WAS WÄRE STUDIEREN OHNE DIE BEATS

Einblick in die Jenaer Hip-Hop- und Metalszene

Von Louisa Wortmann und Sophia Brehm

Jazzige Piano-Melodien, gemütliche Gitarrenakkorde, dumpfe, knisternde Hintergrundgeräusche, gelegentlich rauchig oder weich klingender Gesang: Typische Charakteristika eines Lofi Beats. Fernab von der Mainstreammusik gilt Lofi als ein Subgenre des Hiphops und eignet sich bestens als Lernmusik: Welt aus, Beats an, Fokus garantiert. 
Das offenbart wahrscheinlich auch einen wesentlichen Grund, warum die „Beats to study” aka Lofi Beats in Zeiten des digitalen Lernens auf Musikplattformen enorm an Klicks gewinnen. Paradoxerweise entpuppen sich Lofi Beats als harmonische und verspielt lebendige Hintergrundmusik, um zur Ruhe zu kommen oder zum Relaxen in gemütlichen Runden. So hat sich der Beatmaker Benedict mit dem Künstlernamen Upper Class aus Jena auch entschieden, sein Leben der Musik zu widmen. 
Mit seinem neunten Lebensjahr begann er, Schlagzeug zu lernen, mit 12 Jahren trat er einer Grunge-Band bei und kam kurz darauf das erste Mal in Kontakt mit der Hiphop-Szene. Sein Künstlername entstand bereits im Alter von 16 Jahren ,was auf eine langjährige Auseinandersetzung und Erfahrung mit der Musikszene schließen lässt, die er in Jena neben seinem Studium der Politikwissenschaften umsetzten konnte. Mittlerweile studiert er nur noch auf dem Papier Philosophie und beschäftigt sich hauptberuflich mit Musik. So hat er gemeinsam mit dem befreundeten Musiker Jakob, in der Szene bekannt als Nalim, ein eigenes Musiklabel mit dem Namen „Cassette Noire“ gegründet. 

Zeichnung: Elena Stoppel

Eine regnerische Nacht in Weimar

„Cassette Noire“ ist nun seit diesem Sommer ein offiziell eingetragenes Unternehmen, mit all den Verantwortungen, die damit einhergehen. „Ja, wie war das mit dem Namen des Labels?”. Benedict erinnert sich: „In Weimar in einer regnerischen Nacht, auf dem Weg zu einer Party, ohne Google Maps und Orientierung. Einfach so schlug Jakob (Nalim) Tape Noire vor und dann meinte ich: Ja, lass uns Cassette Noire draus machen”. Eben ganz auf die altmodische Art. 
Hauptsächlich nimmt er Geld über Streaming auf Spotify ein. Längerfristig ist der persönliche Umzug sowie der des Labels nach Leipzig geplant: „Die Hiphop-Szene in Jena ist zwar familiär und vertraut, für meinen Geschmack jedoch etwas zu klein”. 
Nostalgisch erzählt Upper Class von den Freestyle-Cypher-Sessions jede zweite Woche im Kassa. Sie hätten zu seiner Anfangszeit in Jena, also vor circa vier Jahren, noch regelmäßig den Montag versüßt. Hier hat sich die Szene getroffen und im kreativen Austausch Beats und Texte kombiniert: Begegnung, kreativer Spielplatz und eine künstlerische Wohlfühl-Oase für alle Rap/Hip-Hop-Interessierten. Musik demnach als Medium der Kommunikation mit dem Potenzial, Raum für Begegnung zu schaffen. 

Was gerade musikalisch geht: nichts

Mit einer sportlichen Leistung von neun Konzerten im letzten halben Jahr (vor Corona) testet die Band Pathwalker nicht nur ihre eigene Kondition, sondern auch die ihrer Fans, während sie beim Headbanging Haarmähnen in Bewegung versetzen. Die seit 2019 aktive Band wurde durch die Pandemie enorm ausgebremst. Die Bandproben wurden erstmal auf Eis gelegt. „Wir bleiben motiviert und versuchen, die Zeit nach Corona zu planen”, berichtet Basti, Bandmitglied von Pathwalker. Auf die Frage, was gerade musikalisch als Ersatz zu Konzerten oder Partys herhalten kann, sind sich die interviewten Künstler einig und antworten resigniert: nichts. 
Selbst die anfänglichen viral gegangen Live Streams ersetzten nicht den Rausch, nebeneinander in Trance zu verfallen. Andererseits hat diese Zeit viele Menschen zur kreativen Selbstverwirklichung bewegt. Das Interesse, selbst Musik zu produzieren, sei sogar in der Jenaer Musikszene zu beobachten. Der Musiker der Pathwalkers weiß, dass seit Corona die Verkaufszahlen von Interfaces, notwenidgen Geräten zum Musikproduzieren, extrem angestiegen sind. 
Im Zuge der eingeschränkten Möglichkeiten innerhalb der Musikszene hat die Gruppe Spätkauf Pakila einen kreativen Auftritt auf der digitalen Bühne hingelegt. In ihrer neuen Show auf Youtube erraten die Künstler HÜD, Hollywood, Lendolf, Moondogger, Süleyman Blond und Mariusin spielerisch ihre eigenen Lyrics. 
Das heißt, wenn man in die Musikszene Jenas abtaucht, ist der Tauchgang geprägt von unerwarteter Vielfalt und Expertise. Inspiriert von den Einblicken in Jenas Musikszene ein Tipp gegen Langeweile in winterlichen Coronazeiten: Wie wäre es mit einem sportlichen Workout, im Hintergrund die motivierende Metalmusik von Pathwalker, anschließend das Cooldown hinterlegt mit beruhigenden Lofi-Beats, sodass man sich bei Einbruch der Dämmerung ausgeglichen von der Show von Spätkauf Pakila unterhalten lassen kann.

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