„An andere Orte gehen“

Ein Amateurregisseur über die Jenaer Schauspielszene

Die Regie für dieses Interview übernahm Janine Eppert



Foto: Katharina Schmidt

„Schlimm genug, vor leeren Häusern zu gastieren! Noch schlimmer, auch noch vor leeren Köpfen!“, sagte schon der Autor Martin Gerhard Reisenberg. Leere Häuser gibt es bekannterweise in Jena kaum, für Amateurtheater schon gar nicht. Paul Josiger, Student der FSU und Regisseur von Theater im Karton, erzählt von seiner kreativen Arbeit und den künstlerischen Perspektiven Jenas.

Wie bist Du selbst Regisseur geworden?
Theater habe ich schon lange vorher gespielt. Zu speziell dieser Arbeit kam ich, als ich nach Jena gezogen bin und hier begonnen habe die interkulturelle Schauspielgruppe mit zu leiten. Schon beim Proben hat man gewisse Bilder im Kopf, wie das Aufgeführte auf den Zuschauer wirken soll und dann beginnt man nach und nach diese Fantasien auch auf der Bühne umsetzen zu wollen. Der Schritt vom Spielen zur Regie ist nicht weit.

Was ist der Unterschied zwischen der Freien Bühne Jena und dem Theater im Karton?
Es gibt ganz viele kleine Gruppen in Jena. Als damals das Capitol leer stand gründete sich eine Initiative. Dadurch entstand das Bestreben, sich zu vernetzen. So gründete sich der Verein Freie Bühne Jena. Wir planten zusammen Theaterprojekte, organisierten Festivals, suchten einen Raum. Ziel war es irgendwann eine gemeinsame Spielstätte zu besitzen. Doch diese Kooperation spricht nicht gegen die relative Eigenständigkeit der einzelnen Gruppen, wie unserem Theater im Karton.

Was ist das Besondere am Theater im Karton?
Ich versuche immer besondere Räume herzustellen. Das ist vielleicht das Andere. Ich empfinde es als schön, an andere Orte zu gehen. Beispielsweise hatten wir mal ein Stück in einer alten Wohnung in Lobeda inszeniert, dort zu spielen war toll. Es gab 30 Gäste pro Abend, diese wurden dann auf die einzelnen Räume aufgeteilt. Jeder hat somit etwas anderes gesehen und am Ende kamen alle wieder zusammen.

Wie kamt ihr überhaupt auf die Idee, die Räumlichkeiten so oft zu wechseln und nicht in klassischer Weise in einem Theaterraum zu spielen?
Es spricht nichts dagegen Theater in einem ganz normalen Saal zu machen, aber wenn es das Stück hergibt, ist es einerseits viel schöner dieses in einer passenden Atmosphäre einzubetten. Eines meiner Ziele ist es, wirklich irgendwo anzukommen, ins Theater zu gehen und an einem besonderen Ort zu sein. Andererseits ist die Suche nach einer festen Lokalität in Jena nicht einfach.

Welchen Bezug hast Du zur Stadt?
Unsere Gruppe ist hier gewachsen. Es haben sich einfach Leute zusammengefunden, die gerne Theater spielen, Projekte organisieren und dies auch mit einem gewissen Anspruch. Meist sind die Veranstaltungen komplett voll, was zeigt, dass es mit Sicherheit nicht an Interesse mangelt. Natürlich liegt das auch an der Stadt Jena und vor allem den vielen Studierenden hier.

Was kannst Du mir über das neue Projekt von Theater im Karton schon verraten?
Das Stück heißt „Jenaer Festspiele“. Es gibt sehr viele Attraktionen, zum Beispiel einen Schießstand, eine lebende Kanonenkugel, Tanz und Livemusik. Wir zeigen die Welt des Spektakels, doch diese Welt hat Brüche. Innerhalb des Festes gibt es Menschen, die etwas anderes suchen. Innerhalb dieser dargestellten Gesellschaft des Spektakels existiert die Suche nach dem Privaten, nach Räumen, in denen es ehrlich zugeht und in denen wahres Mitgefühl auf der Tagesordnung steht.

Verfolgt ihr ein bestimmtes Ziel?
Dieses Stück ist schon ein wenig systemkritisch. Ich nenne es ein politisches Projekt, obwohl man es ihm anfangs nicht ansieht und ich weiß nicht, ob der Zuschauer es am Ende auch explizit als dieses sieht, da es nicht direkt gesagt wird. Es ist inspiriert von Brechts „Mutter Courage“. Eine der Aussagen ist, dass es in unserer angeblich zivilisierten Welt keine Kriege mehr gibt, welche uns betreffen. In unserem Stück finden die Kriege zwischen den Menschen statt. Mein allgemeines Ideal ist, dass wir alle Stücke gemeinsam inszenieren und jeder das Gefühl hat mit dem Theater etwas Besonderes zu erschaffen.

Kann jeder bei euch mitspielen?
Es kann echt jeder kommen und das finde ich sehr schön. Im Grunde ist das der Reiz, den ein freies Theater ausmacht. Dass Du eben nicht mit Leuten zusammenarbeitest, die schon wahnsinnig viel Routine haben. Wenn Du mit einer Gruppe arbeitest und jedes Mitglied dieser Gruppe auf einem völlig anderen Stand der Kenntnis, Erfahrung und Motivation ist, diese dann zusammenwachsen und alle etwas von der gemeinsamen Arbeit mitnehmen können, dann ist dieser Prozess sehr schön!


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