicht verkleinern. Dann bleibt die Frage, wie die Studierendenschaft gerecht repräsentiert wird.

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