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Der Wirklichkeit entfliegen

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Seit Neustem wird beim Hochschulsport Quidditch angeboten. Von dem Versuch, eine magische Welt in die Realität zu übertragen.

Von Caroline Ellenbeger

Manche von uns wünschen sich bis heute noch, sie hätten einen Brief aus Hogwarts bekommen. Doch unser studentischer Alltag sieht keine Magie vor. Die Realität hat ihren Zauber verloren. Vielleicht ist das der Grund, warum erwachsene Menschen freiwillig mit einem Besen zwischen den Beinen über ein Spielfeld rennen. Man kann es jedoch nur vermuten, denn in erster Linie handelt es sich bei Quidditch um eine Sportart.
20 Studenten treffen sich jeden Dienstagabend auf dem Kunstrasenplatz des USZ. In diesen Wintertagen flitzen die Teilnehmer der Gruppe dann im Flutlicht durch die Nacht. Nachdem der Hochschulsport den Kurs öffentlich machte, gab es unerwartet viele Anmeldungen. Damit möglichst alle mitmachen konnten, wurde die Zahl der Teilnehmerplätze aufgestockt. Es wird klar, was so viele hierher lockt: Ein bisschen Nerd sind sie alle. Und der Sport muss anscheinend eine starke Anziehungskraft haben, denn es lockt ziemlich viele sportfaule Bücherwürmer aufs Feld.

Nichts für Zart-Besaitete

Meist kommen genug Leute für ein Spiel zusammen. Zwei Mannschaften wetteifern dann darum, den Quaffel-Ball in die gegnerischen Ringe an den beiden Spielfeldenden zu werfen. Die Hüter versuchen dies zu verhindern. Währenddessen werfen die Jäger mit den Bällen namens Klatscher die gegnerischen Spieler ab. Um wieder ins Spiel zu gelangen, müssen diese dann die mannschaftseigenen Hüter abklatschen. Das klingt letztendlich nach einer ganz normalen Ballsportart, auch wenn die Spieler einiges ertragen müssen: Vollkontakt ist dabei keine Seltenheit und Metallsporen dürfen benutzt werden. Vom Deutschen Quidditchbund wird ein Mundschutz „wärmstens empfohlen“.
Der Schnatz ist im Gegenteil zu den anderen Spielelementen gar nicht gewöhnlich. Bereits im Roman wird die goldene Kugel häufig thematisiert. In seiner magischen Eigenwilligkeit ist der Schnatz im Buch kaum zu übertreffen. Das ist natürlich schwer ins echte Leben zu übertragen, deshalb übernimmt diese Rolle auch ein Mensch. Er oder sie  darf dem Sucher bis zu einer über das Feld hinausgehenden festgelegten Grenze entfliehen und austricksen. Dabei klettert er schon mal aufs Dach oder fährt mit dem Fahrrad übers Feld. Zugleich ist er so auch Animateur des Publikums. Deshalb sind auch Zuschauer während des Mannschaftstrainings der Jena Jobberknolls gerne gesehen. Die Gruppe ist nach einem blauen Vogel aus dem Roman benannt, der geräuschlos fliegt. Leicht zu vermuten, was sie sich damit zuschreiben wollen. Im Training erkennt man davon nichts: Die Teilnehmer haben lauthals Spaß. Vielleicht sind sie im Spiel dann besonders leise. Das können sie bei einem der Freundschaftsspiele beweisen, die sie veranstalten wollen.

Ideen von der letzten Party

Die beiden Trainerinnen erkennt man zwischen den Teilnehmenden nicht. Dennoch sieht man ihnen an, dass sie einer Mainstreamkultur nicht allzu schnell erliegen. Claire trägt ein künstliches Haarteil aus Dreadlocks auf dem Kopf. Als sie eine Harry-Potter-Party für eine Freundin ausrichteten, waren sie unter Einfluss von guter Laune und Alkohol darauf gekommen, die Sportart auch in Jena anzubieten. Sarah kannte diese bereits aus einem Erasmusjahr in England. Kurzerhand meldeten sie ihre Idee beim Hochschulsport an. Inspirationen für das Training bietet das Internet, wo man Mannschaftsseiten und eine Vielzahl von Youtube-Videos findet.
Denn international ist die Sportart deutlich populärer. Schnatz-Organisationen üben mit den Spielern ihre Aufgabe als Entertainer, auch in Europa. Im Januar findet die erste Deutsche Meisterschaft in Darmstadt statt. Die Weltmeisterschaft wird dieses Jahr in Deutschland veranstaltet, wurde kürzlich bekannt. Vielleicht finden dann mehr Menschen Gefallen an dem zauberhaften Sport. Wer eine Abwechslung zum permanenten Fußballhype sucht, wird hier jedenfalls fündig.

Zeichnung: Rahel Lopez

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