Zum Tanze im Bergdorf

Ein Rückblick auf die 17. Kulturarena

Von Louisa Reichstetter

Versunkener Sänger von “Get Well Soon”
FOTO:Louisa Reichstetter

„Mama, guck mal, die Gitarre hat auch so einen Bauch!“ tönt das kleine Mädchen mit den blonden Wuschelhaaren und bringt eine ganze Bankreihe zum Lachen. Die schwangere Frau streicht ihrem Kind verlegen über den Kopf, zieht es an sich und richtet ihren Blick wieder auf die Bühne: Dort drängen sich fünf Musiker eng zusammen. Zentrum der Klanginsel ist die schwangere Gitarre – eine Oud. Gespielt wird das arabische Saiteninstrument von Rabih Abou-Khalil. Er vertont portugiesische Gedichte, die Ricardo Ribeiro mit seiner traurig-schönen Fadostimme in den kühlen Spätsommerhimmel schickt.

Die Arena 2008 war mehr denn je ein Fest verschiedenster Kulturen, das sich insgesamt 68.500 Zuschauern öffnete. Schwerpunkt der diesjährigen Arena: Osteuropa. Allerdings ging dieser Fokus in der Masse und Vielfalt etwas unter, ja, die Abende, an denen durchschnittlich die wenigsten Besucher auf den Theatervorplatz fanden, waren just die Konzerte osteuropäischer Gruppen.
Bedauerlich, denn ausgerechnet das am schlechtesten besuchte Konzert des „Trio Bravo +“ war eines der schönsten: Mark Chaet bezauberte wie ein punkiger Paganini als perfekter Geiger und ungezwungener Moderator. Adam Tomaszewski schlug virtuos und schelmisch auf alles außer den Steinway und die Zuhörer. In ihre ungewöhnliche Mischung aus osteuropäischen Klängen, Jazz und Zirkusmusik fügten sich auch Bartek Mlejnek und Giorgio Radoja so perfekt ein, dass man sicher war: Diese vier professionell ausgebildeten klassischen Musiker toben sich viel lieber auf kalten Freilichtbühnen aus, als in warmen Orchestergräben zu hocken. Zumindest brachten sie Zuhörer aller Generationen dazu, sich zu bewegen.

Viele andere Veranstaltungen schienen hingegen recht kategorisch nach Altersgruppen geplant. Mit Manfred Krug und Joan Armatrading kamen zwei beeindruckende Persönlichkeiten für die älteren Arenagänger nach Jena, „The Notwist“ und andere zogen wiederum eher Studenten auf den Theatervorplatz.
Das Notwist-Konzert mit nur 1800 Besuchern zeigte die Schwäche der diesjährigen Arena deutlich: Bis zu 3000 Menschen passen mittlerweile auf den umgebauten Theatervorplatz. Doch nur zwei Konzerte waren dort ausverkauft, obwohl das Wetter gar nicht so schlecht war. Vielleicht hätte es manchen Konzerten besser getan, wenn man doch Jokerkarten zugelassen oder schlichtweg für die gesamte Arena mehr Werbung gemacht hätte. So fanden zum Beispiel nur wenige Neugierige zu solch spannenden Gästen wie „Caravan Palace“. Die Franzosen verknüpfen Swing aus den Zwanzigern mit Elektrobeats und erzeugten auf dem Theatervorplatz eine tanzwütige Clubatmosphäre wie im Kassa.
Im rappelvollen Kassa enttäuschte hingegen das Konzert von Peter Licht. Es war ein bisschen so wie ein schlechtes Seminar an der Uni. Überfüllt, voller netter Leute – doch das Geschehen vorne blieb sekundär. Als Licht mehrmals seine simplen Texte vergaß und dann auch noch Kopien verteilen ließ („Wir machen uns eben Sorgen über unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“), konnte man im Kassa wenigstens das machen, was man im Seminar nicht darf: sich mit den netten Leuten betrinken.

Einkuscheln, Bier,

Der Film e.V. hatte im Frühling eine Befragung unter Bürgern durchgeführt und danach entschieden, unter anderem „Die Legende von Paul und Paula“ sowie „Keinohrhasen“ im Freilichtkino zu zeigen – mit großem Erfolg. Nur das sehr gelungene Programm der Filmarena hatte in diesem Sommer gelegentlich mit richtig schlechtem Wetter zu kämpfen: Während Fatih Akins Charaktere in „Auf der anderen Seite“ durch das trocken-heiße Istanbul liefen, versteckten sich die Kinobesucher unter Schirmen und Planen vor schüttendem Regen.
Schließlich aber gab es diesen einen warmen Sommerabend, der völlig aus dem Rahmen fiel. Mit dem Satz „Wenn Rainald Grebe nach Jena kommt, dann ist das ein wenig so, als ob Heidi Klum in eine bergische Eckkneipe platzt“ beworben, war das Konzert des alten Theaterhaus-Künstlers blitzschnell ausverkauft. Über den Vergleich machte sich der gefeierte Grebe übrigens während des Konzerts ständig lustig und improvisierte: „Dum di dum di dum, ich bin die Heidi Klum. Nach Hause! Ich komme zurück in mein kleines Bergdorf.“
Jena, ein kulturbegeistertes Bergdorf also, dessen Arenaprogramm – die Shakespeare-Inszenierung der aktuellen Theaterhausbesetzung und die Kurzfilmnacht einmal ausgenommen – alles andere als provinziell war.

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