Von Königen und Spatzen

Die Erstwohnsitzkampagne und ihre Macher

Von Dirk Hertrampf

Der letzte Jenaer Fürst Herzog Johann Wilhelm von Sachsen-Jena starb 1690. Zu seinem Unglück blieb er kinderlos und so erlosch seine Dynastie bereits kurz nach ihrer Entstehung. Die studentische Kommunikationsagentur „Goldene Zwanziger“ leistet nun aber einen Beitrag dazu, das Fürstenhaus wieder auferstehen zu lassen und ‚krönt Erstsemester, die ihren Hauptwohnsitz in Jena anmelden, zu Königen und Königinnen.
Unter dem Motto „Studieren – Kassieren – Residieren“ soll in einer Werbekampagne auf die Vorteile einer solchen Ummeldung aufmerksam gemacht werden. Mit Plakaten und einem „Königspaar“ auf dem Campus, welches ‚Goldtaler an Studenten verteilt, soll darüber informiert werden, welchen Nutzen es hat, seinen primären Lebensmittelpunkt auch amtlich nach Jena zu verlegen.
„Wir wollen die Vorteile dieser Anmeldung kommunizieren“, sagt Franziska Solbrig, dieses Jahr mitverantwortlich für die Pressearbeit zur Kampagne. Dazu gehört unter anderem die Möglichkeit, bei der Stadt eine Ausbildungsbeihilfe in Höhe von 240 Euro zu beantragen, in Jena wählen gehen zu können oder einen Parkausweis für Anwohner zu beantragen. Nachteile gäbe es nicht, steuerund versicherungstechnische Bedenken seien unbegründet und existierten meist nur aufgrund falscher Informationen. Die Anmeldung eines Hauptwohnsitzes habe also für den Antragsteller nichts als Vorteile. „Wir gaukeln ja niemandem etwas vor“, meint Franziska.

Solidarisch mit der Stadt

Doch warum gibt sich die Stadt Jena solche Mühe? Die Einwohnerzahl der Saalestadt liegt jedes Jahr knapp über der Großstadtgrenze von 100.000. Sollte sie diesen Status einmal verlieren, fiele damit eine ganze Reihe von staatlichen Unterstützungszahlungen aus. Das träfe letztendlich alle Einwohner, weshalb die Anmeldung eines Hauptwohnsitzes auch eine Solidaritätsbekundung zur neuen Heimat darstellt und so die Stadt unterstützt. Es gibt also auch neben dem Beitrag zur Haushaltskasse Argumente für den Erstwohnsitz in Jena. Dass die Kampagne vor dem Hintergrund der eklatanten Wohnungsnot zugleich ein wenig zynisch wirkt, ist ein Vorwurf, den man der Stadt, aber nicht den „Goldenen Zwanzigern“ machen kann.
Bereits zum neunten Mal wird die Kampagne von ihnen durchgeführt. „Neu sind diesmal die Festspiele am 27.10. auf dem Campus“, wirbt Franziska.
Die erste studentische Kommunikationsagentur in den neuen Bundesländer, deren Wappen ein kleiner blauer Spatz ziert, wurde 2003 gegründet. Sie betreut jährlich circa fünf Projekte, von denen die Hauptwohnsitzkampagne jedoch das Umfangreichste ist. Weitere Auftraggeber waren bisher beispielsweise der Freistaat Thüringen und JenaKultur. Die Agentur bietet Studenten aus vielen verschiedenen Bereichen eine Plattform, Studieninhalte praktisch anzuwenden. „Man kann sich ausprobieren, aber es ist zugleich real. Es ist kein Planspiel, sondern es gibt wirkliche Kunden, die Geld zahlen und dafür auch etwas verlangen“, meint Franziska. Derzeit wirken unter anderem Kommunikationswissenschaftler, Wirtschaftsinformatiker und Kunsthistoriker bei den „Spatzen“ mit.
Ob die Krönung neuer Jenaer Fürsten erfolgreich war, wird sich im Dezember zeigen, wenn bei einer Pressekonferenz zusammen mit der Stadt als Auftraggeber der Kampagne Bilanz gezogen wird. „Wir befinden uns in der glücklichen Position, dass der Erfolg unserer Aktionen einfach messbar ist: Anhand der Anmeldungen im Bürgerbüro“, erklärt Franziska. Da bleibt nur zu hoffen, dass es bei so vielen potentiellen Regenten keine blutigen Intrigen um die Krone geben wird.

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