„Ein totaler Kindergarten“

Ein Gespräch über Jenas Punkszene

Auf den Stufen vor der JG chillten Jana Felgenhauer und Daniel Hofmann



Foto: Daniel Hofmann

Grüne Haare, zerissene Jeans oder bunte Strumpfhosen: Seppel und Mika fallen auf im ruhigen Jena. Das Akrützel hat sich zu ihnen auf die Bank gesetzt, um über einen etwas anderen Lebensstil zu philosophieren.

Würdet Ihr Euch zur Punkszene zählen?
M: Also ich persönlich nicht unbedingt. Nur, weil ich mit Punks rumsitze, muss ich nicht unbedingt ein Punk sein. Irgendwie wird man ja immer in Schubladen gesteckt, aber ich versuche das zu vermeiden.
S: Ich mag einfach das Aussehen. Lacht. Ich würde mich schon als Punk bezeichnen. Die Einstellung übernimmt man ja nicht einfach. So etwas ist doch von Geburt an in einem drin. Für mich ist das keine Modeerscheinung.

Aber trotzdem ziehst Du Dich so an. Das hat ja auch einen Grund.
S:Natürlich zieh ich das gerne an, aber ich bin doch nicht Punk, nur weil ich eine große, schwere Lederjacke trage.

Was macht Ihr sonst so, außer am Wochenende in der Sonne zu sitzen?
M: Ich mache gerade eine Ausbildung zur Erzieherin.
S: Fachabitur.

Erzieherin hätte ich jetzt nicht vermutet.
M: Das ist genau das Schlimme. Nur weil ich hier rumsitze, am Wochenende Zeit habe und Bier trinke, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht mit Kindern umgehen kann. Also bitte: kein Schubladendenken! Wie ich mich anziehe und auf eine Party gehe, hat nichts damit zu tun, wie ich mich auf der Arbeit verhalte.

Seid Ihr politisch aktiv?
M: Also ich bin nicht aktiv. Ich habe ein bisschen Ahnung, aber nicht genug, um mich genau zu positionieren. Manche Dinge gefallen mir, manche nicht. Andere akzeptiere ich.
S: Ich würde mich schon als politisch bezeichnen. Ich bin aber nicht der Demogänger. Das letzte Mal war ich bei der Demo gegen das Fest der Völker.

Bist Du schon mit Menschen aus der rechten Szene zusammengetroffen?
S: In der Innenstadt ist es ruhig. Ich will jetzt nicht gangmäßig klingen, aber die Innenstadt gehört den Punks. Da sagt auch kein Nazi was. Wenn du aber abends durch Lobeda oder Winzerla gehst, ist das schon was anderes.

Gibt es hier eigentlich eine richtige Punkszene mit Konzerten und Treffpunkten?
S: So richtig viel nicht. Mittwochs gibt es im Kassaturm das Punkrockcafé . Ansonsten hat man hier nicht viel Auswahl.

In den meisten Fällen sieht man Euch ja bei den Bänken am Ende der Marktgasse.
S: Das stimmt. Nach einem Streit hat sich die Gruppe etwas gespalten. Angefangen hat das wegen einer Frau. Jetzt sitzt die eine Gruppe vor dem Geographie-Institut und die andere auf der Treppe des medizinischen Instituts. Es ist halt ein totaler Kindergarten.

Wie würdet Ihr denn die Unterschiede beschreiben zur Punkszene vor 35 Jahren?
S: Na es hat sich schon einiges verändert. Die soziale Sicherung macht das Leben als Punk schon zu einer Art Luxus. Klar, im Moment hätte ich wirklich keinen Bock zu arbeiten und von Hartz IV könnte man schon leben.

Willst Du das bis zum Rentenalter durchziehen?
S: Ich werde immer Punk bleiben. Mein Aussehen werde ich vielleicht ändern; meine Einstellung wird aber immer bleiben. Nach meinem Fachabi will ich ja auch noch einmal für zwei Jahre nach England. Mal sehen, was dann kommt.

Seht Ihr bei der Arbeit eigentlich auch so aus?
M: Während der Arbeit bin ich schon anders gekleidet. Klar bringe ich kleine Sachen mit rein – wie bunte Strumpfhosen – aber Totenköpfe oder so gehen da natürlich nicht. Während der Arbeit trägst du doch auch nicht dasselbe, wie auf einer Hochzeit.

Würdet Ihr Euch selber als tolerant bezeichnen, gerade weil Ihr das von anderen erwartet?
M: Ich kann für mich eindeutig ja sagen. Ich hab das so oft erlebt, dass Leute Vorurteile haben.
S: Das meiste dumme Zeug kommt wirklich von der älteren Generation, aber ich hab auch schon Positives erlebt. Einmal hat mich ein älteres Ehepaar auf meine Haare angesprochen und wie gut sie das finden. Die waren halt gerade wieder bunt und mit ordentlich Haarlack nach oben gerichtet.


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