Politischer Akt

Fotoausstellung sorgt für Streit

von Bernadette Mittermeier

Wann immer Kunst und Politik aufeinandertreffen, kochen die Gefühle hoch. Die letzte Fotoausstellung in der Cafeteria in der Carl-Zeiss-Straße ist ein Musterbeispiel dafür. Vom 13. April bis zum 24. Mai hingen hier Aktporträts des Hobbyfotografen Rainer Koch. Die Bilder zeigten junge Frauen, die dem gängigen Schönheitsideal entsprechen – ein Ärgernis für alle, die auf alternativer Körperformen und Geschlechterkonzepte hinweisen möchten. Darum folgte, kaum hingen die Fotografien ein paar Tage, eine Reaktion: Es wurden Bilder aus dem Internet hinzugefügt, die unter anderem übergewichtige, körperlich behinderte und ältere Menschen zeigen, sowie Personen mit sowohl Brüsten als auch Penis.

Verantwortlich für die Gegenausstellung ist eine Gruppe von Leuten, die sich selbst als „das Kuratorium“ bezeichnet. Entgegen anfänglicher Fehlinformationen sind aber weder der Stura, noch das Antisexistisches Abkommen Thüringen, kurz AMT, oder das Gleichstellungsreferat offiziell involviert. Das Referat leitet lediglich Kommentare an das Kuratorium weiter.
Die Ausstellungsfläche gehört dem Fotoclub UNIFOK der Universität Jena. Claus Rose vom Vorstand zeigte sich sehr verärgert über die zusätzlichen Fotos: „Es stört uns sehr, wenn jemand Einfluss auf eine bestehende Ausstellung nimmt. Vor allem, wenn das auch noch anonym geschieht.“ Ihn mache nicht nur die Vorgehensweise wütend, sondern auch die Aussage: „Es ist in der Fotografie üblich, dass man das Schöne in der Welt zeigt. Das heißt dann aber nicht, dass man Leute, die nicht so aussehen wie die Bilder es vorgeben, diskriminieren will.“ Ein Fotograf könne nicht immer alles präsentieren: „Sonst könnten wir genauso gut bei einer Ausstellung, bei der es um Landschaften geht, verrottete Ziegelsteine dazwischen hängen.“ Um Einmischungen zukünftig zu verhindern, möchte UNIFOK neue Verträge mit der Universität schließen.

Einer hat von der ganzen Aufregung zunächst nichts mitbekommen: der Fotograf selbst. Er wurde erst durch Akrützel auf die Vorfälle aufmerksam gemacht. Rainer Koch ist ein Gentleman der alten Schule, der Damen galant den Stuhl zurückschiebt und darauf besteht, die Kaffee-Rechnung zu übernehmen. Die Kritik an seinen Werken kann er nicht ganz nachvollziehen: „Diese Fotos haben nichts mit meinen zu tun. Die sollen mich mit ihren Stereotypen in Ruhe lassen.“ Koch ist der Ansicht, dass die AktivistInnen ebenfalls in Schubladen denken: Für diese sei jede Ausstellung, die nur Frauen zeigt, gleich sexistisch. „Ich würde ja gerne öfter Männer fotografieren oder alte Menschen, aber es gibt nun mal mehr junge, weibliche Models. Fotografie ist nur mein Hobby, ich habe keine Zeit, aufwändig nach anderen Personen zu suchen.“
Für einen Künstler, der für sich als Anspruch formuliert, „sich kreativ mit Menschen und ausgefallenen Materialen auseinanderzusetzen“, gilt diese Rechtfertigung nur begrenzt. Ziel des Kuratoriums war es aber nicht, „einen einzelnen Fotografen zu bekehren“, wie Anna* erklärt. Sie hat, zusammen mit anderen, die ersten Fotografien der Gegenausstellung aufgehängt. Die Aktion soll vielmehr auf ein allgemeines Problem hinweisen: „Wir wollen die Norm kritisieren, in der nur hübsche, gesunde, weiße Frauen abbildungswürdig sind.“ Diese sei so verbreitet, dass kaum jemand noch mit Irritation reagiere, wenn nackte Frauen in der Cafeteria ausgestellt werden. Fotos, die Trans-Menschen zeigen, seien dagegen für die meisten schockierend: „ Wir haben zwar viele positive Reaktionen bekommen, für einige waren aber zum Beispiel die Fotos von Trans-Menschen schockierend. Unsere Bilder sind nicht das, was normalerweise zu sehen ist, vor allem, wenn es um Erotik geht. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen trotz anfänglicher Irritation die Bilder genauer ansehen und sich mit dem Unbekannten vertraut machen.“

Die Kritik des Kuratoriums ist nicht unbegründet: tatsächlich reiht sich die UNIFOK-Ausstellung in die endlose Reihe erotischer Porträts halbnackter Frauen ein, die nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Werbung eine dominierende Rolle spielen. Trotzdem ist das Vorgehen der Gruppe fragwürdig. Durch die aggressive Maßnahme der AktivistInnen ist die Chance auf einen konstruktiven Dialog, und somit auf mehr Verständnis und Toleranz, deutlich gesunken. Und das, obwohl beide Seiten nicht müde werden zu beteuern, wie sehr sie sich eine offene Debatte wünschen. Claus Rose von UNIFOK könnte sich eine öffentliche Gesprächsrunde mit allen Beteiligten vorstellen. So verhärtet, wie die Fronten derzeit sind, ist eine nutzbringende Diskussion aber so gut wie ausgeschlossen.

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