Raus aus Happyland

Rassismus existiert, damit Weiße es bequem haben.
Das eigene Weißsein muss reflektiert werden, findet unser Redakteur.

von Robert Gruhne

Rassismus war für mich als weißer Mensch lange kein Thema, denn ich bin im Happyland groß geworden. So nennt die Antirassismustrainerin Tupoka Ogette die Gedankenwelt, in der Rassismus immer das Fehlverhalten der anderen ist. Natürlich gab es Rassismus, da wo ich herkomme, in der sächsischen Provinz. Doch nur schlechte Menschen waren rassistisch, hatte ich gelernt. Nazis und so. Und ich war ja ein Guter, deshalb konnte ich gar nicht rassistisch sein.
Dass Rassismus mehr ist als die Taten von Individuen und in die Strukturen unserer Gesellschaft eingeschrieben ist, hörte ich in der Schule nicht. Kolonialismus und seine Folgen waren nebensächlich. In Geschichte beschränkte sich der Unterricht mehr oder weniger darauf, in einem Suchbild alles „I*dianische“ in der Küche zu markieren. Danke für Kakao und Mate-Tee, sorry für Unterwerfung und Kulturzerstörung! Noch düsterer sehen meine Mitschriften bei der Kolonialisierung Afrikas und Asiens aus, die auch von Deutschland ausging. Kaum ein Wort über die ausgebeuteten Länder, dafür seitenweise „Mimimi“ europäischer Politiker, weil sich jemand bei der Aufteilung der Welt benachteiligt fühlte. Wer über Rassismus nichts weiß, kann auch nicht antirassistisch handeln.
Ich hätte viel früher stutzig werden können. Ich hätte mehr sein können als nur betroffen, wenn mir Freundinnen und Freunde von ihren Erfahrungen mit Rassismus erzählten. Doch eines der vielen Privilegien des Weißseins ist es, dass man sich aussuchen kann, wann man sich mit Rassismus beschäftigt. Black, Indigenous and People of Color (BIPOC) können das nicht. Das Wahrhaben der eigenen Privilegien ist für Weiße der erste Schritt raus aus der Bequemlichkeit. Ich will nicht in einer Welt leben, in der ich Vorteile auf Kosten anderer habe und Rassismus zum Alltag meiner Mitmenschen gehört. Deshalb will ich nicht mehr stumm sein, wenn ich Rassismus erkenne, und vor allem will ich bei mir selbst anfangen. Ich will raus aus Happyland.

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