„Kein Unibetrieb ohne sie“

Ein Gespräch über Bedeutung und Arbeit studentischer Hilfskräfte

Marlene Langholz
Marlene Langholz. Foto: privat.

Marlene Langholz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich für Sozial- und Bildungsökonomie des Instituts für International Management an der Universität Flensburg. Zusammen mit dem ebenfalls in Flensburg ansässigen Professor Gerd Grözinger hat sie eine Untersuchung zur Situation studentischer Hilfskräfte in Deutschland durchgeführt. Mit Akrützel sprach Langholz über deren Aufgaben, die Zufriedenheit der studentischen Helfer und darüber, wie man an einen solchen Job kommt.

Womit beschäftigt sich Ihre Studie genau?
Es ging vor allem um bestimmte Ungleichheitsverhältnisse. Wir haben uns den bisherigen Vorschungsstand zu diesem Thema angeschaut und gesehen, dass der relativ spärlich ist.
Vor Kurzem sind wir dann noch auf eine großangelegte Studie von Schneikert und Lenger an der Universität Frankfurt zum Thema studentische Hilfskräfte gestoßen. Sie haben 4.000 Mitarbeiter befragt und da auch teilweise repräsentative Ergebnisse bekommen.
Das Problem bei dieser Studie ist, dass kein Vergleich möglich ist zwischen studentischen Mitarbeitern und dem Rest der Studierenden.

Welche Ergebnisse haben Sie erhalten? Gibt es Unterschiede in Bezug auf die Leistung?
Ja. Wir haben eine Analyse durchgeführt und konnten feststellen, dass die Wahrscheinlichkeit als studentische Hilfskraft zu arbeiten umso höher ist, je besser das Abitur ist.
Welche Aufgabenbereiche sollten studentische Hilfskräfte erfüllen?
Es gibt da eine problematische Tendenz: Studentische Hilfskräfte werden oft mit verwaltungstechnischen Aufgaben betreut. Das lässt sich sicherlich nicht immer vermeiden, aber es sollte doch im Zusammenhang mit Forschung und Lehre stehen. Wenn das nicht so ist, dann sind oft bestimmte Vorqualifikationen nötig.
Wenn zum Beispiel eine studentische Hilfskraft nur damit beschäftigt ist Webseiten zu betreuen oder Datenbanken aufzubauen, sind das eher Aufgaben, die nicht zu einer wissenschaftlichen Qualifikation führen. Es sollte aber die Aufgabe studentischer Mitarbeiter sein, Tätigkeiten zu übernehmen, die sie auch für eine wissenschaftliche Hochschulkarriere weiterqualifizieren.

Was haben die Hilfskräfte für eine Bedeutung für den Unibetrieb?
Sie haben eine große Bedeutung, da sie wichtige Tätigkeiten übernehmen und auch zahlenmäßig eine große Gruppe sind. Wir haben für die Unis im Wintersemester 2010/11 einen Anteil von 25 Prozent der Studenten, die sagen, daß sie als wissenschaftliche Hilfskraft arbeiten oder gearbeitet haben. Ohne sie würde der Unibetrieb nicht funktionieren.

Wird die Grenze zur Ausnutzung dabei oft überschritten?
Ja, das kann man schon so sagen. Es wurde auch in mehreren Studien erkärt, dass die Situation der studentischen Mitarbeiter schwierig ist, weil sie einerseits Studierende sind und andererseits Angestellte an der Universität. So geraten sie in einen Rollenkonflikt.

Kann man den Verdienst der Hilfskräfte als prekär bezeichnen?
Allein auf die Löhne bezogen würde ich die Tätigkeit nicht als prekär einstufen. Wenige Studenten führen allerdings wirklich Stundenzettel. Man kann also nicht immer sagen, wie viel tatsächlich gearbeitet wird.
Der durchschnittliche Stundenlohn liegt bei 8,84 Euro und der Großteil der studentischen Mitarbeiter verdient zwischen sieben und zehn Euro. Am schlechtesten werden die Hiwis in Thüringen bezahlt, dort liegt der Lohn bei 7,58 Euro. Das ist weit unter den von den Tarifbestimmungen empfohlenen 8,84 Euro. Im Vergleich zu Berlin besteht zum Thüringer Lohn ein signifikanter Unterschied: Da verdienen die studentischen Hilfskräfte 10,87 Euro die Stunde.
Masterstudierende haben außerdem durchschnittlich einen höheren Verdienst als Bachelorstudenten.

Gibt es auch in anderen Bereichen Schwierigkeiten, etwa bei der Vergabe der Stellen?
Lengers Studie sagt dazu, dass ungefähr 40 Prozent der Studenten durch direkte Ansprache rekrutiert werden, durch Ausschreibungen etwa 30 Prozent. Das führt dazu, dass es bestimmte Mechanismen der Diskriminierung gibt. Das konnten wir nicht statistisch nachweisen, aber wir vermuten, dass es eine Art der homosozialen Reproduktion gibt. Das heißt, dass männliche Professoren auch eher dazu neigen wiederum männliche Studierende als Hilfskraft anzunehmen.

Gibt es Versuche, die Situation der Hilfskräfte zu verbessern?
Es gibt Bestrebungen, diese Tätigkeiten mit ECTS-Punkten statt mit Geld zu entlohnen und als „Forschungspraktikum“ ins Studium zu integrieren. Da kann man aber auch kritisch argumentieren, dass die Uni versucht so Geld zu sparen. Andererseits sollte wissenschaftliches Arbeiten Teil des Studiums sein.
Trotzdem sollte es auch die bezahlte Tätigkeit als studentische Hilfskraft geben. Wenn man es auslagert und Leute das nur machen, weil sie es für einen einfachen Weg halten, um an Punkte zu kommen, sehe ich das problematisch.

Was könnte man stattdessen noch tun?
Man müsste das Ganze tarifvertraglich regeln. In Baden-Württemberg gibt es die Unterscheidung zwischen studentischen Hilfskräften und studentischen Beschäftigten. Letztere sind für Aufgaben in Verwaltung und Infrastruktur zuständig und werden nach geltendem Tarifrecht entlohnt, da sie sich nicht weiterqualifizieren und auch eine gewisse Vorqualifikation nötig ist.
Diese terminologische Unterscheidung macht klarer, worauf man sich einlässt. Studentische Hilfskraft ist ein Überbegriff, die Aufgaben sind nicht genau spezifiziert. Das führt auch dazu, dass studentische Hilfskräfte ausgenutzt werden und sie zum Beispiel Botengänge machen sollen.
Wir plädieren dafür, dass das auf Länderebene vertraglich geregelt wird. Es gibt ja zum Teil auch noch fakultätsweise Unterschiede. Wenn es nicht ins Landeshochschulgesetz aufgenommen wird, kann es zwischen den Unis Unterschiede geben.

Wie zufrieden sind die Hilfskräfte?
Die Zufriedenheit bei den studentischen Beschäftigten ist sehr hoch. Ungefähr 90 Prozent sagen, sie seien zufrieden oder sehr zufrieden. Es scheint schon eine große Rolle zu spielen, dass man gar nicht so sehr auf das Geld schaut, sondern andere Erwartungen hat. Das macht allerdings auch die Ausbeutung leichter. Sie selber sehen das aber gar nicht so kritisch.

Profitieren die Hilfskräfte auf andere Weise davon?
Absolut. Zum einen hat man den Aspekt des sozialen Kapitals: Es entstehen Kontakte zu Lehrenden, zu Professoren, zu anderen Mitarbeitern an der Universität. Das ist sicherlich wichtig. Zum anderen gibt es das kulturelle Kapital: Wie läuft der Unibetrieb? Was bedeutet wissenschaftliches Arbeiten und was macht der Prof, wenn er nicht in der Vorlesung ist? Das bekommen die meisten Studenten so gar nicht mit.

Ist ihnen die Erfahrung wichtiger als das Geld?
Wenn man dringend Geld braucht, ist das nicht die richtige Tätigkeit. Man muss flexibel arbeiten können und der Arbeitsaufwand ist sehr unterschiedlich. Mal hat man viel zu tun, dann vielleicht längere Zeit weniger. Es ist nicht so, dass man jede Woche seine acht Stunden macht, sondern man hat mal eine Woche gar nichts zu tun, und muss dann in der Woche darauf doppelt so viel arbeiten. Es ist also auch nicht leicht mit regelmäßigen Tätigkeiten zu vereinbaren. Im Durchschnitt beträgt die Arbeitszeit monatlich 32 Stunden – da kommt auch nicht so viel Geld zusammen.
Wir konnten auch nachweisen, dass die soziale Herkunft bei der Wahrscheinlichkeit als studentische Hilfskraft zu arbeiten eine Rolle spielt: „Man muss es sich leisten können“, wie es in einer anderen Studie von der Universität Marburg heißt.
Studenten, die finanziell abgesichert sind, tendieren eher dazu als studentische Hilfskraft zu arbeiten und haben den Qualifikationsaspekt dabei im Hinterkopf. Hiwi-Jobs werden als Sprungbrett für eine spätere akademische Karriere gesehen.

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