„VPW wird hart!“

Der Powi-FSR kritisiert den Lehrstuhl von Professor Hilpert

Hält sich gerne außerhalb der Uni auf: Professor Hilpert.
Hält sich gerne außerhalb der Uni auf: Professor Hilpert. Zeichnung: Martin Emberger.

Wenn Aristoteles als philosophische Allzweckwaffe von den Bedingungen am Jenaer Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft von Prof. Ulrich Hilpert wüsste, würde er sich vermutlich die Haare raufen, denn die Wurzeln dieses Fachbereichs reichen bis in die komparatistische Tradition der Antike zurück. Aristoteles gehörte zu den Philosophen, die damals die ersten Schritte zur „Königsdisziplin“ der Politikwissenschaft gingen. Die Zustände am Lehrstuhl ließen jedoch in der Vergangenheit kaum einen Politik-Studenten vor Ehrfurcht erstarren. Entsetzen trifft es wohl eher. Das zeigt sich an der Vielzahl von Beschwerden, die im Laufe des vergangenen Wintersemesters beim Fachschaftsrat Politikwissenschaft eingingen und durch die er sich genötigt sah, einen offenen Brief zur Problematik an Hilperts Lehrstuhl zu verfassen.
Das am 23. April veröffentliche Schriftstück kritisiert vor allem die Personalauswahl, die Qualität der Lehre und die Atmosphäre in den Lehrveranstaltungen. „Beschwerden gibt es schon seit Jahren, aber noch nie so viele wie im vergangenen Semester“, erinnert sich Sascha Diener, Vorsitzender des FSR. Er bemängelt, dass die meisten der Lehrpersonen nicht dazu fähig seien eine Grundlagenveranstaltung zu leiten. Zum Beispiel habe sich ein Lehrender noch genauso im Studium befunden wie seine Studenten. Ferner könnten fachliche Fragen oft nicht beantwortet werden. „Außerdem gibt es Referatsgruppen mit zehn Personen, die den anderen Teilnehmern Basiswissen vermitteln sollen. Studenten vermitteln Studenten Grundlagen, das muss man sich mal vor Augen führen“, fasst Sascha einige der zahlreichen Kritikpunkte zusammen. „In diesem Jahr fielen etwa 50 Prozent durch den ersten Versuch, ungefähr 25 Prozent aller Studenten haben auch beim zweiten Mal nicht bestanden oder das Modul abgebrochen“, schätzt er.
Die Hürden der zweifelhaften Prüfungsstrategie und ihre Konsequenzen werden im Gespräch mit Betroffenen deutlich. Tim* studiert Politikwissenschaft im vierten Semester. „In der zweiten Klausur mussten wir ein Forschungsdesign erstellen, und zwar so, dass man von mehreren Möglichkeiten die jeweils richtige Antwort ankreuzen sollte. Wir haben aber nie ein komplettes Forschungsdesign im Seminar besprochen“, beschreibt er seine Erfahrungen. Insgesamt besteht das Modul aus zwei Teilen. Die erste Veranstaltung setzt sich mit Methoden des Vergleichs auseinander und schließt mit einer Klausur vor Weihnachten ab. Der zweite Teil soll den Studenten die Erstellung eines kompletten Forschungsdesigns vermitteln und endet wieder mit einer Klausur. Beide Klausuren sind noch in zwei unterschiedliche Tests geteilt. Tim bestand alle Teilprüfungen außer der Erstellung des Forschungsdesigns, dort ist er zweimal durchgefallen: „Ich habe mir die Klausuren angesehen und es jeweils wegen eines falsch gesetzten Kreuzes nicht geschafft, denn die geben Minuspunkte. Nun steht mein Studium auf der Kippe.“

Alternative Uni Halle

Die Multiple-Choice-Methode mit nur einem gültigen Weg, besonders in Bezug auf ein komplexes Forschungsdesign, prangert der offene Brief ebenfalls an. Nach zwei Anläufen und mit nur noch einem offenen Versuch war Tim die Wiederholung des Moduls zu riskant. Zusammen mit einigen anderen Kommilitonen entdeckte er eine Alternative: ein ähnliches Modul an der Universität Halle.
Jenny* gehört ebenfalls zur Gruppe der Pendler. „Ich habe von der Möglichkeit gehört, das Modul dort zu machen, weil Jena, Leipzig und Halle einen Universitätsverbund bilden. Ich stellte einen Antrag und bin zugelassen worden“, schildert die Studentin. Jetzt fährt sie einmal in der Woche mit den anderen dorthin und besucht die Vorlesung.
Jenny absolvierte bis zum besagten Modul ihr Studium ohne Probleme. „Ich weiß noch, dass ich nach der ersten Veranstaltung einem Freund geschrieben habe: VPW wird hart“, berichtet sie. Ihre Vorahnung sollte sich bestätigen. Nachdem Jenny den ersten Teil des Moduls bestanden hatte, vergaß sie sich zum zweiten Teil anzumelden, der einer gesonderten Zulassung in Friedolin bedarf. „Natürlich war das mein Fehler, aber ich habe ein Referat gehalten und die Klausur mitgeschrieben. Dass ich nicht zugelassen bin, muss dem Dozenten schon vorher aufgefallen sein. Ich wurde jedoch erst bei der Einsichtnahme darauf aufmerksam gemacht, denn man hatte sich meine Klausur gar nicht erst angeschaut. Die Alternative war nur die Wiederholung des Moduls, da wusste ich sofort: Das tue ich mir nicht an.“
Doch was sagt eigentlich der Lehrstuhl zu den gesammelten Vorwürfen? Der schweigt – und zwar beharrlich. Ebenso wie Professor Hilpert nicht mit Studenten und der Fachschaft kommuniziert, zeigt er auch keine Gesprächsbereitschaft gegenüber dem Akrützel. E-Mails werden nicht beantwortet und das Sekretariat erteilt die Auskunft, Hilpert sei wahlweise krank gemeldet oder auf Dienstreise. Einer der Mitarbeiter verweist darauf, er sei nicht der Modulverantwortliche und deshalb könne er zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Auch das Argument, er gehöre schließlich zum Lehrpersonal, das in dem Brief kritisiert wird, hilft nichts. Die mangelnde Präsenz Hilperts und die von den Studenten oft als angespannt empfundene Arbeitsatmosphäre in den Veranstaltungen werfen ein zweifelhaftes Licht auf den Lehrstuhl.
Und so häufen sich die Fälle von Studenten, die entweder das Modul abgebrochen, oder zumindest einige Probleme mit den Prüfungsmodalitäten und Lehrpersonen haben. Maria* ging davon aus, sie hätte den Test zum politischen System Deutschlands, einen Teil der ersten Prüfung vor Weihnachten, bestanden. „Im Friedolin stand, dass ich bestanden habe, beim Aushang habe ich mich anscheinend verguckt, denn dort war vermerkt, ich sei durchgefallen“, resümiert Maria. Folgerichtig erschien sie nicht zur Nachschreibklausur, durch Zufall sah eine Freundin ihren Namen auf der Liste der Studenten im Zweitversuch. Auf Nachfrage bei ihrem Dozenten wurde Maria ans ASPA verwiesen. Das wiederum sah die Zuständigkeit bei Professor Hilpert.
Was folgte, war ein Hin und Her zwischen dem Lehrstuhl und dem Prüfungsamt, das ein ganzes Semester währte, ohne dass Maria die Gewissheit bekam, den Test noch einmal im regulären Zweitversuch wiederholen zu dürfen. Schließlich legte sie Widerspruch ein, dem der Prüfungsausschuss letztendlich stattgab. Die Zeit bis zu dieser Entscheidung kostete Maria allerdings Nerven, denn: „Der Fehler in Friedolin war schließlich nicht meine Schuld, trotzdem habe ich die Klausur des zweiten Teils mitgeschrieben, ohne zu wissen, ob ich das Modul nochmal wiederholen muss. Dabei wollte ich gleichzeitig mein Studium mit der Bachelor-Arbeit beenden.“ Die Odyssee endete damit, dass Maria den Test zur BRD gar nicht wiederholen musste, sondern durch Bestehen der andern Prüfungsteile die Modulpunkte angerechnet bekam.

Korrekturen nicht nachvollziehbar

Christian* seinerseits fiel zweimal durch den Test, doch auch die Einsichtnahme konnte ihm nicht helfen: „Ich bin aus der Korrektur nicht schlau geworden, es waren keine Fragen an die Lehrperson möglich und man versteht nicht, warum manche Antworten richtig und andere falsch sein sollen.“ Dabei handelt es sich um eine Tatsache, die alle Studenten bezüglich der Prüfungen beklagen: Die Korrektur wirkt willkürlich, Lösungen werden nicht erklärt und letztendlich scheint es Glückssache, ob man besteht. Die Bedingungen und Prüfungsmodalitäten des Moduls scheinen dringend einer Veränderung zu bedürfen.
Der Allgemeine Prüfungsausschuss und die Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften sind dafür zuständig und beschäftigen sich schon seit Längerem mit dem Problem. Einen Beschluss gibt es bisher allerdings nicht.
Der FSR fordert am Ende seines Briefes unter anderem eine Grundlagenvorlesung mit dazugehörigen Tutorien, die Präsenz von Herrn Hilpert sowie eine höhere Transparenz bei den Leistungsanforderungen. All dies wäre wünschenswert, damit in Zukunft nicht nur fünf bis maximal zehn Leute, die durchschnittliche Anzahl von Studenten, die VPW vertiefen, in den Vorlesungen sitzen. Dass sich die Missstände in mangelnder Resonanz niederschlagen, kann bei einem so wichtigen Modul nicht im Interesse der Studenten sein. Zumindest, wenn der eingangs erwähnte Anspruch der „Königsdisziplin“ der Politikwissenschaft an dieser Uni wirklich aufrecht erhalten werden soll.

* Namen von der Redaktion geändert.

Der Fachschaftsrat Politikwissenschaft hat mittlerweile eine Antwort von Professor Hilpert auf den offenen Brief erhalten und veröffentlicht.

Allgemein

Eine Antwort auf „VPW wird hart!“

  • Hallo liebes Akrützel-Team! wow, toller Artikel… gern hätt ich mal mit Eurem Zeichner, Martin Emberger, gesprochen. Ich hätt auch eine Zeichenidee – leider habe ich nicht das Talent dazu. Ich kann mit Worten beschreiben, wie es aussehen soll – aber eben nicht zeichnen. Also Martin, ich freu mich über eine Mail von dir! Ich bin auch wg. dieser vpw.Sache betroffen…. Schöne Grüße Angelika

Schreibe einen Kommentar

*