Jena, ick liebe Dir

Teil 17: Geliebte Hässlichkeit

Von Susanne Veil



Nur ohne Palmen: Ein Hauch Miami in Thüringen.
Foto: Christoph Worsch

Wenn sich die glitzernde Autokolonne nachts, rechts rot und links golden, auf mächtige Neubaublöcke zuschlängelt und deren Hässlichkeit mich mit Tempo 100 förmlich anspringt, dann komme ich erst richtig an.

Als ich daheim erzählte, ich wolle in Jena studieren, war die Reaktion folgende: „Ja, schön, aber nimm bei deinem ersten Besuch nicht die Autobahnabfahrt von Westen Richtung Lobeda!“ Ohne verstanden zu haben, was genau das Problem sein sollte, machte ich mich auf den Weg zur Stippvisite und nahm trotz der Warnung eben diese Ausfahrt nach Jena. Der Anblick war tatsächlich einschüchternd: Die Plattenbauten türmen sich vor der Windschutzscheibe auf, sechs Spuren Asphalt führen direkt auf sie zu und plötzlich verschluckt mich die Schwärze des Autobahntunnels. Die Vorhersage „Danach ist es eigentlich ganz hübsch“ unseres ortskundigen Informanten versprach Besserung. Doch schon jetzt war ich von diesem Anblick restlos – begeistert. Was mich entzückte, war dieses eindrucksvolle Gegenteil von schön. Man kann mir Voyeurismus vorwerfen, meinetwegen. Mag ich doch das Panorama Lobedas anschauen und in Jena-West wohnen. Aber dennoch ist es diese Aussicht, die heute in meinem Magen das wohlige Gefühl des Ankommens erzeugt. Besonders bei Dunkelheit ist es ein erhebender Anblick, die funkelnde Autokolonne direkt auf die beleuchteten, fast heimelig wirkenden Plattenbauten zusteuern zu sehen. „Daheim“ bedeutet Stuttgart und das heißt, ich weiß mit einem schlechten Image umzugehen. Sei es der verrufene schwäbische Spießbürger oder der vor Hässlichkeit strotzende erste Eindruck der Saalestadt: So etwas verbreitet sich nicht von allein und will gepflegt werden. Nicht auszudenken, was passiert, wenn alle Welt herausfindet, dass gerade die verrufenen Ecken sehr schön sind. Ist der Hollywood-Schriftzug „Paradies“ für die Lobedaer Berge eigentlich noch im Gespräch?

Allgemein

Eine Antwort auf Jena, ick liebe Dir

  • Akrützel, ick hasse dir.
    Diese Mischung aus “Probiers mal mit Gemütlichkeit” und Pennälerprosa, die einem mit jedem Attribut nur eins zu vermitteln weiß, nämlich: Wir wolln mal für DIE ZEIT schreiben , geht uns gehörig auf den Zeiger. Bitte aufhören!

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