Intransparenz transparent machen

Eine zu schnelle Entscheidung, unzureichende Informationen und mangelnde Transparenz – ein Überblick über die Schwachstellen der Kommunikation.

von Undine von Lucadou

Das Klima in der Philosophischen Fakultät hat sich im letzten halben Jahr verschlechtert, das zeigen unter anderem die kontroversen Diskussionen im Fakultätsrat. Von Anfang an war die Kommunikation über die geplante Kürzung mangelhaft.  
In der Sitzung im November ließ das Dekanat erstmals über die Nachbesetzung der Kulturgeschichte und die gleichzeitige Streichung einer Professur in der Germanistischen Mediävistik abstimmen. Das Dekanat vermittelte in der Sitzung den Eindruck, es gäbe keine andere Möglichkeit und auch der aktuelle Stelleninhaber Jens-Dieter Haustein, der nicht anwesend war, sei damit einverstanden. Später wurde bekannt: Das Gespräch, in dem Dekan Stefan Matuschek ihm von der geplanten Streichung berichtete, soll zwischen Tür und Angel stattgefunden haben, als sich der Dekan und Haustein zwischen Thulb und Fromannschem Anwesen zufällig entgegenkamen.
Auch die Studierenden beklagen, nicht genügend informiert gewesen zu sein. Zwar wurde wie üblich die Einladung zur Fakultätsratssitzung sowie nötige Unterlagen eine Woche im Voraus versendet, aber „man muss auch erstmal erkennen, was darin steht”, meint Friederike Andrees, Mitglied im Fakultätsrat und dem Fachschaftsrat Germanistik. „Im Sitzungsmaterial wurde mit vielen Euphemismen gearbeitet, da steht nicht Streichung der Älteren Deutschen Literatur.”

Eine Diskussion kommt in Gang

Und so wurde der Vorschlag des Dekanats einstimmig angenommen. „Wir wussten in dem Moment noch nicht, welche Auswirkungen das hat”, meint Friederike heute. Studierende und Lehrende begannen, gegen den Beschluss zu protestieren. So betonte der Fachschaftsrat Germanistik in einem Positionspapier, der Beschluss, auf die Professur zu verzichten, beruhe auf Fehlinformationen. Die vermeintliche Zustimmung von Haustein und Juniorprofessorin Sophie Marshall zu der Stellenstreichung habe es so nicht gegeben, wie sie den Ratsmitgliedern suggeriert worden sei.
Diskutiert wurde bisher in unterschiedlichen Formaten: in Fakultätsratssitzungen, über Positionspapiere, in einem Dialog, der extra am 14. Mai in der Aula einberufen wurde, und in einer Podiumsdiskussion des Stura zum Thema Wer braucht schon gute Lehre? am 16. Mai. Die Kommunikation hätte sich trotzdem nicht sonderlich verbessert, bemängelt Sophie Trautmann vom Fachschaftsrat Germanistik. „Die relevanten Akteure reden nicht wirklich miteinander.“
Christoph Demmerling, Vorsitzender der Strukturkommission, begrüßt die Diskussionsprozesse an sich: Sie seien Ausdruck der Souveränität der Fakultät. „Es ist immer besser, wenn die Fakultät selbst darüber diskutiert, wie sie die Dinge gestalten möchte, als wenn sie sich von oben die Entscheidung vorgeben lässt”, erläutert er. Das bekräftigt auch der Präsident Walter Rosenthal.

Wichtig sei dabei die Arbeit der Strukturkommission, die die Diskussionen in der Fakultät mit Blick aufs Ganze vorbereiten soll. Auch studentische Vertreter und Vertreterinnen sind hier Mitglieder. „Natürlich liegt es in der Sache, dass Studierende besonders auf Belange in der Lehre achten und sicherstellen möchten, dass sich nichts verschlechtert”, sagt er.
Konkurrenzsituationen zwischen den Instituten wolle man jedoch auf jeden Fall vermeiden, betont Demmerling. Auch die Studenten sollten nicht in das Dilemma geraten, mit wem sie sich solidarisieren müssten. Für Demmerling war die Nachholung der Gespräche deswegen auch der richtige Weg: „Situationen wie bei der Beschlussfassung können im Alltagsgeschäft passieren. Daraus kann man nur lernen, dass es vielleicht ratsam ist, auch über die formalen Pflichten und Fristen hinaus umfassendere Informationsmöglichkeiten zu gewähren.”

Wo sind die Informationen?

Der FSR Germanistik kritisiert genau diese Informationspolitik. So habe das Institut für Germanistische Literaturwissenschaft einen Katalog von Fragen an die Strukturkommission geschickt, die jedoch nur zwei davon beantwortet hätte.
Für die Studierenden ist es oft schwierig, an die richtigen Dokumente zu kommen. Friederike erzählt, dass der Step nicht in dem für die Mitglieder des Fakultätsrats errichteten Moodle-Konto einsehbar sei. Im hochschulöffentlichen Hanfried findet sich zwar der Step von 2014, aber nicht die Fortschreibungen von 2016 und 2018. Bezüglich der Veröffentlichung des Steps äußert sich der Präsident Rosenthal vorsichtig, da die Pläne teilweise sensible Daten enthielten. „Die studentischen Senatoren haben die Pläne aber gesehen und diese ganzen Informationen sind verfügbar”, versichert er.

Bauhaus-Uni als Vorbild

In Paragraph 26 des neuen Thüringer Hochschulgesetzes heißt es: „Die Mitglieder der Hochschule sorgen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in und zwischen den Organen und Gremien.” Daraus lässt sich ein gewisser Anspruch auf Transparenz ableiten. “Das heißt für mich, wenn ich in bestimmten Positionen bin – sei es im Dekanat, im Fakultätsrat, als Studiendekan oder in der Hochschulleitung – dass die, die bei allen Entscheidungen mitwirken, komplett und umfassend informiert sind und auch alle Unterlagen kennen”, führt Peter Gemmeke vom Wissenschaftsministerium aus. Bei der Umsetzung des Steps haben manche Universitäten wie die Bauhaus-Uni in Weimar schon einen sehr offenen Umgang gefunden. Arbeitsgruppen gestalten zuerst einen Entwurf, der dann in Gremien diskutiert, finalisiert und entschieden wird. „Das ist für mich der Idealweg und so sollte es auch sein”, betont Gemmeke.
Die Diskussion um die Germanistische Mediävistik trug sich sogar bis in den Landtag. Der Abgeordnete Christian Schaft (Die Linke) erfuhr von der Situation und stellte eine Anfrage an die Landesregierung, inwieweit der Step sich auf die Lehrstühle der Volkskunde/Kulturgeschichte und Germanistik auswirkt. Diese wies auf die Autonomie der Universität hin.

Noch offene Fragen

Demmerling sieht insgesamt eine positive Entwicklung. „Ich hatte den Eindruck, die Diskussionen waren am Ende so, dass von allen eingesehen werden konnte, warum der Vorschlag so gemacht worden ist”. Er hofft, dass sich die Gemüter am Germanistischen Institut etwas beruhigt haben.
Für die Studierenden sind trotzdem noch einige Fragen offen. „Das Komische war, dass Herr Matuschek bei der letzten Fakultätsratssitzung meinte, er würde nicht mit dem Präsidenten reden, weil er die Antwort schon kennt,” äußert Sophie ihre Verwunderung über das Verhalten des Dekans, als alternative Kompensationsmöglichkeit jenseits der Germanistischen Mediävistik gesucht wurden. „Fragen kostet doch nichts!”
Der Dekan bleibt dabei: „Wir haben alles getan, um diese Entscheidung transparent zu machen.“ Für den übereilten Beschluss und die mangelhafte Kommunikation entschuldigte er sich in einer Fakultätsratssitzung. Wie viel Vertrauen wirklich verloren gegangen ist, wird sich wohl erst in Zukunft zeigen.

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