Viel Aufruhr um wenig Stoff

In dieser Serie widmen wir vermeintlichen und echten Meisterwerken Liebeserklärungen und Hasstiraden. Diesmal: der Bikini, der heute sein 70. Jubiläum erlebt. 

Von Sandra Trienekens

 

In James Bond 007 jagt Dr. No steigt 1962 Ursula Andress als erstes Bondgirl der Reihe anmutig aus den Wellen des Ozeans. In der Rolle der verführerischen Muschelsucherin Honey Ryder trifft sie in dieser legendären Szene zum ersten Mal auf James Bond. Der weiße Bikini mit Gürtel und Messer bildet einen auffälligen Kontrast zu ihrer sonnengebräunten Haut, die perfekte Strandfigur ist fabelhaft in Szene gesetzt. Dieser Auftritt war ein Durchbruch – nicht etwa von Ursula Andress, sondern des Bikinis. Man könnte meinen, dass gerade dieser Zweiteiler den Film zum Kassenschlager machte.
Auch Stars wie Brigitte Bardot, Sophia Loren und Marilyn Monroe führten das knappe Kleidungsstück in Hollywoodfilmen vor und verhalfen ihm dadurch zu großer Beliebtheit. Bald danach trauten sich auch andere Frauen, den abgewandelten Badeanzug an Stränden oder in Schwimmbädern zu tragen. In den 1940er Jahren wäre das unmöglich gewesen.
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte eine allgemeine Stimmung der Befreiung und der Erleichterung. Die Europäer zeigten sich aufgeschlossen, der neuen Freiheit Ausdruck zu verleihen. Dies galt auch für die Bademode. Frauen, die am Strand eher bedeckt angezogen waren und wegen bestehender Konventionen nur wenig Haut zeigen durften, rollten zum Beispiel die Höschen an den Beinen auf, um mehr Haut zu entblößen und mehr Sonnenbräune zu bekommen.

„Der kleinste Badeanzug der Welt“

Der Ingenieur Louis Réard erkannte die Aufbruchsstimmung und nutzte die Gelegenheit, um seine neue Idee vorzustellen: Am 5. Juli 1946 präsentiert er im Pariser Schwimmbad Piscine Molitor seinen „Bikini“. Das gewagte Kleidungsstück sorgte bereits im Vorfeld für so große Aufregung, dass Réard Schwierigkeiten hatte, überhaupt ein Model zu finden. Keine Frau war bereit, sich so freizügig zu zeigen. Daraufhin engagierte er die Stripteasetänzerin Micheline Bernardini, die gewohnt war, sich zu entblößen. Dreieckige Stoffstücke, lediglich von Kordeln zusammengehalten, bedecken nur das Nötigste. Réard betonte, dass man seinen Bikini „mühelos durch einen Ehering ziehen könne“, was sein Mannequin dann auch mehrfach demonstrierte.
Der Zweiteiler sorgte für einen riesen Skandal, sodass er sehr bald in katholischen Ländern Europas, wie Spanien und Italien, verboten wurde. Louis Réard war sich bewusst, dass seine Kreation für Aufruhr sorgen würde, weswegen er ihm auch bewusst den Namen „Bikini“ gab. Denn wenige Tage zuvor hatten die Amerikaner im Bikini Atoll der Marshallinseln die erste Atombombe der Nachkriegszeit gezündet. Sein Badeanzug solle sich, wie die Atombombe, auf das „Elementare reduzieren“. Aus diesem Grund war der vorgeführte Bikini auch mit Schlagzeilen vom Atomwaffentest bedruckt. Dass seine Kreation in der Modebranche einschlagen würde „wie eine Bombe“, konnte Réard sich schon dabei denken.
In den 60er Jahren schaffte der Bikini dann den Durchbruch – nicht zuletzt durch zahlreiche Hollywoodfilme, in denen bekannte Schauspielerinnen den Bikini trugen. Nach den prüden 50ern nahmen die Menschen den Gedanken der Freiheit der Nachkriegszeit wieder auf, indem sie mehr Haut zeigten. Das Kleidungsstück gewann besonders in den westlichen Ländern an immer größerer Beliebtheit und Akzeptanz.

Mehr entblößte Haut bedeutet auch mehr Druck

Mit dieser freizügigen Mentalität schwangen auch neue Zwänge mit. Wegen der unterernährten Models, die in den Modezeitschriften und Werbungen den Bikini präsentieren, haben die meisten Frauen bis heute das Gefühl, dass man den Bikini nur mit dieser kommerziell idealisierten Figur tragen könne. Viele Frauen zwingen sich deshalb vor der Bikinisaison zu Diäten und exzessivem Sport, um für den Sommer die angestrebte Bikini-Figur zu haben. Da der Bikini ein sehr aufreizendes Kleidungsstück ist, darf man ihn in manchen Teilen der Welt nicht tragen. Besonders in muslimischen oder buddhistischen Ländern wird der knappe Zweiteiler wegen seiner Freizügigkeit nicht akzeptiert.
Durch neue Trends und Abwandlungen wie zum Beispiel den Monokini, den Tankini (der die eine oder andere Problemzone kaschiert) oder den Burkini (eine Mischung aus Burka und Bikini), bleibt der Bikini ein zeitloser Modeklassiker. Frei nach dem Motto, dass wirklich jede Frau dieses Kleidungsstück tragen darf, wird den neu auferlegten Zwängen zur perfekten Figur entgegengewirkt. Der Bikini gilt immer noch als Sinnbild der Freiheit.

Collage: Bernadette Mittermeier
Allgemein

Schreibe einen Kommentar

*