Kultur für Dunkeldeutschland

Jonas Zipf, der Chef von Jenakultur, spricht über das Kulturticket. Was kommt und was betrachtet er mit Sorge?

Das Interview führte Julian Hoffmann

Jonas Zipf, der Werkleiter von Jenakultur, blättert im goldenen Buch der Jenaer Philharmonie. Foto: Julian Hoffmann

Akrützel: Mit dem kürzlich von beiden Hochschulen beschlossenen Kulturticket erhalten Studenten für zwei Euro pro Semester freien Eintritt in die städtischen Museen, ins Deutsche Optische Museum, das Theaterhaus und die Jenaer Philharmonie. Wann kommt die Kulturarena dazu?

Jonas Zipf: Jetzt führen wir das Kulturticket erst einmal ein. Wenn es erfolgreich angelaufen ist, gibt es mit Sicherheit noch Überlegungen, wie wir es erweitern können. Die Kulturarena können wir nicht viel mehr vergünstigen als sie jetzt schon ist. Das verbieten uns dann auch die Agenturen, über die wir Künstler bekommen. Weil die nicht nur einen Pauschalpreis bekommen, sondern auch einen Prozentsatz verhandeln, den sie auf den Verkauf an der Abendkasse bekommen. Agenturen werden mit Sicherheit beim Kulturticket nicht mitmachen, weil sie dann weniger Geld bekommen.
Aber sich für das Kulturticket sympathisiert hat zum Beispiel schon der Träger der Programmkinos Schillerhof und Kino am Markt. Da das aber noch etwas kompliziert ist, können sie wahrscheinlich zum jetzigen Zeitpunkt nicht einsteigen. Möglicherweise wird es dann noch weitere Museumsanbieter geben, vor allem die Ernst-Abbe-Stiftung. Auch über das Planetarium werden wir reden.

Wie werden Studenten das Kulturticket nutzen können?

Man muss entweder im Vorverkauf mit seiner Thoska ein Ticket erwerben oder Restkarten an der Abendkasse.

Wann wird das Kulturticket eingeführt?

Wir haben noch ein paar Dinge zu erledigen, aber ich hoffe sehr, dass wir es schaffen, das Kulturticket im Wintersemester einzuführen. Wir müssen zum Beispiel noch mit den Hochschulleitungen reden. Es wäre fatal, wenn Studierende den Eindruck bekämen, wir können für zwei Euro zentrale Kulturangebote der Stadt nutzen, aber in der Hochschule nicht. Studierende der EAH etwa sollen kostenfrei den Botanischen Garten besichtigen können. Auch, wie es sich mit der Hofoper, einem sehr hochpreisigen Angebot, verhält, muss noch geklärt werden.

Wird der Preis noch steigen, wenn andere Anbieter hinzukommen oder zu viele Studenten das Kulturticket in Anspruch nehmen?

Falls die Besucherzahlen wegen des Kulturtickets plötzlich durch die Decke gehen würden und Studierende Monate vorab ihre kostenfreien Karten abholen und damit komplett zahlenden Besuchern die Karten wegnehmen, dann würden wir gucken, ob wir den Preis anpassen. Das ist aber bei keiner anderen Stadt, die ein Kulturticket eingeführt hat, der Fall.
Doch der Preis muss wahrscheinlich etwas erhöht werden, wenn wir noch weitere Anbieter finden. Generell ist kein monetäres Interesse damit verbunden, das Kulturticket einzuführen. Wir wollen mit unseren Angeboten bekannter werden, dass der Standort Jena auch für Studierende attraktiver wird und wir näher an diesen großen Teil der Bevölkerung rankommen. Studierende sind ja ein Viertel bis ein Fünftel der Bevölkerung in Jena.

Einer unserer Leser auf Facebook findet das Kulturticket zu günstig: „Es geht auch um die Message, was unserer Gesellschaft die Kultur wert ist. Ein Semester Kultur darf nicht weniger wert sein als zwei Kugeln Eis.“

Ich bin ein Fan seiner Position. Es ist gut, dass es Studierende gibt, die Kultur wertschätzen, kulturelle Angebote wahrnehmen und bereit wären, mehr zu zahlen. Doch es gibt auch eine Mehrheit, die nicht ins Theaterhaus geht. Aber auch die finanzieren das Kulturticket mit. Man muss es praktisch als einen Durchschnittspreis sehen.
Zudem leben wir in einer Gesellschaft, in der die Armen immer ärmer und die Reichen reicher werden. Wir als staatlicher Träger müssen uns überlegen, welche strategische Rolle für uns die Einnahme überhaupt noch spielt. Bei einer Philharmonie sind die Einnahmen über Tickets unterhalb von zehn Prozent der Gesamtfinanzierung. Dieses Orchester gibt es ohnehin nur, solange eine politische Mehrheit bereit ist, es zu finanzieren. Beim Theater ist das ähnlich. Ist es also wirklich so entscheidend, aus einer armen Bevölkerungsschicht, zu der auch Studierende gehören, noch mehr rauszupressen? Oder geht es da nicht um die Geste, alle einzuladen?
Außerdem investieren wir in die Zukunft, indem wir möglichst viele Studierende erreichen, die später einmal mehr Geld verdienen und dann auch die hochpreisigen Angebote bezahlen können.

Was ist Ihr größtes Sorgenkind im städtischen Kulturbetrieb?

Ich habe zwei große Sorgen. Die eine ist das schnelle Auseinanderdriften der Bevölkerung. Wir haben einen Teil an Menschen, die sich nicht mehr als Teil der Stadtgesellschaft fühlen. Ich will jetzt gar nicht nur auf Rechtspopulisten anspielen, sondern einfach auch auf Menschen, die zugewandert oder arm sind und sich nicht integriert fühlen. Daran müssen wir sehr hart arbeiten. Gerade Kultur ist ein Inklusionsmotor.
Die zweite Sorge, die ich habe, ist das Image von Jena nach außen. Jena ist absolut lebenswert. Wenn man hier angekommen ist und das weiß, ist alles gut. Aber nach außen sind wir Dunkeldeutschland. Wir sollten uns keine Illusionen machen – wenn ein Arbeitnehmer oder ein Student aus Westdeutschland oder auch international sich entscheidet, ob er nach Jena geht oder nicht, dann spielt das schlechte Image eine Rolle. Dazu trägt auch die Berichterstattung über Rechtsrockkonzerte und rechte Straftaten in der Nähe Jenas bei. Es gibt schwarze Künstler, die vor einem Auftritt fragen, wie sicher sie in Jena sind. Wir müssen alle darum kämpfen, dass unser Image nach außen so ist, wie es sich innen anfühlt.

Herr Zipf, vielen Dank für dieses Interview.

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