“Wer in Krisen denkt, hat schon verloren.”

Jeder kennt sie aus dem Stadtbild, doch keiner weiß so richtig, wer sie sind. In dieser Serie widmen wir uns den kleinen und großen Persönlichkeiten, ohne die Jena nicht Jena wäre. Wir starten mit Michael Gruner.

von Sinan Kücükvardar

Gruner beim Redaktionsbesuch. Foto; Lukas Hillmann

Er ist eine bekannte Gestalt auf dem Campus der FSU: Micheal Gruner. Es ist das Jahr 1976, in dem der Jenenser das Licht der Lichtstadt erblickt. Geboren mit einem Sauerstoffmangel wird ihm von Beginn an keine hohe Lebensqualität zugerechnet. Mithilfe seiner Mutter und seines eigenen Willens lernt er jedoch, Kontrolle über seine Motorik zu erhalten, sein Stottern zu überwinden und seine vorausgesagte Lebenserwartung zu übersteigen. Früh nutzt er Musik als Therapie und entwickelt ein musikalisches Interesse: In Kindesalter spielt er Querflöte und singt im Knabenchor. Noch heute leitet er eine a-cappella-Gruppe, die bei besserer Coronalage wieder Konzerte geben möchte.

Die Konstante auf dem Campus

Bestimmte Hobbys das Leben hindurch aufrechtzuerhalten, scheint eine Eigenschaft von ihm zu sein. So hegt er auch seit jeher eine besondere Begeisterung für das Wetter und seine Phänomene; mit einem Schmunzeln beschreibt er, wie er das Haus verließ, wenn alle anderen nach innen stürmten. Aber woher stammt sein Bezug zur Uni? Wie kommt es, dass jede sein Gesicht, aber niemand seine Geschichte kennt? Zum einen arbeitete er in vergangen Tagen im Personalwesen des Uniklinikums – als Laufbursche, wie er selbst sagt. Zum anderen schätzt er intellektuelle Gespräche, die er nach der obligatorischen Frage nach einer Zigarette und Feuer einleitet. Er ist eine der wenigen Konstanten, auf die man sich als Studierender in diesen Tagen noch verlassen kann. Er war schon vor uns hier und wird es nach uns noch sein.

So sicher wie seine Erscheinung, so sicher ist auch sein Wille, sich politisch einzumischen: Gruner blickt auf eine ungewöhnliche, aber spannende und erfahrungsreiche politische Vergangenheit zurück. Konservativ zu Anfang und mit Parteibuch der FDP, später sozialliberal: Durch Zeit, Lebenserfahrung und die Ablehnung des festen neoliberalen Kurses seiner damaligen Partei wandelt sich die eigene Position. Er bricht mit der FDP, bewegt sich gen Mitte des politischen Spektrums und bewirbt sich als unabhängiger Minister beim Kabinett Ramelow I.

Brückenbauen in der Gesellschaft

Die Ablehnung sportlich nehmend konzentriert er sich weiter auf seine Passion, Brücken in der Gesellschaft zu bauen. Seine theoretische Ausgangslage ist: „Kommunikation ist durch nichts zu ersetzen.“ Als formal schwerbehinderter Mensch setzt er sich außerdem für Inklusion und Sensibilisierung ein. Dabei fordert er nicht nur, sondern möchte selbst mit anpacken: Zur Thüringer Landtagswahl 2014 tritt er als Listenkandidat der Piraten an und 2017 stellt er sich sogar als parteiunabhängiger Direktkandidat für den Wahlkreis Jena, Weimarer Land I und Sömmerda zur Bundestagswahl auf. Nur muss er sich jeweils dem Wunsch des Volkes nach Repräsentation durch Kandidierende etablierter Parteien beugen. In Zukunft wird man von Gruner weiter politisches Engagement erwarten können. 

Neben Geschichten, in denen er seine persönliche Erfahrung und die eigene Wahrnehmung schildert, erzählt er von Treffen mit anderen Persönlichkeiten, die einem nicht jeden Tag über den Weg laufen. So soll er beim Rheingau Musik Festival als Künstler den schwarzen Humor des Staatsoberhaupts der Russischen Föderation, Wladimir Putin, kennengelernt haben. Mit diesem habe es eine freundschaftliche Unterhaltung gegeben, nachdem er beim gemeinsamen viel-Sternemenü vor dem Adel verblüfft auf die doch recht kleinen Portionen hingewiesen hätte. Anekdoten hat Gruner zuhauf und ist sicher bereit, im persönlichen Gespräch weitere zu erzählen, wenn man ihn anspricht und auf eine Kippe einlädt. 

Der authentische Charakter und die Offenheit von Michael Gruner sind Markenzeichen seiner Person. Seine Direktheit macht ihn zur Berühmtheit und die konsequente Durchsetzung von Ideen, die sich in seinem Kopf festsetzen, machen ihn zu einem Bündel von Entschlossenheit. Er besitzt eine starke Meinung, ein selbstbewusstes Auftreten und eine eigene Fangemeinde. Er ist eine wahre Jenaer Legende. Möge er weiterhin noch lange das Bild der Universität ergänzen.

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