Frei, gleich, verfassungswidrig

FSU muss Wahlordnung überarbeiten

von Bernadette Mittermeier

Es war als optimale Lösung für alle gedacht: 2009 kam im Senat der Universität die Idee auf, Online-Wahlen einzuführen. Für die Wählerschaft sollte es einfacher werden, ihre Stimme abzugeben. Die Universität wollte die Wahlbeteiligung erhöhen, die zuletzt bei mageren 13 Prozent gelegen hatte. Zudem sollten Kosten gespart werden, pro stimmberechtigter Person mindestens 50 Cent – ein Betrag, der bei so vielen Beteiligten ins Gewicht fällt. Ein Testversuch bei der Wahl der Graduiertenakademie 2010 war ein Erfolg. Als dann jedoch zwei Jahre später die Online-Wahl für alle universitären Gremien eingeführt werden sollte, begannen die Probleme.

Mangelnde Transparenz

Beim ersten Versuch wurden die falschen virtuellen Stimmzettel verwendet, die Wahl musste wiederholt werden. Marco Rüttger, Leiter des Wahlamts der Universität, spricht von einem „rein menschlichen Fehler“. Dennoch wurde Kritik am Online-System laut. Vor allem der Studierendenrat hatte schon zuvor Zweifel an der digitalen Wahl, in denen er sich jetzt bestätigt sieht. Sechs Studierende, Mitglieder des Senats und des Stura, klagten gegen die Universität. „Die Durchführung einer Wahl an einer Hochschule nach Prinzipien, die mit der Verfassung nicht vereinbar sind, ist auch nicht vorübergehend hinzunehmen“, heißt es im Antrag an das Thüringer Oberverwaltungsgericht. Was damit gemeint ist, erklärt Enrico Schurmann, ehemaliges Stura-Mitglied, näher. Er hat sich an dem Antrag beteiligt, weil er die demokratischen Grundsätze in der aktuellen Ordnung zu Online-Wahlen der Universität nicht gewahrt sieht. „Es ist wichtig, dass alle das Verfahren in seiner Komplexität verstehen können. Bei einem Online-Verfahren ist das nicht gegeben. Ein normaler Wähler kann nicht nachvollziehen, wie die Auszählung abläuft und das Ergebnis erfasst wird.“ Das Öffentlichkeitsprinzip sei somit nicht gewährleistet.

Neue Wahlordnung

Das Gericht gab den Klägern Recht. Die aktuellen Regelungen seien unzureichend, hieß es in der Urteilsverkündung am 30. Juni. Allgemein sei an Online-Wahlen im akademischen Umfeld allerdings nichts auszusetzen. Erstaunlicherweise ist das Urteil für beide Seiten akzeptabel. „Fürs Erste sind wir zufrieden“, meint Christopher Johne, ein weiterer Kläger. Online-Wahlen stehe er zwar nach wie vor prinzipiell skeptisch gegenüber, die Forderungen des Gerichts nach mehr Transparenz und Öffentlichkeit seien aber ganz im Sinne des Antrags. Auch die Universität zeigt sich einverstanden. „Ich bewerte dieses Urteil positiver als es zunächst klingt“, bestätigt Stefan Danz vom Rechtsamt.
Am 18. Juni wird auf der Senatssitzung eine neue Wahlordnung vorgestellt werden. „Die Wahlgrundsätze werden jetzt auch verschriftlicht. Dass sie gelten, war uns davor auch schon klar. Wir werden in die Ordnung jetzt ausführlich aufnehmen, wie diese Bedingungen zu beachten sind.“ Das Ergebnis wird nun beispielsweise nach Beendigung der Wahl öffentlich einsehbar sein. Auch die Auszählung selbst wird detaillierter festgeschrieben. Vollständige Transparenz sei dadurch allerdings noch nicht gesichert, wie Danz zugibt: „Der Grundsatz der Nachprüfbarkeit kann bei Universitätswahlen eingeschränkt werden. Die Kompetenzen eines akademischen Gremiums sind mit denen eines Parlaments nicht vergleichbar.“ Planmäßig soll die Online-Wahl vor Ende der Vorlesungszeit dieses Semesters stattfinden, also vor dem 30. September.

Zukunftsprojekt: digitale Stura-Wahlen
Für Stura-Wahlen besteht bisher noch nicht die Möglichkeit, online die Stimme abzugeben. Die Gerichtsverhandlung betraf nur die Wahlen für die akademischen Gremien, wie zum Beispiel die des Senats und der Fakultätsräte. Im Gegensatz zur Universität weigert sich der Stura bis jetzt, Online-Wahlen in seine Ordnung aufzunehmen. Zwar sprach sich 2012 in einer Urabstimmung eine deutliche Mehrheit von rund 82 Prozent der teilnehmenden Studierenden für Online-Wahlen aus. Allerdings hatten schon vor der Abstimmung viele Mitglieder des Stura verfassungsrechtliche Bedenken, wie aus den Sitzungsprotokollen hervorgeht. Das Ergebnis der Urabstimmung wurde darum bis heute nicht umgesetzt.
Danz von der Rechtsabteilung hält dies für äußerst fraglich: „Der Studierendenrat hat jetzt die Pflicht, sich der Demokratie zu stellen.“ Rüttger vom Wahlamt sieht das ähnlich. Er betont vor allem die Vorteile, die gemeinsame Wahlen von Universität und Stura hätten. So könnten nicht nur Kosten gespart, sondern auch die Beteiligung erhöht werden – was ja das ursprüngliche Ziel war. Es gebe jetzt keine Argumente mehr gegen eine Aufnahme der Online-Wahlen in die Ordnung.
Christopher versichert, man nehme den Willen der Studierendenschaft ernst. „Wir werden allerdings erstmal die neue Ausgestaltung der Wahlordnung durch die Universität abwarten, bevor wir unsere Wahlordnung ändern.“

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