Ein Gangsterleben

Theater führt „Räuberzelle“ über den Dächern der Stadt auf

Von Franziska Puhlmann

Räuberzelle5

Foto: Joachim Dette (Theaterhaus)

Jentower, 27. Etage, beinahe völlige Dunkelheit. Stühle sind zu kleinen Sitzgruppen  zusammengestellt. Eine Bühne gibt es nicht. Dafür einen sagenhaften Panoramablick über das abendlich erleuchtete Jena.  Plötzlich ertönt eine Stimme. Aber woher?So ungewöhnlich wie dieser Spielort ist auch der Stoff. Gespielt wird „Räuberzelle“. Ein „dokufiktionales“ Drama von Autor und Regisseur Christian Winkler.

Vier Schauspieler (Mohamed Achour, Anne Haug, Natalie Hünig, Sebastian Thiers) erzählen in einem auf sie aufgeteilten Monolog aus ihrem Leben als Einbrecher. Bei mittlerweile gedämpftem Licht berichtet der Erste locker, dass er zwei Drittel seines Lebens in Haft verbracht hat. Beinahe prahlerisch setzt der Zweite ein, er sei mit vier Jahren für mehrere Jahre aus dem Kinderheim ausgebrochen. Die Dritte unter ihnen gibt zum Besten, dass sie bereits mit 14 Jahren nach einem Ausbruchsversuch im Erwachsenenvollzug landete. Und die Vierte gibt Tipps, wie man einen Safe knackt, sich Prostituierte hält und mit Verrätern umgeht. Auch erfährt man, dass Leute, die so dumm sind, ihren Schlüssel im Auto zu lassen, schließlich mit dessen Diebstahl bestraft werden müssen.
Während die Darsteller erzählen, setzen sie sich auf freie Plätze inmitten des Publikums, sprechen einzelne Zuschauer direkt an und machen sie damit gleichsam zu ihren Komplizen. Mit brillanter Überzeugung plaudern sie, als würden sie sich gerade in diesem Moment erinnern.

Schleichend, fast unmerklich doppeln sich die Geschichten, bis sie schließlich originell wie überraschend in einer einzigen gipfeln. Es ist die Geschichte des österreichischen Berufseinbrechers Karl-Heinz Haiberger (1957-2010). Eine Geschichte, die sich der Regisseur Winkler nicht erdacht hat, sondern die ungewöhnlicherweise von Haiberger selbst an ihn herangetragen wurde, so, als wolle er der Welt ein Andenken hinterlassen. Es ist das Leben eines Einzelgängers, der von sich sagt, er habe einen Beruf wie jeder andere, nur dass sein Risiko der Verlust seiner Freiheit sei.
Bizarr komische und abstoßend perfide Episoden drängen den Zuschauer in eine verborgene Welt mit harten und klaren Regeln, aber auch ganz eigenen Reizen. Er wird an den Rand des bekannten, behaglichen Sozialgefüges geführt und blickt von dort in ein Leben in radikaler Andersartigkeit, geprägt durch existentiellen Überlebenskampf und lustvolle Grenz­überschreitung. In ein Leben voller Risse, Tragik und Komik.

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