Arbeitskampf an Hochschulen

Sie engagieren sich für eine tarifgerechtliche Bezahlung von Studierenden, doch niemand weiß Bescheid. Ein Gespräch mit dem Initiator von TVStud Thüringen, Jonas Laeseke.

Das Gespräch führte Sinan Kücükvardar

Wer seid ihr?
TVStud ist die Abkürzung für „Tarifvertrag studentische Assistent:innen“, eine Initiative, die sich aus Studierenden, studentischen Assistent:innen, Mitarbeiter:innen der Gewerkschaften und Vertreter:innen der Personalvertretung an den Hochschulen zusammensetzt. Hier in Thüringen gibt es uns seit Mai 2021, die Bemühungen um eine Tarifierung der Arbeitsverhältnisse von studentischen Assistent:innen sind aber schon deutlich älter. Seit den frühen 2000ern gibt es immer wieder Versuche, so einen Tarifvertrag zu erkämpfen. Der derzeitige Anlauf hat Anfang 2021 begonnen – mit der Gründung einer bundesweiten Bewegung und Ablegern in allen Bundesländern, die sich untereinander koordinieren, absprechen und Lokalstrukturen aufbauen.

Welche Relevanz habt ihr für Studierende?
Wir vertreten die Interessen der studentischen Assistent:innen gegenüber den Arbeitgebern, also dem Staat, und nehmen so Einfluss auf die Politik. Die studentischen Assistent:innen sind eine stetig wachsende Beschäftigungsgruppe: Von 2016 bis 2019 gab es allein an der FSU einen Zuwachs von rund 60 Prozent. Potenziell können alle Studierenden im Laufe ihres Studiums eine solche Assistent:innenstelle antreten, es besteht aber eine gewisse Chancenungleichheit, da aufgrund der schlechten Bezahlung die Finanzierung eines Studiums über diese Stellen eher unrealistisch ist. Es können sich vor allem diejenigen, die aus verschiedenen Gründen sowieso schon ökonomisch privilegiert sind, eine solche Stelle leisten. Auf einer eher abstrakten Ebene geht es aber auch darum, Gestaltungsräume zurückzuerobern, über die das Bewusstsein zunehmend verloren gegangen ist. Deshalb finde ich es wichtig, den Menschen wieder klarzumachen, dass sie Forderungen formulieren und diese dann mit einem konkreten Plan umsetzen können. Im Grunde geht es also darum, Gestaltungskompetenzen, die institutionell vorhanden sind, tatsächlich wieder zu nutzen und so reale Verbesserungen in der Gesellschaft zu erreichen.

Vor dem Schrott für bessere Bezahlung. Foto: privat

Welche Forderungen stellt ihr?
Unsere konkreten Forderungen orientieren sich grob an dem TVStud III, den es seit 2017 in Berlin gibt. Dort sind studentische Assistent:innen auf mindestens zwei Jahre befristet, verdienen rund vier Euro mehr als in Thüringen und haben eine eigene Personalvertretung. Außerdem gibt es dort eine dynamisierte Lohnerhöhung. Das heißt, die Löhne steigen regelmäßig in Anlehnung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Darüber hinaus ist dort die Einhaltung von Mindeststandards wie Urlaubsanspruch oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall besser geregelt.

Wie sieht das konkret aus?
Was wir konkret fordern, ist Folgendes: Zum einen bessere Löhne. An der FSU bekommen studentische Assistent:innen ohne Abschluss den Mindestlohn, mit Bachelor magere 10,30 Euro. Außerdem fordern wir längere Vertragslaufzeiten. Die Mehrheit der studentischen Assistent:innen in Thüringen und auch in ganz Deutschland werden für ein bis drei Monate beschäftigt. Das spiegelt das generelle Problem an den Hochschulen wider, dass kaum Planungssicherheit besteht, und dass sich die Angestellten im Grunde nach jedem kurzen Arbeitsverhältnis fragen müssen, ob sie in ein, drei oder sechs Monaten überhaupt noch einen Job haben. Wir fordern auch eine bessere Personalvertretung für studentische Assistent:innen. In Thüringen haben wir dafür den Assistent:innenrat, der aber mit relativ wenig Kompetenzen ausgestattet ist und in dieser Wahlperiode leider gar nicht besetzt ist. Ein solcher Rat könnte auch die Einhaltung von Mindeststandards gewährleisten, die oft unter den Tisch fallen. Zum Beispiel, dass studentische Assisten:innen oft keinen Urlaub nehmen, mangelhaft über ihre Urlaubsansprüche aufgeklärt werden, Arbeit, die aufgrund von Krankheit liegen bleibt, nachholen sollen oder grundsätzlich unbezahlte Überstunden machen. Gute Personalvertretung gewährleistet außerdem eine bessere demokratische Beteiligung an hochschulpolitischen Prozessen.

Was tut ihr, um das zu erreichen?
Nach unserer Gründung im Mai 2021 haben wir uns mit anderen politischen Gruppen vor Ort vernetzt. Zum Beispiel mit den Gewerkschaftsjugenden von GEW und Verdi und den Parteijugenden der Landesregierung: der Grünen Jugend, den Jusos und solid. Außerdem arbeiten wir daran, studentische Assistent:innen besser zu vernetzen, damit diese sich effektiv für ihre Interessen einsetzen können. Mithilfe der Parteijugenden und der Gewerkschaftsjugenden haben wir einen offenen Brief an die Thüringer Finanzministerin Heike Taubert (SPD) verfasst. Wir haben sie im Zuge der Tarifverhandlungen Ende letzten Jahres mehrmals zu Gesprächen aufgefordert, das Finanzministerium hat unsere Anfrage aber mit Verweis auf fadenscheinige Gründe abgelehnt. Deshalb haben wir dann die Initiative ergriffen und unsere Argumente in einem offenen Brief dargelegt. Beim Streik Ende letzten Jahres im November waren wir ebenfalls vertreten (siehe Foto).

Was habt ihr schon erreicht?
Unser wichtigster Erfolg ist sicherlich die Gesprächszusage zwischen Verdi und der TdL. Bei den Gesprächen soll es um eine Bestandsaufnahme der bundesweiten Beschäftigungsverhältnisse von studentischen Assistent:innen gehen.

Was ist die TdL?
Die TdL ist die Tarifgemeinschaft der Länder und ein Arbeitgeberverband. Sie vertritt die Interessen der Arbeitgeberseite, also in unserem Fall die des Staates, und regelt die Beschäftigungsverhältnisse für den öffentlichen Dienst. Die TdL blockiert das Zustandekommen von Tarifverträgen für studentische Assistent*innen, indem sie den Bundesländern verbietet, solche Verträge auf Landesebene zu verhandeln. Wobei man dabei trotzdem nicht davon ausgehen kann, dass die Länder einen solchen Tarifvertrag wollen. Eine frühere TVStud-Initiative in Thüringen hat erkämpft, dass in den Koalitionsvertrag des Kabinetts Ramelow I aufgenommen wird, dass sich die damalige Landesregierung in der TdL für einen TVStud einsetzt. Heike Taubert hat daraufhin den Antrag für eine Verhandlung eines TVStud auf Landesebene in die TdL eingebracht und dann konsequenterweise gegen ihren eigenen Antrag gestimmt, der damit einstimmig abgelehnt wurde. Der größte Erfolg der bundesweiten Bewegung ist deshalb, dass wir es geschafft haben, mit der Gesprächszusage zwischen den Gewerkschaften und der TdL der Blockadehaltung erste Risse zu verpassen. Ein Erfolg, den sämtliche Bewegungen der letzten ungefähr 20 Jahre nicht erreicht haben und auf dem wir jetzt wunderbar aufbauen können.

Das ist ein Erfolg auf Bundesebene. Arbeiten die TVStud-Initiativen der Länder zusammen?
Ja, ich denke auch, dass da der große Erfolg dieser Bewegung herkommt. Wir stehen in engem Kontakt zu den Initiativen in anderen Bundesländern und besprechen uns regelmäßig zu unserem Vorgehen und unseren Strategien, damit wir als geschlossene Bewegung in ganz Deutschland koordiniert und gezielt vorgehen können. Konkret heißt das, dass wir in Konkurrenz zur TdL eine eigene Bestandsaufnahme machen werden, bei der wir in Zusammenarbeit mit dem IAW (Institut für Arbeit und Wirtschaft) in Bremen einen Fragebogen entworfen haben, der studentische Assistent:innen zu ihren Beschäftigungsverhältnissen befragt. Diese Befragung wurde auf Bundesebene entworfen und wird dann lokal von den Initiativen vor Ort an die Assistent:innen weiter gereicht. Diese bundesweite Zusammenarbeit motiviert enorm, da immer wieder sichtbar wird, wie viele Menschen sich für diesen Zweck einsetzen und welche Erfolge wir deshalb feiern können.

Was habt ihr für die Zukunft geplant?
Zunächst wollen wir natürlich als Initiative weiterwachsen und vor allem mehr studentische Assisten:tinnen dafür gewinnen, sich für ihre Interessen einzusetzen. Um unser Ziel zu erreichen, müssen wir zudem mehr Druck auf unsere politische Gegner:innen ausüben – hier in Thüringen ist das die Finanzministerin Heike Taubert, die trotz der Inhalte des vergangenen und aktuellen Koalitionsvertrags sowie des Parteiprogramms der SPD keinerlei Bemühungen zeigt, mit uns in Gespräche zu treten, um einen Tarifvertrag auszuarbeiten. Wir werden außerdem die Gespräche mit der TdL aktiv mitgestalten, begleiten und mit Demos, Kundgebungen und anderen öffentlichkeitswirksamen Aktionen vor Ort sein und sämtliche Informationen, die wir aus den Gesprächen bekommen, direkt an die Beschäftigten weiterleiten, damit diese sich besser organisieren und für ihre Interessen einstehen können.

Wo findet man euch?
Alle zwei Wochen mittwochs um 19:00 Uhr finden unsere Plena statt, bei denen alle Interessierten via Zoom teilnehmen können. Die Treffen werden auf unserem Instagram-Kanal @tvstud_thueringen angekündigt. Wir freuen uns immer über neue Aktive, mit denen wir gemeinsam beweisen können, dass die Demokratie noch lebt und wir, mindestens im kleinen Rahmen, direkt Einfluss auf unsere Arbeits- und Lebensverhältnisse nehmen können.

Schreibe einen Kommentar

*