Jena, ich liebe dir

Teil 2: Die Landgrafen-Bank Nummer 152
von Kristin Haug

Wenn es in der Stadt nebelig wird, dann verschwindet die Stadt da unten. FOTO:Kristin Haug

Hjühp, hjühp. Wenn die Vögel hier oben zwitschern, dann hört es sich fast so an, als klappe man den Deckel eines quietschenden Kopierers nach oben. Langsam quäle ich mich hinauf zur „Eule“, einer Bergfront am Rücken des Landgrafen. Die Waden zwicken, die Knie ächzen. Der Schweiß perlt mir herunter, ich selbst aber will hinauf – den Po bewegen, die Uni vergessen, allein sein. Hoch oben, da kreuzen sich die Wege durch die Bäume und Felder und wenn es neblig ist, dann kann man sich vorstellen, nicht die Stadt, sondern das Meer liege unter einem. Hier kann ich mit Jena abschließen, mit der Stadt, mit dem kleinen Mikrokosmos, in dem sich die Menschen drei Mal am Tag über den Weg laufen und jedes Mal Hallo sagen. Hier ist niemand, nur die Entspannung. Im Sommer schallen die Lieder der Kulturarena hinauf und zur Fußballmeisterschaft die umjubelten Tore. Eigentlich bin ich ja hier, um noch eine Runde um den Berg zu laufen, wegen der Fitness. Letzen Endes übermannt mich aber die ganze Entspannung und da ist auch noch diese Bank. Sie trägt die Nummer 152 und sitzt auf einem abgeschlagenen Weg hinter einem Strauch mit roten Beeren und schaut hinunter ins Tal. Das Laub ist feucht und manche Blätter sind so braun und so gerollt, dass sie aussehen wie Hundekötel.

Die Bäume stehen dicht beisammen, ihre Stämme sind grau und erinnern an wuchtige Elefantenbeine, die im Boden enden. Die Kleingärten habe ich hinter mir gelassen, irgendwann war die Steigung zu steil für deren Böden. Meine Bank steht auf zwei Betonstümpfen und besteht aus braunen Holzlatten. Eine ganz normale Bank eigentlich.

Manfred und Ilona

Etwa 20 Bänke gibt es da oben, weiß Thomas Hähnisch vom Stadtforst. „Um die Jahrhundertwende hat der Jenaer Verschönerungsverein damit begonnen, Bänke dort aufzustellen, wo man einen schönen Blick auf die Stadt hat.“ Heute könne man sich an der Aktion „Mehr Bänke für Jena“ beteiligen, meint Matthias Bettenhäuser, der Stadtreferent. Das Ganze wurde im Jahr 2000 von Albrecht Schröter ins Leben gerufen, der damals noch Dezernent für Soziales und Kultur war. Jetzt ist er Oberbürgermeister und spendet Jenas Bergen jedes Jahr eine Bank. Die kostet 80 Euro, inklusive Aufstellung und Widmung. „Manfred und Ilona“ steht dann darauf und ein Hochzeitsdatum oder einfach nur zwei umschlungene Ringe. „Seit der Wende stellt man rustikale Bänke auf“, sagt der Mann vom Stadtforst. Diese Bänke sind dann gänzlich aus Holz.
Meine Bank ist also unmodern mit ihren Betonfüßen. Aber wenigstens spricht sie zu mir und sagt mir jedes Mal, ich solle mich setzen. Aber ich will mich nicht setzen, sondern legen. Also lege ich mich auf den Boden, die Beine auf die Bank, und weil niemand hier ist, singe ich die Lieder auf dem iPod mit. „Sittin’ on the dock of a bay“ zum Beispiel von Otis Redding. Alles bleibt immer gleich, singt er. Oh, wie recht er doch hat, hier oben auf dem Jenaer Berg – die Stadt zu den Füßen.

Allgemein

Eine Antwort auf Jena, ich liebe dir

Schreibe einen Kommentar

*