Weltschmerz statt Home-Office

Solange die Pandemiesituation unvorhersehbar bleibt, weiß man nicht, welche Einschränkungen einen im Auslandssemester erwarten. Eine Bewerbung kann sich allerdings dennoch lohnen.

Von Nora Haselmayer

Wenn Tobias nach an einem Tag an der Universidad de Granada in Spanien mit Freunden in der Tapasbar sitzt, fühlt es sich so an, als wäre die Pandemie schon überstanden. Neben seinem Physikstudium belegt er verschiedene Tanzkurse, geht wandern und erkundet das Nachtleben der andalusischen Hauptstadt. „Jetzt gerade spielt Corona in meinem Alltag eigentlich überhaupt keine Rolle. Also außer, dass ich in Hörsälen nach wie vor eine Maske tragen muss“, stellt der 23-Jährige fest.

Die Entscheidung, sich während seines Bachelorstudiums für ein Auslandssemester zu bewerben, hat er schon vor Corona getroffen. Mögliche Einschränkungen durch die Pandemie hätten ihm keine gro-ßen Sorgen bereitet, da er davon überzeugt sei, dass der Auslandsaufenthalt trotzdem eine wertvolle Erfahrung gewesen wäre.

Die Zweifel nehmen ab

Nicht allen Studierenden fiel die Entscheidung so leicht wie Tobias. Karsten Schmidtke-Bode, der Erasmuskoordinator des Instituts der Anglistik/Amerikanistik, bemerkte, dass die Corona-Pandemie bei einigen zur Verunsicherung führte: „Wenn man dort in der Universität nicht im Seminarraum sitzen kann und sprachliche Erfahrungen nur über Zoom oder Aufzeichnungen macht, fehlt schlicht die Sprachkomponente. Kommt dann noch ein Lockdown obendrauf, dann macht es das natürlich nicht besser.“ Aus diesen Gründen hätten Studierende vermehrt ihre Bewerbung kurzfristig wieder zurückgezogen.

Moderna Reiseplanung. Foto: Lukas Hillmann

Im Vergleich zum Vorjahr hätten die Zweifel an Auslandsaufenthalten unter den Studierenden allerdings 2021 deutlich abgenommen, sagt Jana Blumenstein, Teamleiterin der Auslandsstudienberatung. Etwa 100 Studierende mehr als vor Pandemiezeiten hatten sich dieses Jahr für einen Auslandsaufenthalt beworben. Darunter vermutlich viele, die im letzten Jahr noch gezögert hatten.

Charlotte gehört zu denjenigen, die sich getraut haben. Die 22-Jährige hatte sich im Herbst 2020 für ein Auslandsjahr in den USA beworben und studiert nun seit August in Iowa Wirtschaft und Sprachen. Um ihren Wunsch, ein Jahr in den Vereinigten Staaten zu studieren, umsetzen zu können, musste sie beim amerikanischen Konsulat in Berlin eine Sondergenehmigung für die Ausreise beantragen, denn die Grenzen waren zu diesem Zeitpunkt für Deutsche geschlossen.

Normalität ist Glückssache

Inzwischen spiele die Pandemie in ihrem Alltag so gut wie keine Rolle mehr. Auf dem Campus sei das Tragen von medizinischen Masken freiwillig und meist würden nur internationale Studierende damit zu den Seminaren kommen. Einerseits genießt Charlotte die Normalität, die ihr hier geboten wird, andererseits stellt sie den lockeren Umgang mit dem Virus auch in Frage: „Ich finde schon, dass man mehr auf Masken drängen könnte, weil man nicht weiß, wer geimpft ist und wer nicht.“ Insgesamt sei sie jedoch sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung, ihr Auslandsjahr in den USA zu verbringen.

Dass sowohl für Charlotte als auch für Tobias die Bedingungen für einen Auslandsaufenthalt trotz der Corona-Pandemie günstig ausgefallen sind, ist ihnen bewusst. „Es ist Zufall, dass ausgerechnet Spanien ein Land ist, das sehr viel besser dasteht als die meisten anderen europäischen Länder.“ Bei einer Bewerbung zu Pandemiezeiten spiele nicht zuletzt Glück eine Rolle dabei, wie sich das Studium im Ausland gestalten wird, merkt auch Blumenstein an. Sie und ihre Kolleg:innen könnten den Studierenden keine komplette Sicherheit geben, da die ausländischen Partneruniversitäten von den Entscheidungen ihrer Landesregierung abhängig seien.

Bewerben lohnt sich

Und auch das internationale Büro der Universität Jena müsse sich an die Empfehlungen des Auswärtigen Amtes halten und an dessen Einstufungen, welche Länder als Hochrisikogebiete gelten. Dennoch lohne sich eine Bewerbung ihrer Auffassung nach grundsätzlich. Nicht zuletzt, weil sogar Studierende, die während ihres Auslandssemesters ausschließlich Online-Kurse belegen konnten, ihre Erfahrung trotz allem als positiv bewerten würden. Auch Schmidtke-Bode ermutigt Studierende dazu, sich zu bewerben. Er berichtet, dass sich Dozierende und einheimische Kommiliton:innen an Partner-universitäten viel Mühe geben würden, die Auslandsstudierenden in ihrem Studium zu unterstützen und häufig auch einen persönlichen Austausch anböten.

Über die Weihnachtsferien plant Tobias, seine Familie in Deutschland zu besuchen. Dabei nutzt er die Gelegenheit, seine Corona-Impfung auffrischen zu lassen. Charlotte wiederum ist sich noch nicht sicher, wie sie ihre Booster-Impfung in den USA organisieren kann. Es ist eben doch noch nicht wieder alles beim Alten.

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