Überzeugungstäter

Wie eine anonyme Gruppe versucht, die Studenten aufzurütteln

Von Norbert Krause

Tatort Thulb. Foto: FSU/Scheere

Die Bücher der Universitätsbibliotheken haben seit der letzten Woche neue Lesezeichen. Das Buch „Globalmacht Geld“ beispielsweise bekam den kleinen Zettel: „Wenn der Beweggrund zu einer Entscheidung nicht ökonomischer Art ist, wundert sich der moderne Mensch und bekommt es mit der Angst zu tun.“ Das ist ein Zitat des kolumbianischen Philosophen Nicolas Gomez Davila. Fast 1.000 Bücher sind mit solchen Gedanken versehen worden. Sie sollen die Studenten aufrütteln oder sie zumindest in ihrem trüben Lernalltag ein wenig irritieren.
Die Gruppe, die hinter den Aktionen steht, nennt sich „Denken macht schön!“. Sie hat die vergangene Woche liebevoll zur „Woche der Sensibilisierung“ erklärt. „Wir sind allesamt Schöngeister“, sagt Andrea, ein Mitglied, über die Zusammensetzung der Gruppe. Subversive Tendenzen seien eigentlich gering ausgeprägt. Aber auf institutionalisiertem Wege, also über den Stura, funktionierten solche Aktionen nicht. Deshalb muss sich die Gruppe auch selbst finanzieren und die Aktionen inoffiziell durchführen.
Entstanden ist die Gruppe im Sommer dieses Jahres. Andrea beispielsweise war nach einem Jahr als Tutorin für Erstsemester desillusioniert und enttäuscht von deren kritischen Fähigkeiten. „Die Studenten sind einfach eingeschüchtert“, klagt Andrea. Nicht zuletzt werde ihnen schrecklich Angst gemacht, dass sie untergingen, wenn sie ihre Ellenbogen nicht ausführen.
Die bisherigen Aktionen stießen dennoch auf positive Resonanz bei den Studenten. Sie schickten interessierte Nachfragen an die auf den Flyern genannte E-Mail-Adresse. Aber „Denken macht schön!“ ist nicht die einzige Gruppe, die Studenten gegenwärtig zum Nachdenken anregen will. Eine andere Gruppe mit dem ähnlich klingenden Namen „Mitdenken“ hatte im November schon den Campus mit einer Aktion des Guerilla-Gardening verschönert. Sie hatten nachts Steine ausgerissen und dafür ein dutzend Topfpflanzen eingesetzt. Leider konnten sie die Aktion am nächsten Morgen nicht erklären, weil die dazu vorbereiteten 2.000 Flyer von übereifrigen Hausmeistern konfisziert wurden. Die Aktionen von „Denken macht schön!“ sind für dieses Jahr noch nicht vorbei: Der Plan ist, jedem Dozenten einen Weihnachtsbrief zuzustellen. Darin soll intellektueller Inzest, also das gegenseitige „Zuschanzen“ von Positionen angeprangert werden. Außerdem soll es am 17. Dezember für jeden Studenten ein kleines Weihnachtsgeschenk geben. Was genau es sein wird, bleibt vorerst noch ein Geheimnis.
Mit ihren Aktionen will „Denken macht schön!“ die große Masse kritikfähiger machen und erreichen, dass sie die Zustände an der Universität nicht als Tatsachen einfach so hinnimmt: die Überfüllung, die Behandlung durch die Dozenten oder die Vergabe von Seminarplätzen. „Das ist der reine idealistische Utopismus. Dessen sind wir uns bewusst“, sagt Andrea und lächelt. Aber wenn sie es schaffen sollten, dass vielleicht drei Leute aufstehen und sagen: „Warum geht das nicht anders?“, dann wäre das doch schon etwas. Ihr Motto ist: „Lieber klein anfangen als gar nicht anfangen.“

Allgemein

5 Antworten auf Überzeugungstäter

  • Ich finde diese Unternehmungen wirklich großartig, mehr noch: sehr wichtig.

    Da in der aktuellen Akrützel in diesem Artikel die E-Mailadresse, dieser Aktion nicht im Text (wie hier online) steht, sondern als Bild zu sehen ist:

    denkenmachtschoen@googlemail.com

    Ein großes Lob an die Idee dieser Aktion und auch an den Autor dieses Artikels in der Akrützel. Wichtig ist eben darauf aufmerksam zu machen…

  • Ich lese gerade “Norbert Krause”… Kompliment auch für deinen Beitrag in “Jena, ick liebe dir”. Dem Akrützel fehlt, trotz guter Arbeit, etwas Lebensnahes. Diese “Kolumne” lese ich sehr gerne, wenn ich die Akrützel durch habe.

  • Schade, dass subversiv immer gleichgesetzt ist mit “mit dem Holzhammer”. Will heißen, es gibt viele Dinge, die einfach übersehen werden und wenn es nicht “studentisch-kritisch” ist überhaupt nicht als kritisch wahrgenommen werden.

  • ls ob wir keine anderen Probleme in der Welt hätten …

  • in der welt? hrhr.
    erstmal hier anfangen, dann kann man darüber nachdenken zu expandieren ;).

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