Kurze Filme kurz besprochen

Von Dirk Hertrampf

Nicht süß, sondern bitter
„Suiker (Sugar)“ von Jeroen Annokkee

Eine Geschichte, die nur am Ende beginnen kann: beim Gerichtsmediziner.
Eine hübsche junge Frau im Negligé bittet ihren jungen Nachbarn um Zucker. Einen Treppensturz und eine aufgebrochene Tür später sind beide tot und das Publikum wird Tränen gelacht haben. Die Tragik liegt darin, dass es zu jedem Zeitpunkt mehr weiß als der Tollpatsch mit Pietät, der nur versucht alles richtig zu machen.

Fleischeslust
„Charly das Reh“ von Christian Hippchen

Ein Blutwurst-Reh läuft Amok. Der Kurzfilm als verspielt-infantiles Fanal, das all den Mutterweisheiten à la „Du sollst nicht mit dem Essen spielen“ eine psychedelische Absage erteilt. Wenn alle aus Wurst sind, gerät die Handlung zur Staffage. Und am Ende wurde schon wieder über den Tod gelacht.

Von Versuch und Versuchung
„Opowiesci z chlodni (Frozen Stories)“ von Grzegorz Jaroszuk

Zwei Kühlhausangestellte, die nichts wollen außer ihrer Ruhe. Und auch das nur halbherzig. Kein Liebesfilm, sondern die Geschichte zweier, die erkannt haben, dass der Versuch, im Leben etwas zu erreichen, nur eine böse Illusion ist. Am Ende lächeln sie doch. Selten hat eine so herzerwärmende Kritik am Umgang mit Unglück so viel Gänsehaut ausgelöst. Und mit den Erwartungen des Zuschauers gespielt.

 

Von Hauke Rehr

dem höheren Ziel unterworfen
Aus eigener Kraft zu erreichen, was außerhalb der Erfahrung und Möglichkeiten liegt, reicht der Glauben an das kannibalische Prinzip nicht hin. Dieser Erkenntnis muß sich auch der Müller der Fly mill (Anu-Laura Tuttelberg) stellen, der schließlich einen Ausweg finden und ausbrechen wird aus dem scheinbar starren Kreislauf der alltäglichen Gefangenschaft. Das ewige „think positive“ hat erst durch ein „act positive“ ersetzt zu werden. Möglich ist das immer, denn wo ein Wille, da ein Weg. So kann aus einem resignativen „das Beste daraus machen“ ein konstruktives „etwas Gutes daraus machen“ werden.

heimgesucht von der Suche nach Heimat
Die Abstraktion wird selten so spielerisch gemeistert wie im Märchen. Homage to Slumberland (Margarita Leonore Göbel) erzählt vom Werden und Vergehen, vom Erblühen und Verwelken im Fluß der Zeit und des Lebens. Hintergründiges Thema und betrübendes Fazit: Das einsame Sehnen bleibt. Zum Dahinschmelzen!

den unreflektierten eigenen Werten ausgeliefert
Eine junge Frau allein zu Hause. Wie ist dieses Mädchen aufgewachsen? „Behütet“, nicht geborgen. Das Umfeld „besorgt“, anstatt „Sorge zu tragen“. Man fragt „Was willst Du?“, nicht „Was brauchst Du?“ So bleibt das Individuum um sein leeres Selbst zentriert, es fehlen neben den namensgebenden Photos von diesem Nichts, dessen sie sich als eines Etwas vergewissern muß, nur die Blogblasen der Selbstverlorenheit.
Die sterile Umgebung, das unterbewußte Wissen um den Makel der mangelnden Rechtfertigung gebiert eine Unsicherheit, die sich zum Verfolgungswahn auswächst. Schuld daran trägt nicht zuletzt die Unfähigkeit, sich aus dieser Situation zu befreien, in die hineingeboren zu sein schon der bewußten Entscheidung gebricht.
Angesichts dieser Inszenierung des Fluchs des Überflusses bleibt die Frage „Was braucht der Mensch?“, die Tolstoi schon sinnreich „beackert“ hat. Foto (Ismael Ferrer) ist eine gelungene erschreckende Darstellung der Leere in der Fülle. Schade nur, daß viele diesen Schrecken wohl eher als Entertainment denn als Ermahnung wahrnehmen.

Allgemein

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