Von Party zu Party

19 Monate blieben die Clubs in Jena geschlossen, doch nun öffnen sie endlich wieder ihre Türen. Was hat sich in der Zeit verändert? Und was können wir vom Feiern noch erwarten?

Von Josefine Kwalek und Lukas Hillmann

Flackerndes Licht, laute Musik. Auf der Tanzfläche drängeln sich Menschen, sie tanzen, singen, flirten. Als wäre alles wie früher. Dass der Club lange Zeit geschlossen war, ist hier kaum zu spüren. Fremde Menschen bewegen sich eng beieinander.

19 Monate war Ruhe. 19 Monate, in denen die Pandemie das Jenaer Nachtleben fest im Griff hatte. Feiern im Kassablanca, im Rosenkeller oder im F-Haus schienen unmöglich. Es ist in der Hochphase der Pandemie zwar nicht völlig auf der Strecke geblieben, die Menschen suchten sich Alternativen: Sie wichen in WGs aus und organisierten Raves im Para – bisweilen auch mit Eskalationen zwischen Feiernden und Polizei. Doch vor zwei Wochen, genau rechtzeitig, bevor es zu kalt für das Paradies wurde, kam der Hoffnungsschimmer: Thüringen gab die neuen Richtlinien zur Pandemie bekannt – die Clubs durften unter 2G-Bestimmungen wieder öffnen. Tanzen ohne Maske und Abstand wurde wieder erlaubt.

Monatelang war die Tanzfläche des Kassablancas leer.
Foto: Josefine Kwalek


Das Kassablanca machte den Auftakt, bereits am Mittwoch, den 20. Oktober, stand die Schöne Freiheit, eine regelmäßig stattfindende Party mit Techno- und House-Musik, auf dem Plan. Eine Symbolveranstaltung: Die Schöne Freiheit war die letzte Party vor der Pandemie. Sie sollte auch die erste sein – und traditionell am Mittwoch stattfinden. In allen anderen Belangen haben sich die Clubs abgesprochen und fahren eine einheitliche Line. Samstag, der 23. Oktober, war der offizielle Starttermin und in allen Räumen werden die gleichen Regeln durchgesetzt. Einfach zu verstehen für die Gäste, die normalerweise einen Flickenteppich an Corona-Auflagen gewohnt sind.

Verändertes Ausgehverhalten

Dass die Clubs zum ersten Mal seit einer sehr langen Zeit öffnen, wird spätestens beim Eintritt in die Schlange zum Kassa deutlich, die zur Schönen Freiheit fast bis zum Westbahnhof reicht. Menschen schieben sich nach vorn, weiter Richtung Club, lernen in der Schlange neue Menschen kennen. Sie glühen in der Schlange vor, die leeren Glasflaschen werden auf dem Boden entsorgt. Man muss Acht geben, wo man hintritt, um weder Füße noch Flaschen zu erwischen.

Kurios an dieser Situation ist vor allem die Uhrzeit, zu der sie entsteht. Vor der pandemischen Auszeit wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, sich um 22 Uhr am Kassa anzustellen, jetzt drängen sich die ersten Menschen schon eine Stunde vor dem Startschuss.

Das Ausgehverhalten hat sich geändert, man spürt das Verlangen der Leute, sich auf der Tanzfläche auszuleben. Hinzu kommt, dass die erste Veranstaltung keine Möglichkeit bietet, vorab an Tickets zu gelangen.
Wer unbedingt in den Club will, muss sich also rechtzeitig anstellen, weshalb das Druckbetanken auch in der Schlange stattfindet, die Zeit vor der Party wird effizient genutzt. Die Idee ist wahrscheinlich gar nicht so schlecht, denn einige werden hier noch sehr lange anstehen, wodurch die Schlange sich zur Zweitveranstaltung entwickelt.

Kontrollen kosten Zeit

Auch für das Personal des Kassas, die eher vorpandemische Routinen haben, ist die Situation ungewohnt. Nicht nur hatten auch sie 19 Monate keine vergleichbare Party, es kommen auch weitere Maßnahmen hinzu. Bei jedem Gast muss neben dem Perso eventuell ein Studierendennachweis kontrolliert und neuerdings der 2G-Nachweis eingescannt werden. Jeder Gast wird auf das selbstständige Einscannen mit der Luca-App hingewiesen, was kostbare Zeit in Anspruch nimmt.

Zusätzlich müssen die wartenden Gäste beruhigt und am Ende sogar abgewiesen werden, der Club ist voll. Wer reingekommen ist, hat Glück gehabt. Die anderen weichen in dieser wahrscheinlich letzten milden Nacht vor allem in das Para aus oder versuchen es zur späteren Stunde noch einmal im Club.

Lea macht im Kassa eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau und blickt vor allem positiv auf den ersten Abend zurück, an dem sie hinter der Bar stand: „Die Leute sind völlig durchgedreht. Aber es war auch schön, irgendwie nostalgisch.“ Am Anfang fand sie es ein bisschen ungewohnt, so viele Menschen auf einem Haufen zu sehen, sie war sich nicht ganz sicher, ob alles gut gehe. Doch sie habe nur zehn Minuten gebraucht, dann fühlte sich alles an wie früher. Auffällig war, dass die Stammkund:innen erst spät in der Nacht aufgetaucht seien. Am Anfang des Abends sah sie vor allem unbekannte Menschen, die auf der Bühne tanzten, was für die Veranstaltungsreihe ein eher ungewöhnliches Bild sei: „Es fühlte sich etwas nach der Party einer Abschlussklasse an.“

Beim ersten Mal sei der Andrang auch unerwartet gewesen, doch schon bei der zweiten Party am folgenden Samstag sei das Team auf die große Auslastung eingestellt gewesen.

„Es fühlte sich etwas nach der Party einer Abschlussklasse an“

Auch Andreas Tran, Kulturkoordinator des Rosenkeller e.V., machte im charmanten Kellergewölbe, in dem bis zu 350 Feiernde Platz finden, vergleichbare Erfahrungen in der ersten Partynacht. Er habe ein ähnlich verändertes Ausgehverhalten festgestellt, als die ersten Menschen bereits 21:30 Uhr vor der Tür standen: „Das war schon krass!“ Die Anstehenden nahm er überwiegend entspannt und vorfreudig wahr. Als er draußen die Abstandsmarker für die Hygienemaßnahmen setzte, seien die Gäs-te bereit gewesen, die Hygienemaßnahmen zu befolgen.

War das Publikum sonst ein ausgeglichenes zwischen Studierenden und Nicht-Studierenden, seien an diesem Samstag fast nur Studierende gekommen. Die bis zu 40 Meter lange Schlange auf der Johannisstraße habe so voll gewirkt, weil die Menschen aufgrund der Maßnahmen komplett auf der Straße anstehen mussten. Sonst fänden 200 Personen im Hof Platz. Um weitere Schlangen zu vermeiden, tüftele der Rosenkeller an einem Vorverkauf, bisher sei man aber noch auf keine gute Lösung gekommen.

Crowdfunding und Coronahilfen

In der Auszeit haben sich die Clubs vor allem durch die Coronahilfen über Wasser gehalten. Das Kassablanca und der Rosenkeller werden beide von Vereinen getragen und haben kein großes Kapital in der Hinterhand. Umso wichtiger waren die Förderungen von der Stadt, die diese auch für 2021 zugesichert hatte. Zusätzlich konnten beide Standorte im Sommer auch draußen Veranstaltungen stattfinden lassen, die durch den Ausschank einige Einnahmen generierten. Das Kassablanca konnte zusätzlich eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne starten und erhielt viel Support von den Gästen.

„Spätestens Anfang des nächsten Jahres könnte alles wieder sein wie vorher“

Auch der Rosenkeller erhielt Spenden von einigen Vereinsmitgliedern und Stammkund:innen. Im Zuge der Pandemie hatten sich die Jenaer Clubs auch in einem Netzwerk organisiert, was sie zwo20 nannten. Hierüber konnten Unterstützer:innen Solitickets erwerben. Das Geld, was darüber zustanden gekommen ist, soll nun noch auf die teilnehmenden Clubs nach einem bestimmten Schlüssel verteilt werden.

Die Zeit haben die Vereine vor allem für Renovierungsarbeiten genutzt. Laut Tran wurden in der Rose „kleine Schönheitsreparaturen“ unternommen und die Hygienemaßnahmen wurden eingerichtet. Im Kassa war vor allem Büroarbeit angesagt, Lea konnte sich um Dinge kümmern, „die im Tagesgeschäft sonst hinten runterfallen“. Sie sei aber sehr froh, nun auch wieder Veranstaltungen planen zu können, da sie die Übung für ihre Ausbildung benötige, die sie bald abschließen werde.

Mi Kassa es su Kassa.
Foto: Lukas Hillmann

Wie sich die clubkulturelle Szene in Jena entwickeln wird, bleibt von den dynamischen Infektionsentwicklungen abhängig. Natürlich hoffen die Betreibenden, die Clubs nicht wieder schließen zu müssen. Und falls sie offen bleiben dürfen, wird sich zumindest im Kassablanca nicht viel ändern. Altbekannte Veranstaltungen wie die Schöne Freiheit oder Überschall werden weiterhin regelmäßig stattfinden, auch ausgefallene Konzerte sollen nachgeholt werden.

Das Thema Diversität soll in Zukunft eine größere Rolle spielen, so sollen beispielsweise mehr Frauen auf der Bühne präsent sein. Im Rosenkeller spiegelt sich der erhöhte Kontrollaufwand in den Preisen wider. Der Eintritt ist gestiegen, Studierende zahlen nun fünf statt drei Euro, der Preis für Nicht-Studierende wurde auf acht erhöht, drei Euro mehr als vorher. Tran begründet die Entwicklung mit dem Ziel, sich in Zukunft mehr auf Studierende auszurichten.

Alles beim Alten

Auch sind sich die Organisator:innen sicher, dass sich der starke Drang, feiern zu gehen, wieder einpendeln wird. Nach 19 Monaten Ruhe hätten die Erst- bis Drittsemester das Gefühl, alle Partys mitnehmen zu müssen, um zu testen, wo es ihnen am besten gefalle, reflektiert Lea.

Irgendwann würden alle ihre Lieblings-clubs und -veranstaltungen gefunden haben, sodass es sich besser verteile. „Spätestens Anfang des nächsten Jahres könnte alles wieder sein wie vorher“, prognostiziert die werdende Veranstaltungskauffrau. Bis dahin muss wahrscheinlich noch die eine oder andere Stunde in der Warteschlange verbracht werden.

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