Hinsetzen statt ausharren

Proteste gegen das Nazi-Festival „Rock für Deutschland“

Von Johanne Bischoff

Gegendemonstranten in Gera

Auch wenn die Blockaden in den vergangenen Jahren das Festival nicht verhindern konnten, gingen immerhin dessen Besucherzahlen zurück.
Foto: Aktionsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Jena

Gera hat ein Problem. Ein menschenverachtendes, lautes und braunes. Seit fast zehn Jahren pilgern Neonazis immer im Hochsommer in die Stadt, um sich beim Festival „Rock für Deutschland“, wie es seit 2005 heißt, in ihrer Gesinnung auch auf musikalischer Ebene bestätigen zu lassen. Die Besucherzahlen erreichten 2009 ihren Höhepunkt, als der ehemalige Landser-Sänger Michael Regener auftrat und ihm 5.000 Anhänger lauschten.

Am 7. Juli wird es wieder so weit sein – rechte Bands mit obskuren Namen wie „Oidoxie“ und „Tätervolk“ dürfen ihre hasserfüllten Texte grölen und Redner wie Udo Voigt und Patrick Wieschke, beide von der NPD, werden ihre verqueren Gedanken in die Menge säen. Sandro Witt vom DGB, Sprecher des thüringenweiten Bündnisses gegen Rechts, hat sich mit seinen Mitstreitern langfristig vorgenommen das zu verhindern. Kurzfristig realistischer ist jedoch ein anderes Ziel: „Am Ende wollen wir in Ruf- und Hörweite der Nazis kommen. Wir haben keinen Bock darauf, auf der anderen Seite der Weißen Elster zu stehen und Bratwurst zu essen. Als Bündnis wollen wir ganz klar Stellung beziehen.“ Was Geras Problem noch verschärft, ist, dass es von vielen nicht als solches wahrgenommen wird. Die Bürger selbst beteiligten sich in den vergangenen Jahren nämlich verhältnismäßig wenig an den Protesten – erst recht nicht an den Blockaden. Sandro Witt hat schon erlebt, dass Bürger Menschen, die gegen Rechts vorgehen, anpöbeln. „Ein Großteil der Bevölkerung ignoriert das Nazifest. Sie sind nicht daran interessiert etwas dagegen zu machen“, fügt er hinzu.Darum versuche man die Bevölkerung kontinuierlich für das Thema zu sensibilisieren, erklärt Melanie Siebelist, die auch als Sprecherin für das Bündnis aktiv ist: „Das Problem ist, dass zu unseren Veranstaltungen vorwiegend Menschen kommen, die sich sowieso dafür interessieren und eben nicht die, die wir erreichen müssen – Menschen mit fremdenfeindlichen Einstellungen.“ Eine weitere Schwierigkeit sei das Stereotyp, dass die Gegendemonstranten und Blockierer keine Demokraten, sondern irgendwelche Linksextremisten seien, die nur zum Steinewerfen und Barrikadenanzünden kommen. „Dagegen vorzugehen ist wirklich schwierig“, sagt Siebelist.

Demo gegen Rechtspopulismus

Obwohl man schon auf einige Blockadeerfahrungen aus den vergangenen Jahren zurückblicken kann, hat sich das Bündnis für den 7. Juli auf die Protestform einer Großdemo geeinigt. „Wir wollen uns damit an die Mitte der Gesellschaft wenden“, erklärt Sandro Witt diese Entscheidung. Trotzdem wolle man den Weg für spontane Aktionen nicht verbauen: „Wenn man an dem Tag mit 300 Leuten steht, kann man einfach nicht blockieren. Wir rufen dazu nicht direkt auf, aber ausschließen wollen wir das auf keinen Fall.“ Auch das Aktionsnetzwerk gegen Rechts aus Jena ist im thüringenweiten Bündnis vertreten. Hagen Reißig, einer der Jenaer Aktivisten, bedauert es zwar, dass sich das sonst verfolgte Blockadekonzept nicht durchgesetzt hat, hofft aber, dass trotzdem viele Jenaer mit nach Gera fahren, um ihre Meinung gegen Rechts kundzutun: „Wir werden zur Demo mobilisieren und noch die Zeit für die Abfahrt nach Gera kommunizieren.“In Gera hat der Stadtrat in der Zwischenzeit eine eher zweifelhafte Maßnahme ergriffen: Drei Plätze in der Stadt – die Spielwiese, auf der in den vergangenen Jahren das Rechtsrockfestival stattgefunden hat, der Platz der Demokratie und der Ernst-Thälmann-Platz – wurden mithilfe einer Grünflächensatzungsänderung zur politikfreien Zone erklärt. „Das ist ein extremer Rückschritt. Als Aktionsbündnis Gera gegen Rechts haben wir das auch massiv kritisiert. Wir sind der Ansicht, dass es keine Lösung gegen Nazis ist, wenn man Räume für Demokraten so beschränkt“, stellt Melanie Siebelist klar. Sie vermutet hinter der Idee puren Aktionismus mit der Hoffnung auf einen schnellen Erfolg. Dass sich dieser nicht zwangsläufig einstellt, macht Siebelist deutlich: „Wenn die NPD gegen diesen Beschluss vorgeht, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass sie Recht bekommt. Das Grundgesetz und das Recht auf Versammlungsfreiheit wiegen am Ende mit Sicherheit mehr.“ Bleibt zu hoffen, dass die geplante Demonstration den Geraer Bürgern die Augen öffnet und sie im nächsten Jahr den Mut aufbringen, sich auf die Straße zu setzen.

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