Noch ein letzter Tanz

Seit vergangener Woche verwandelt sich das F-Haus in ein Corona-Schnelltest-Zentrum. Hauptinitiator der kostenlosen Testaktion ist der ehemalige FSU-Student Cornelius Golombewski. Eine Beobachtung des Versuchs, die Situation in den Griff zu bekommen.

Von Marie Schmid und Tim Große

Tänzelnd-telefonierend bewegt er sich über das Holzparkett im F-Haus. Seit Dezember ist er in dauerhafter Rufbereitschaft. Cornelius Golombewski hat, auch weil die städtische Initiative lange Zeit fehlte, die Eindämmung des Coronavirus selbst in die Hand genommen.

Erst vor wenigen Minuten erreicht der gebürtige Jenenser das F-Haus, zu DDR-Zeiten das Haus der Gewerkschaft des FDGB, heute ein Veranstaltungsort, in dem sich in präpandemischen Zeiten eine Neunziger-Party an die Nächste reihte. Vor dem Eingang steht bereits eine Schlange von etwa 50 Personen als Cornelius mit seinem Fiat 500 um Punkt 17 Uhr vorfährt. Er komme gerade vom Impfen. Um sieben Uhr sei der 28-Jährige dafür aufgestanden, um eine halbe Stunde später ins etwa 40 Minuten entfernte Pößneck zu fahren. Von daher komme er nun direkt zum Testen zurück nach Jena. „Eigentlich muss ich ja auch noch studieren“, sagt Cornelius immer wieder. Denn für das Masterstudium in London habe er eine Menge Geld hingelegt und eine Wohnung angemietet. Die nützt ihm zur Zeit wenig, er wohne vorübergehend wieder bei seinen Eltern.

15 Minuten Diskofeeling

Drinnen hat sein Team die Lage bereits im Griff. Es gibt drei Teststrecken, Bühnenteile dienen als Sichtschutz, Desperados-Stehtische zum Ausfüllen der Befundscheine. Nachdem man auf einem einfachen Zettel mit Kuli seine Kontaktdaten angegeben hat, heißt es Mund auf, Stäbchen rein. Ein bisschen unangenehm muss es sein, sonst sei die Virenlast zu klein. Nach dem kurzen Auftritt auf der Tanzfläche wird man, wie sonst zum Rauchen, des Saals verwiesen und bekommt mit ein wenig Glück nach etwa 15 Minuten einen negativen Befundschein. Das Clubfeeling ist vorbei, das Rauschgefühl hält sich in Grenzen, die Vorfreude auf das nächste Mal auch, aber ein Besuch im Testzentrum ist immer noch aufregender als jeder Zoom-Spieleabend, als Bananenbrot backen, als ein JU-Stammtisch.

Die mutige Redakteurin Marie lässt sich von Cornelius (mit Visier) testen. Foto: Tim Große

Immer mal hustet es in den Reihen der Testpersonen oder die Mund-Nasen-Bedeckung wird kurzerhand zur Kinnbedeckung. Trotzdem hielten sich die positiven Testergebnisse bislang in Grenzen. Ungefähr ein Test von hundert sei positiv. Vergangene Woche gab es an einen Tag gleich drei positive Ergebnisse. Auch denen telefoniert Cornelius hinterher, fragt nach Kontaktpersonen und Symptomen, irgendwann zwischen Impfen, Testen und Studieren.

Sein Medizinstudium absolvierte er von 2012 bis 2019 an der FSU, koordinierte die nicht nur unter Medizinern bekannten Medi-Meisterschaften und ist seit anderthalb Jahren Vorsitzender der Jungen Union Thüringen. Bereits vor Weihnachten reiste er aus London zurück in seine Heimat, kaufte etwa hundert Tests und initiierte die erste Testaktion im Med-Club. Fragt man, wer ihn auf die Idee gebracht hat, gibt er eine unerwartete Antwort: Boris Johnson. Dieser habe bereits vor Weihnachten Massen-Schnelltests für Studierende in die Wege geleitet, die über die Feiertage nach Hause wollten. „Die Website für die Testaktion haben wir über Nacht zusammengezimmert“, erzählt Cornelius mit einem gewissen Stolz. Generell wirkt er sichtlich überzeugt von sich und dem, was er tut. Fragen nach persönlicher Bereicherung oder Ungenauigkeit der Schnelltests entgegnet er: „Sie können natürlich trotzdem eine Brücke bauen, bis wir genügend Menschen geimpft haben.“

Fast so viel los wie bei bei einer BadTaste-Party: Corona-Teststrecke im F-Haus. Foto: Tim Große

Im Med-Club kosten die Tests nach vorheriger Online-Anmeldung 30 Euro, für Studierende 15 Euro. Ein Euro pro Test kommt dabei den durch Corona angeschlagenen Club zu Gute. Seit Dezember hätten sich so rund 2500 Studierende testen lassen. Zusammen mit dem Job als Impfarzt ist sein Leben mittlerweile komplett durch Corona bestimmt. Er ist das Gesicht hinter der Jenaer Schnellteststrategie und äußerte sich auch neuerlich im MDR zu den relativ hohen Honorar für Impfärzte in Thüringen. 175 Euro erhalten verantwortliche Impfärzte pro Stunde. Auch Cornelius fand das anfangs nicht gut, es sei aber notwendig gewesen, damit die Impfkampagne funktioniere: „Ich kann natürlich nicht sagen, dass ich nicht davon profitiere.“

Landesregierung ohne Konzept

Mittlerweile trägt zumindest im F-Haus die Stadt Jena die Kosten für die Tests, Raummiete und Helfer. Der Medizinstudent sei von sich aus auf die Stadtverwaltung zugegangen und habe diese von seinem Konzept überzeugen können. „Ich hoffe, die Stadt schätzt das auch“, sagt Cornelius, ohne tiefer ins Detail gehen zu wollen. Bisher kontrolliere man auch nicht, ob jemand mehrmals in der Woche komme. Nur ein Wohnsitznachweis in Jena sei nötig, notfalls funktioniere auch die Thoska. Was er nicht verstehe ist, dass es das Land nicht schaffe, ein Öffnungs- und Testkonzept für Uni oder Bibliothek zu erarbeiten. „Wieso öffnet die Thulb ohne tagesaktuellen Schnelltest?“ In anderen Ländern funktioniere das teilweise besser.

„Ich persönlich hoffe, dass sich das Testen ein bisschen verstetigt, ich will ja auch noch meine Masterarbeit schreiben“, sagt Cornelius, zieht seinen Arztkittel über und unterstützt nun sein Team. Bis 20 Uhr wird er heute testen, danach geht es nach Hause. Es steht ein Gruppenmeeting für die Uni in London an.

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