Die Diktatur der Angepassten

Unkritische, unpolitische, weichgespülte Studenten – eine Polemik

Von Jonas Janssen

Bisweilen wirkt die heutige Studentengeneration lethargisch bis treudoof. Foto: Akrützel-Archiv

Neulich in der Mensa: Ein Langhaariger in knallgelbem „Verwaltungsgebühren-Boykott“-Shirt schlurft an meiner Reihe vorbei. Als er außer Hörweite ist, schnauft mein Gegenüber verächtlich und reckt den Hals zu mir rüber: „Fünfzehntes Semester Philosophie; Attac und Greenpeace plus Weltrettung nebenher – Zeit sollte man haben.“ Da der erhoffte Lacher meinerseits ausfällt, legt er nach: „Also mir gehen diese Gutmenschen ja manchmal richtig auf den Sack.“ Da muss ich doch irgendwie mithalten: „Alter, das kommt aber gut im Lebenslauf, mit Softskills und so.“ Der Schlag sitzt und wir brechen beide in schallendes Gelächter aus.

Vielleicht willst du, lieber Leser, jetzt gerne aus diesem vermeintlichen Albtraum ausbrechen, aber stellen wir uns doch ruhig mal der Realität: Genau so sieht sie aus! Wir machen uns lustig über den Aktivismus der anderen. „Bringt doch eh nix“, rufen wir den Sitzblockierern und Petitionenschreibern zu, fahren dann im eigenen Auto übers Wochenende heim. Ohne Spaß, wir fühlen uns gut dabei. Denn wir und unsere Freunde haben längst die Deutungshoheit an den Mensatischen übernommen – nicht nur im grünen Herzen Deutschlands. Sollen sie uns doch als „Meinungslose“ beschimpfen, in Wahrheit haben wir die Meinungsführerschaft längst übernommen. Republikweit haben wir Studenten es uns super eingerichtet und die Zeichen der Zeit erkannt. Etwas aus „edler Überzeugung“ tun, Dinge unnötig hinterfragen, immer gleich den Aufstand proben, das alles liegt bei uns schon lange nicht mehr im Trend, und zwar aus gutem Grund: Es bringt weder dich noch mich persönlich voran. Wenn uns die Schule eines gelehrt hat, dann doch wohl „Augen zu und durch“. Wer das für die Uni beherzigt, ist der Karriere danach schon näher, als er in langweiligen Seminaren zu träumen wagt. Unterhaken in der Menschenkette war gestern. Leute wie wir, die nicht in einer bedepperten 68er-Nostalgie stecken geblieben sind, wissen, die Wahrheit sieht anders aus: „Ellbogen raus“ und im Studium den Kopf lieber unten und die Klappe halten. „Allgemeine Passivität“ beklagen nur die, die sich für andere abrackern und für sich selbst nichts erreichen. Dass sie im Westen Studiengebühren bezahlen, ist doch nicht unser Problem. Mama und Papa in Bayern haben’s eh. Das haben sogar die Bayern selbst erkannt oder haben da auf einmal die Unis gebrannt? „Nach mir die Sintflut“ finden manche sicher nicht so nett, es ist aber ein verdammt angenehmes Lebensmotto. Klar, wie gesagt, ein paar „Softskills“ verschönern jedes CV. Aber dem Personalchef kann ich später auch was Rührendes vom „Freiwilligendienst im Altersheim“ vorlügen.
Und das Beste ist, wir müssen uns längst nicht mehr verstecken: „Endlich bröckelt der Mythos, dass ein Studium besser ist, wenn die Studenten bei weniger Leistungsdruck alles selbst organisieren müssen.“ Das steht nicht in irgendeinem Studi-Blog, den sowieso niemand liest, sondern bei „Zeit Campus“. Sieh es ein: Engagement ist out, Anpassung ist in! Das Leben ist zu kurz, um sich auch noch um andere zu kümmern.

Ein Student bei einer seiner schwierigen Wahlentscheidungen.                   Foto: Matthias Benkenstein
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Eine Antwort auf Die Diktatur der Angepassten

  • Ja stimmt leider. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
    Man hats bei den Studenprotesten/Bildungsstreik ja gesehen.
    Der eindimensionale Mensch wird/ist realität.
    Wer doofe Schlager wie Sex and the City usw. gut findet und über jeden flachen Witz mitlacht kriecht in die oberen Positionen.

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