Platzangst zur Mittagszeit

Abbe-Mensa platzt 10 Jahre nach ihrem Bau aus allen Nähten

Von Norbert Krause

Abbe-Mensa – das Original.
Foto: Katharina Schmidt

In der Abbe-Mensa herrscht zur Mittagszeit seit einigen Semestern ein permanenter Ausnahmezustand. Überall sind Schlangen: an der Essensausgabe, an den Kassen und sogar bei der Rückgabe. Man bahnt sich den Weg durch die Kassenschlangen, um die Essensschlangen zu finden. Mit dem Essen versucht man, sich einen Weg durch die anderen Schlangen zu den Kassenschlangen zu bahnen. Hinter der Kasse droht auch schon die Rückgabeschlange, bei der man auf Freundlichkeit hoffen muss, um zu den vielen bereits durch Taschen und Jacken besetzten Tischen durchgelassen zu werden. Nach dem Essen stellt man sich am anderen Ende der Mensa an, um sein Tablett abzugeben. So sieht mittlerweile der Normalbetrieb in der Abbe-Mensa zwischen 12 und 13 Uhr aus.
Feierstimmung kommt hier irgendwie nicht so recht auf. Dabei feiert die Abbe-Mensa in diesem Jahr ihr 10-jähriges Bestehen. Die größte Mensa Thüringens mit über 2.500 Essen pro Tag und 600 Sitzplätzen wurde am 1. September 1999 eröffnet.
Man muss sich die Entstehungsgeschichte der Abbe-Mensa anschauen, um den gegenwärtigen Platzmangel zu verstehen. Die alte Mensa befand sich im ersten Stock des Turmsockels, in der heutigen „Neuen Mitte“. Sie hatte eine ähnliche Sitzplatzkapazität wie die Abbe-Mensa, war jedoch weitläufiger und hatte einen größeren Essensausgabebereich. Damals studierten nur 13.000 Studenten in Jena, heute sind es über 20.000.
Dennoch war damals nicht selbstverständlich, dass ein Ersatz für die Turmmensa gesucht wurde, erklärt der Geschäftsführer des Studentenwerkes, Ralf Schmidt-Röh: Keine neue Mensa zu bauen sei ebenfalls eine Option für das Land gewesen – es gab ja die Mensa am Philosophenweg. Allerdings war Jenoptik daran interessiert, das nicht mehr genutzte Grundstück auf dem nahegelegenen Abbe-Platz zu verkaufen. Ein Teil davon war zwar bereits für die Campusgebäude der Universität reserviert, auf dem Abbe-Platz selbst sollte aber Jenas erstes Multiplex-Kino gebaut werden.
Mit der ursprünglichen Vorstellung, dass eine Mensa auf dem Campus sinnvoller sei, konnte sich das Studentenwerk letztlich durchsetzen und war „froh“ über die Kapazitäten, die das Land dem Studentenwerk für die Mensa gewährte. Gebaut und konzipiert wurde die Abbe-Mensa schließlich von der Jenoptik-Bauentwicklung.

Besser in die Philo-Mensa

Die Größe der Abbe-Mensa entsprach genau den damaligen Kapazitätsverordnungen: etwas mehr als 9.000 komplett finanzierte Studienplätze zur damaligen Zeit (bei 13.000 real vorhandenen Studenten), für etwa die Hälfte wird ein Mensaessen benötigt (vorgesehener Versorgungsgrad: 48 Prozent), davon werden die bereits vorhandenen Kapazitäten (Philomensa: 2.200 Essen) abgezogen. Das ergibt etwa 2.500 Essen für die Abbe-Mensa. Da jeder Sitzplatz 4,3-mal in der Essenszeit genutzt werden soll, kommen Beamte und Statistiker auf die 600 Sitzplätze der Abbe-Mensa. Von diesen wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass die Mensa dank ihrer zentralen Lage – direkt neben den größten neu gebauten Hörsälen der Uni – häufiger frequentiert werden könnte. Für die Beamten ist jeder Essensplatz gleich – egal, wie weit er vom Campus entfernt ist.
Egal ist auch, dass das Zeitfenster zum Essengehen durch ähnlich getaktete Stundenpläne vorgegeben wird und somit zum Vorlesungsende die meisten Studenten in die Mensa strömen.
„Wir können nur versuchen, die Studenten zu animieren, diese rechnerisch zugrunde gelegte Gleichverteilung auch wirklich zu nutzen“, sagt Schmidt-Röh. Das Studentenwerk hat daher versucht, Ersatzangebote zur Entlastung der Mensen zu schaffen. Das PastaBasta, die Cafeterien im Hauptgebäude, in der Carl-Zeiß-Straße 3 und in der Bibo wurden erweitert und vergrößert. Das war auch nötig, da die Studentenzahlen seit 1999 um mehr als die Hälfte angestiegen sind. Ein Ausbau der Jenaer Mensakapazitäten habe im Studentenwerk dennoch momentan nicht die oberste Priorität, so Schmidt-Röh, da in Jena „ein auskömmliches Versorgungsnetz gegeben ist“. An anderen Standorten – Erfurt, Ilmenau, Weimar – müssten die Mensen zuerst saniert werden: „Dort kochen wir zum Teil noch mit Geräten aus den 50er Jahren.“ Wenn es dort zu einer Havarie käme, gäbe es gar keine Essensversorgung mehr, da es dort jeweils nur eine große Mensa gibt.
Schmidt-Röh empfiehlt den Studenten: „Wer die Zeit hat, sollte eher in die Philomensa gehen – dort ist selbst zu Stoßzeiten immer noch genug Platz.“ Wenn jemand seinen Studienplan variabel einteilen könne, sei es eben „empfehlenswert“, zur Spitzenzeit nicht in die Abbe-Mensa zu gehen.
Vielleicht verstehen es die Studenten aber auch als eine moderne Form des natürlichen Kampfes um Nahrung. Die Abbe-Mensa wäre dann eine Art Live-Assessment-Center, in dem die nötigen Schlüsselqualifikationen entwickelt und bewiesen werden können. Im Lebenslauf könnte dann stehen: „Drei Jahre lang Speisung in der Abbe-Mensa überlebt.“

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