Zwei Stunden Plauderei aus dem Drogenlabor

Text: Julian Hoffmann

Wie produzieren halluzinogene Pilze das Psilocybin? Dirk Hoffmeister, Biopharmazeut in Jena, erzählte vor zwei Wochen im Café Wagner, wie es ihm gelang das zu erforschen – und philosophiert über den Rausch.

Hätte Valium einen Sound, Hoffmeisters etwa zweistündiger Vortrag würde genauso klingen. Mit einer holprigen Satzbildung und einem sehr leisen und nüchternen – vielleicht teilweise langweiligen – Sprachstil drohte der Jenaer Professor für Biopharmazie in Teilen die Nerven des Publikums zu strapazieren. Dennoch lauschte der volle Saal gespannt dem Redner. Denn, um die Atmosphäre mit der notwendigen Magie zu füllen, war das Thema selbst stark genug. Pflanzen der Götter und Zauberpilze hieß der angekündigte Titel. Passte also alles ins Konzept: Von Drogen reden und sich dabei wie eine Schlaftablette anhören fügte sich geradezu nahtlos zusammen.

Was sich erst nach esoterischem Gebrabbel eines barfüßig-vollbärtigen Neo-Schamanen auf einem Pilztrip im Wald anhört, ist bei Hoffmeister allerdings kühle Wissenschaft mit Plastikhandschuhen in steriler Umgebung.

Obwohl sich die Sterilität leider auch durch den Vortrag zog, bot das Thema doch Platz genug für den einen oder anderen Witz zwischendurch, während Hoffmeister erklärte, wie sein Team die natürliche Synthese von Psilocybin erforschte.

Unter Laborbedingungen kann man diese Substanz schon seit mehr als einem halben Jahrhundert herstellen, wie die Pilze diese chemische Leistung vollbringen, war bisher jedoch unklar. Schon in den 1990er Jahren stellten Wissenschaftler die Frage, wie Pilze überhaupt Psilocybin produzieren. Zwar ist das Molekül klein und strukturell einfach aufgebaut, herstellen lässt es sich aber nur mit einem hohen Energieaufwand. Bioorganismen benötigen dafür spezielle Systeme.

Hoffmeister gelang es nun, die beteiligten Enzyme ausfindig zu machen, zu isolieren und sie von genetisch veränderten Kolibakterien produzieren zu lassen. So erzeugte er Psilocybin auf natürliche Weise erstmals ganz ohne Pilze.

Praktische Anwendung wird diese Errungenschaft, zumindest in der Pharmazie, wohl nicht finden. Bereits Ende vergangenen Jahres hatte das Akrützel ein Interview mit Hoffmeister geführt, in dem er die Frage, ob er sich das Verfahren patentieren lassen will, offenließ. Auf Nachfrage nach dem Vortrag im Café Wagner klingt das jetzt deutlich pessimstischer: „Man braucht davon keine großen Mengen, einmal 25 Milligramm Psilocybin und das war’s, um zum Beispiel spezielle Arten von Depressionen zu behandeln“, erklärt Hoffmeister. Er glaubt nicht an einen ökonomischen Durchbruch dieser natürlich produzierten Substanz, zumal sie synthetisch viel billiger hergestellt werden kann.

Noch vor einem halben Jahr war es Hoffmeister wichtig, seine Forschung nicht in ein Drogenmilieu zu stellen und betonte mehrmals, dass er an dem Psilocybin nur aus wissenschaftlicher Sicht interessiert sei. Am vorvergangenen Montag klang jedoch ein anderer Unterton durch. Zwar beteuerte er eingangs, „es geht nicht um Religion, sondern um ganz rationale Wissenschaft.“ Dennoch unternahm er einen Diskurs zu der Wirkungsweise dieser Droge. Konsumenten bekämen etwa Halluzinationen, in denen sie synästhetische Erfahrungen machten. Synästhesie ist eine Verschmelzung der Sinneswahrnehmungen, die unter anderem dazu führen kann, dass man Farben riecht oder Töne sieht. Auch gebe es Berichte, in denen die Existenz von Farben geschildert wird, die es gar nicht gibt, erklärt der Biopharmazeut. Mit Fragen wie „was ist Realität“, wenn die Sinne eine ganz andere wahrnehmen oder „wie viele Realitäten gibt es“ drang er in teils auch eher philosophische Ansätze der Psilocybinforschung ein. Und damit nicht genug. Andere Drogen schienen ihn jetzt auch zu interessieren: so etwa der sogenannte Aztekensalbei Salva Divinorium, dessen Stecklingsvermehrung er geradezu minutiös erklärte, die Samen der Trichterwinde – ebenfalls ein Halluzinogen- oder der Fliegenpilz.

Ein kleiner Einschub musste sein: Psilocybin sowie viele andere der in dem Vortrag erwähnten Substanzen unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz. Auch wenn einige dieser Stoffe gar nicht betäuben, witzelte der Professor.

Auf Nachfrage des Publikums nach Nebenwirkungen von halluzinogenen Substanzen antwortete Hoffmeister unmissverständlich, dass es natürlich psychische Gefahren berge, wenn in einem Rausch die Realität gar nicht mehr als solche wahrgenommen werde.

Eine Frage musste natürlich noch abschließend in einem kleinen Interview beantwortet werden: Ob der Wissenschaftler nach Jahren der Forschung mit Psilocybin und im Vortrag gezeigten Begeisterung für den Rausch schon einmal selbst die Droge konsumiert hat?

Die Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln geformt gestand Hoffmeister, dass er diese Frage erwartet habe. „Was sagt man da so schön“, begann er seinen Satz, dachte kurz nach, und fuhr nach einer kleinen Pause weiter, „ich bitte um Verständnis, dass Sie da keine Antwort bekommen“. Hiernach fügte er hinzu, dass seine Begeisterung für die Wirkungsweise des Psilocybins inspiriert sei durch die besonders detailliert beschreibende Erzählweise solch eines Rauches in einem Buch Albert Hofmanns, dem Entdecker des LSD. Natürlich hat er das nur gelesen, was denn auch sonst?

 

 

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