Im Schatten der Magnifizenz

Die ewigen Probleme des Stura vor der Wahl

Von Johannes Wander



Was wähl’ ich bloß?

Foto: Christian Fleige

Den Stura abschaffen! So lautete letztes Jahr der Slogan des Studentenrates zur Steigerung der Wahlbeteiligung. Gebracht hat er nichts. Die Beteiligung fiel genau so niedrig aus wie eh und je. Aus 16 bis 17 Prozent der Studentenschaft bezieht der Stura seit Jahren seine Legitimation. Mehr scheint offenbar für das Hochschulgremium, das im Grunde die Belange aller Studenten der Uni vertritt, nicht drin zu sein.

„Die Wahlbeteiligung lässt sich am ehesten steigern, wenn ein öffentlicher Wahlkampf stattfindet“, erklärt Frances Karlen, Mitglied des diesjährigen Wahlvorstandes der Sturawahlen. Dass es dieses Jahr einen solchen Wahlkampf geben wird, scheint unwahrscheinlich. Die Kandidaten halten sich im Hintergrund, kritische Themen werden nicht öffentlich angesprochen, eine Podiumsdiskussion kommt für die Bewerber offenbar nicht in Frage: Die Wahlen verkommen wie jedes Jahr zur Nebensache. Eine nicht unerhebliche Mitschuld daran trägt der Stura selbst. In den vergangenen Wochen und Monaten machte er weniger mit brisanten Themen als mit Blockaden, bürokratischem Firlefanz und einem fehlenden Vorstand auf sich aufmerksam. So scheint das Mitbestimmungsgremium mehr denn je unattraktiv für jeden, der etwas bewegen will.
Die Reformer sammeln sich unterdessen zum dritten Mal zum Bildungsstreik, um direkter, als es mithilfe des Sturas möglich scheint, Einfluss auf die Bildungspolitik zu nehmen. „Ein zentrales Thema der aktuellen Legislaturperiode war der Bildungsstreik, der auch Einfluss auf die kommenden Wahlen haben sollte“, stellt Wahlvorstand Julia Langhammer fest. Da der Bildungsstreik allerdings nicht zuletzt auch Kritik an der „indirekten“ Partizipation durch den Stura übte, ist fraglich, ob das Gremium nun von den Nachwirkungen des Streiks profitieren wird.
91 Bewerber kandidieren dieses Jahr um die 35 Plätze im Studentenrat. Mit dabei sind wie jedes Jahr Burschis, Liberale und Marxisten. Irgendwo dazwischen die Realos aus verschiedenen Spektren, die den Laden seit Jahren de facto führen und in Schach halten. Denn wer die Arbeit des Sturas etwas genauer verfolgt, wird schnell zu der Erkenntnis gelangen, dass dort die immer gleichen Gesichter teilweise bis tief in die Nacht in den Büros sitzen und sich auch ohne Mandat über Jahre hinweg für das Gremium engagieren. Das ist höchst ehrenwert, aber vielleicht auch ein Grund, weshalb der Stura seit Jahren ein recht graues Image hat. Das eines unattraktiven Gremiums nämlich, das ziemlich machtlos ist, wenngleich es doch über erhebliche Mittel verfügt, sowohl finanziell als auch machtpolitisch.
Als wichtigstes Instrument für die hochschulpolitische Mitbestimmung sollte der Stura eigentlich im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung stehen und das Interesse eines jeden Studenten berühren. In der Realität ist er den meisten Studenten jedoch genauso fern wie der Rektor, wobei die meisten wenigstens noch den Namen seiner Magnifizenz kennen.
Warum aber verkommen die Sturawahlen jedes Jahr aufs Neue zu einem Randereignis und warum ist der Stura für die meisten Studenten nur irgendein Servicebüro, bei dem sie günstig kopieren können? Klar kann man hier die Bachelor-Keule ziehen und auf diese neue, angeblich so unpolitische Generation eindreschen. Wenn wir aber an Schulzeiten zurückdenken, war schon der Schülerrat bzw. die Schülermitbestimmung ein ziemlich unpopuläres Gremium von Klassenbuchträgern und Erstereihesitzern. Werfen wir einen Blick auf die Arbeitswelt, ist der Personalrat eher eine Möglichkeit, Arbeitsstunden anderweitig abzusitzen, als sich zu engagieren. Vielleicht liegt das Problem der mangelnden Partizipation und des fehlenden Interesses daran also tiefer in unserer Mentalität, unserem Obrigkeitsdenken.
Um der Wahllethargie nun etwas auf die Sprünge zu helfen, plant der Stura einen Grillabend für Kandidaten und Interessierte. Hier würde Kandidaten die Möglichkeit gegeben werden, sich bei Bier und Bratwurst politisch zu positionieren und mit potentiellen Wählern in Kontakt zu treten. Potentiell wird das aber wohl eher eine Veranstaltung für Kandidaten. Denn wenn nicht einmal jeder sechste Student den Weg zur Urne findet, werden es wohl noch weniger bei einer halböffentlichen Wahlinformationsveranstaltung sein.
Fragt man beim Öffentlichkeitsreferat nach, was geplant sei, um die Studenten an die Urne zu locken, erhält man eine klare Ansage: „Wir machen Flyer und Poster. Das ist unser Beitrag.“ Flyer und Poster, immerhin etwas. Aber die Sturawahlen werden so wohl kaum gerettet. Wenigstens gibt’s dieses Jahr, verkündet Frances Karlen, „in fast allen Gremien, die zur Wahl stehen, auch eine echte Wahl.“ Soll heißen, dass sich für Gleichstellungsbeirat, Senat und Fakultätsrat sowie für die meistens FSRs mehr Kandidaten als Plätze gefunden haben. Ob sich das auf die Wahlbeteiligung auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Eine ausführliche Vorstellung der Kandidaten wird in der Stura-Wahlbeilage enthalten sein, die in der kommenden Woche ausliegt.


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