Der Bachelor ist für alle da

Wie die Hochschulstudenten entscheiden über das Semesterticket Thüringen – eine Glosse

von Alexander Strauß

Der Universitätsstudent und der Fachhochschüler haben nichts gemeinsam. Letzterer, auch als Proletarier-Student bezeichnet, hat einen durchgeregelten 7-bis-15-Uhr-Lernwerktag. Während der Unistudent gerade aufgestanden ist und zum Frühstück in die Mensa geht, nachdem er seinen Dozenten per E-Mail um eine nochmalige Verlängerung des Hausarbeitenabgabetermins gebeten hat, überlegt der Fachhochschüler, wie er seinen Feierabendnachmittag gestaltet. Und versucht auf dem Heimweg im Bus seine Mitschüler an Stoffumfang und Anzahl der bevorstehenden Klausuren zu überbieten.

Wo ist er geblieben?

Seit Bologna gehört das aber in die Gattung des Es-war-einmal. Denn machen wir uns keine Hoffnungen: Der Universitätsstudent stirbt aus. Die Hochschul- evolution zwingt ihn zu mutieren. An ihm ist Darwin widerlegt. Erstmals kann bewiesen werden, dass Evolution kein ausschließlicher Fortschrittsprozess ist, sondern auch degenerierend wirkt. Und eigentlich hätte er es wissen können, denn bereits seit den 70er-Jahren bekommt er, wie der Fachhochschüler, staatliches Unterstützungsgeld nach Bafög, ausgeschrieben: Bundesausbildungsförderungsgesetz. Nun ist er das, als was er bereits schon verwaltet wurde: Er ist nicht mehr Hochschulstudent, sondern nur noch Hochschüler – so wie ein Berufsschüler kein Berufsschulstudent ist. Gleichgeschaltet mit dem Proletarier von der Fachhochschule erwerben sich beide einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss, den Bachelor. Das Problem dabei ist nur, dass dem Hochschüler im Gegensatz zum Fachhochschüler das Fach abgeht. Zwar hat er ebenfalls nicht nur einen durchgeregelten Hochschultag, sondern auch eine durchgeregelte Schulausbildung, doch fehlen ihm die nötigen praktischen Erfahrungen, um mit dem Fachhochschüler auf dem Arbeitsmarkt mitzuhalten. Die spärlich geforderten Praktika sind hierbei nur der müde Versuch dies auszugleichen. Den Vorsprung, den der Student gegenüber dem Schüler hatte, das eigenständige Erarbeiten, die Fähigkeit komplexe Sachverhalte zu analysieren, wurde zugunsten seiner Ausbildungszeit geopfert. Wenn er dann statt in Arbeit auf dem Arbeitsamt landet, soll ihm der Master – auch „zweite berufsqualifizierende Ausbildung“ genannt – ermöglichen das nachzuholen, was er in der Bachelorschule nicht lernen konnte. Theoretisch zumindest, denn Plätze gibt es nicht für jeden, weder in der Anzahl noch in der Zulassungsquote. Schließlich sollen ja nur die Besten der Besten qualifiziert werden, um einen gut bezahlten Job zu bekommen. Der Rest sollte sich auf ein lebenslanges Lernen einstellen, zumindest solange der Staat noch Geld hat seine Um-, Weiter- und andere Bildungsmaßnahmen zu finanzieren.
Das Wort Studium sollte daher durch Humankapitalanlage abgelöst werden und auf die rote Liste der Gesellschaft zur deutschen Sprachpflege gesetzt werden. Denn das vom lateinischen „studere“ kommende „Studieren“ bedeutet: sich bemühen, sich widmen. Dass dies mit Zeit verbunden ist, erfährt der Bachelorhochschüler aber nur noch, wenn er sich Mittags wie die Tausenden seiner Mitschüler in der Mensa um sein Essen bemüht. Aber die kann er ja nutzen, um sich mit ihnen in Anzahl der bevorstehenden Klausuren und des zu lernenden Stoffumfangs zu überbieten.

1 Kommentar zu „Der Bachelor ist für alle da“

  1. kann mir mal jemand erklären was das semesterticket-thüringen mit dem rest dieses artikels zu tun hat? ach ja stimmt kann ich nicht verstehen gehöre ja zum proletariat. bekommen jetzt auch die studenten der uni’s denn jetzt auch adelstitel? das wäre dann, ja ein natürlicher regenerativer fortschritt… man wie kann man nur so eine scheiße schreiben. oder hier: “die Fähigkeit komplexe Sachverhalte zu analysieren, wurde zugunsten seiner Ausbildungszeit geopfert” das trifft wohl nicht genauso für die Fachhochschüler zu ??? ist das dumm…aber sich in die arbeitslosigkeit zu studieren, sich als etwas besseres wie die fachhochschüler und allen anderen zu fühlen, dabei anscheinend noch schiß vor zu vielen prüfungen zu haben is ok? daneben gleichzeitig so ein scheiß hier zu veröffentlichen, während sich die mehrzahl der bevölkerung, die nicht das glück hat zu studieren sich einen abrackert sowie uns alles hinterher trägt. das find ich einfach nur egoistisch. aber ich rech mich doch nich uff (assi toni)

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