Ein Traum von Ilmenau

Die anstehende Stura-Wahl

von Benjamin Schmidt

IMG_3558-Bearbeitet_wpFoto: Daniel Hofmann

Nach der Stura-Wahl im Juni wird sich das Gremium radikal ändern. Zur Urne drängt es wohl dennoch kaum einen. 10,4 Prozent betrug die Wahlbeteiligung an der FSU im Jahr 2012.
Eine Verbesserung wird von den Wenigsten erwartet. Nach den in Thüringen sonst unerreichten 21,2 Prozent der TU Ilmenau kann man sich nur sehnen.
Dennoch zahlen Wähler wie Nichtwähler Jahr für Jahr 14 Euro an ihre studentischen Vertreter.
Etwa 300.000 Euro im Jahr stehen dadurch zur Verfügung. Wer soll diesen Betrag in Zukunft wofür nutzen?

Das allgemeine Desinteresse an der Stura-Wahl könnte kaum größer sein und erreicht dieses Jahr vielleicht einen neuen Höhepunkt: An der Biologisch-Pharmazeuti-schen und der Physikalisch-Astronomischen Fakultät stellen sich nicht einmal mehr Kandidaten auf. Die für sie vorgesehenen Sitze im Gremium werden daher unbesetzt bleiben. „Und dennoch“, meint Johannes Struzek, aktuelles Mitglied des Vorstands, „wird es, selbst wenn nur 300 Leute wählen gehen, einen Studierendenrat geben“. Die geringe Anzahl von Studenten an den Wahlurnen hänge damit zusammen, dass viele mit der Situation des Stura und der Interessenvertretung zufrieden seien. Nach dieser reichlich selbstdienenden Definition stimmt also jeder, der nicht wählen geht, dem bestehenden Zustand zu.
In Wirklichkeit steht einer größeren Wahlbeteiligung einiges im Wege. Es fehlt dank Geldmangels an Wahlwerbung und allgemein an Informationen, wofür die Vielzahl an Kandidaten und Listen im Einzelnen stehen. Darüber hinaus sind die genauen Aufgaben des Stura den meisten Studenten kaum bekannt. Ohne dieses Wissen wird, ob zufrieden oder unzufrieden, kaum gewählt werden.

Quo Vadis

Dabei steht ein deutlicher Umbruch an, denn ein großer Teil des jetzigen Gremiums stellt sich aus verschiedenen Gründen nicht wieder zur Wahl. Stur-A-ktiv, die bestimmende Liste der letzten Jahre, existiert nicht mehr. Dexter Douglas* sieht darin eine Möglichkeit, „alte Strukturen aufzubrechen und einer pragmatischen Hochschulpolitik eine Chance zu bieten.“ Dexter ist Mitglied des Stura-Watch-Blogs, der die Stura-Arbeit kritisch verfolgt und davon berichtet.
Doch das breit gefächerte Spektrum an politischen Ausrichtungen von der Emanzipatorischen Linken Liste (ELLI) bis zum Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) birgt auch eine gewisse Gefahr. Je geringer die Wahlbeteiligung, desto leichter wird es für eine kleine Gruppe, den Stura politisch in eine Richtung zu drängen, die der Mehrheit der Studenten in Jena kaum entspricht.
Nur ein von einer möglichst breiten Masse gewähltes Gremium kann letztlich die Interessen der gesamten Studentenschaft widerspiegeln. Völlig gleich, ob es dann auf die Vormachtstellung einer einzelnen Liste jedweder Ausrichtung oder auf einen einigermaßen paritätisch besetzten Stura hinausläuft. Eine Bestätigung des Status Quo durch Nichtwahl ist in diesem Jahr nicht möglich. Auf die eine oder andere Weise wird sich die Lage verschieben.

Alte Aufgaben, neue Ziele

Die Aufgaben der dann neu gewählten Vertreter gliedern sich in zwei Bereiche. Zum Einen werden Traditionsprojekte wie Cinebeats, das Eulenfreunde-Festival oder das Dschungelbuch zweifelsohne auch weiterhin betrieben und gefördert. Auch Campusradio und Akrützel wird das Gremium wohl nach wie vor finanzieren. Dauerprobleme wie Wohnraummangel und Konflikte mit dem BAföG-Amt beschäftigen Studenten und ihre Vertreter seit Jahren und bleiben weiterhin Schwerpunkte. Auf der anderen Seite werden die neuen Mitglieder mit Sicherheit eigene Projekte einbringen, welche durch die Referate und Arbeitskreise des Stura umgesetzt werden sollen.
Wer auch immer im neuen Stura sitzen wird, wird sich zudem weiterhin mit dem Thema Online-Wahlen und darüber hinaus mit einer ganzen Anzahl von Urabstimmungsbeschlüssen auseinandersetzen müssen, da deren Umsetzung sich teils über Jahre verschleppt hat.

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
„Die Besonderheit am Jenaer Stura ist natürlich, dass er fast die Hälfte der Studierenden in Thüringen vertritt“, meint Christian Schaft, Sprecher der Konferenz Thüringer Studierendenschaften (KTS). Häufig würden in Jena Themen wie beispielsweise die Klage gegen Online-Wahlen angepackt, welche landesweit relevant seien. Dieser positiven Außenwirkung der Stura-Arbeit steht jedoch eine überwiegend negative Sicht auf das Gremium vonseiten der Jenaer Studenten gegenüber. Grund hierfür sind vor allem die langwierigen und bürokratiedominierten Stura-Sitzungen, die selbst viele gewählte Mitglieder noch während ihrer Amtszeit vergraulen.
Laut Anna-Luise Friedrich, einem ehemaligen Stura-Mitglied, liege dies aber auch daran, dass sich die Leute mit falschen Erwartungen zur Wahl stellen. „Man kann sich nicht auf Sitzungen begeben und darauf warten, dass einem etwas angeboten wird“, meint sie, „man muss selbst etwas machen“. Darüber hinaus „gibt es Listen, die seit Jahren Dinge fordern wie ‚längere Bibliotheks-Öffnungszeiten‛ oder ‚Bachelor abschaffen‛, aber in dieser Richtung nichts gemacht haben, weil es nicht umsetzbar ist. Dennoch gehen sie jedes Jahr wieder mit demselben Slogan auf Stimmfang.“
Für eine sachliche Arbeit sind rationalere Wahlversprechen ebenso erforderlich wie ein besserer Umgang der Gremien untereinander. So bemängelt insbesondere die FSR-Kom als vereinigte Stimme der Fachschaften die fehlende Bereitschaft des Stura zur Zusammenarbeit. Ende 2012 beteiligte sich die Sprecherin des FSR-Kom Annie Srowig zur Verbesserung der Kommunikation mit regelmäßigen Berichten an Stura-Sitzungen. Dieser Versuch scheiterte am wahrgenommenen Desinteresse des Gremiums. Vor diesem Hintergrund wünscht sich Annie „mehr Pragmatismus und weniger Ideologie im Stura“.

Kein Geld für Nichts

Ein pragmatischer Ansatz ist angesichts der angespannten Finanzlage auch bei den Haushaltsverhandlungen notwendig. Der Stura muss im Haushalt 2014 gegenüber diesem Jahr etwa 30.000 Euro einsparen.
Vor allem in Anbetracht der erheblichen Kürzungen der letzten Jahre stellt sich die Frage, an welchen Stellen dieses Geld gestrichen werden soll. Denn von den rund 440.000 Euro des Etats sind große Teile fest gebunden. Weder die Personalkosten, die mehr als ein Viertel der Gesamtausgaben ausmachen, noch die Gelder der Campusmedien lassen sich ohne Weiteres verringern.
Darüber hinaus gibt es Posten, welche nur ab einer bestimmten Größe sinnvoll sind. So sind 8.000 Euro für Rechtshilfe bei Klagen von Studenten gegen die Universität vorgesehen. „Wenn wir das verringern“, meint Johannes, „fängt die Hochschule doch an zu lachen und sagt, dass man damit nicht einmal die erste Instanz bezahlen kann“. Dass die Rechtshilfe oder Projekte wie die Prüfungsberatung aber gestrichen werden, ist wenig wahrscheinlich und wäre sicherlich auch nicht im Sinne der Studenten. Vor diesem Hintergrund ist ein Potential für neue Ausgaben laut Peter Held, dem Haushaltsverantwortlichen des Stura, nicht vorhanden.

Fundgrube Fachschaftsmittel

Der Stura wollte, um die massiven Kürzungen der letzten Jahre zu vermeiden, die Semesterbeiträge der Studenten von sieben auf acht Euro erhöhen. Rektor Klaus Dicke lehnt diese Erhöhung bisher ab. Den Kern des Widerspruchs von Prof. Dicke sieht Peter vor allem in den hohen Rücklagen der Fachschaften. Hier gibt es angesparte Gelder, die ihre jährlichen Zuweisungen von etwa 85.000 Euro weit überschreiten. Nur wenn dieser Überschuss abgeschmolzen wird, scheint eine Beitragserhöhung durchsetzbar. Im Gespräch mit dem Akrützel (ab Seite 9 dieser Ausgabe) hat jedoch kein Repräsentant der zur Wahl stehenden Listen einen Einschnitt bei den Fachschaften in Erwägung gezogen. Letztlich müssen sich alle zur Wahl stehenden Kandidaten fragen, wovon etablierte und neue Projekte bezahlt werden können. Wird trotz der bisherigen Wahlaussagen nach den Geldern der Fachschaften gegriffen? Sollen Personalkosten gekürzt werden? Oder streicht man wie bisher Gelder für Arbeitskreise und Projekte und beschneidet damit das Potential für inhaltliche Arbeit noch weiter?

Lobby der Studenten

Der Stura vertritt die Studenten in allen Notlagen. Wenn er auch in Normalsituationen nicht sonderlich wahrgenommen wird: Wo es brennt, ist er oft da. Beim Studentenstreik, bei Konflikten mit der Uni, dem Prüfungsamt, der BAföG-Behörde. Es ist wichtig, dass er die Ansichten der Studenten widerspiegelt. Dazu ist eine Wahlbeteiligung von unter zehn Prozent nicht genug. Die Zielvorgabe ist in diesem Jahr 21,3 Prozent. Ilmenau muss zu schlagen sein.

* Artikel auf dem Stura-Watch-Blog  werden unter Pseudonym veröffentlicht.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen