Kleiner Becher – Große Fragen

Von Tiefkühlejakulat bis Onlinesperma

von Sebastian Danz

Ein Raum. Ein Mann. Ein paar Minuten. Der Ablauf einer Samenspende ist überschaubar. Der Weg bis zum Einsatz des Spendersamens und die möglichen Folgen sind wesentlich komplexer.
In Jena beginnt dieser Weg bei der Kyros GmbH, einer Samenbank, in der Spendersamen eingelagert und an Ärzte weitergeleitet werden. Der helle Aufenthaltsbereich ähnelt eher einer Cafeteria als dem Wartezimmer einer medizinischen Einrichtung. Im Raum, in den sich die Spender zurückziehen, hängen zur Anregung der Fantasie halbnackte Frauen an der Wand. Halbnackte Männer sucht man hier vergeblich. Homosexuelle dürfen ihren Samen nicht spenden, da sie zur HIV-Risikogruppe gezählt werden.

Wanted: Premiumsperma

Auch Männer, die älter als 35 sind, kommen als Spender nicht in Frage. Die Qualität des Spermas ist ein weiteres Ausschlusskriterium. Die übliche Dichte beträgt 20 Millionen pro Milliliter. Für den Einsatz in der Reproduktionsmedizin reicht das allerdings nicht aus. Ist der Ausgangsbefund des potentiellen Spenders geeignet, wird dessen Spermienprobe in etwa -196°C kaltem, flüssigem Stickstoff tiefgekühlt. Viele Spermien überleben das nicht. Deshalb muss ihre Dichte beim Spender überdurchschnittlich hoch sein.

Erst wenn die Qualität des Spermas geprüft und ein Infektionsscreening des Blutes sechs Monate nach der ers­ten Spermienprobe negativ ausfällt, wird ein Mann als Samenspender zugelassen
Spendersamen wird nur verwendet, wenn der Mann eines Paares mit Kinderwunsch zeugungsunfähig ist oder mehrere Versuche der künstlichen Befruchtung mit seinem Sperma fehlgeschlagen sind. Im Zentrum für Reproduktionsmedizin Jena wird in diesen Fällen weitergeholfen. Die Paare, die sich für eine Befruchtung mit Spendersamen entscheiden, bestimmen, wie der Spender aussehen soll. Fotos sehen sie nicht. Die Wahl des Spenders treffen die Mediziner anhand der Wünsche ihrer Patienten.

Das Honorar spielt keine Rolle

Wer sind die Männer, die Sperma spenden und damit Kinder in die Welt setzen, die sie wahrscheinich nie kennenlernen werden? Laut der Studie einer Erlanger Samenbank, in der 210 aktive und potentielle Samenspender befragt wurden, ist das Honorar von rund 100 Euro nicht das wichtigste Argument. 75 Prozent der aktiven Spender gaben an, sie wollten kinderlosen Paaren helfen. Sorgen machten sich die potentiellen Spender über die rechtliche Situation. Fast 58 Prozent von ihnen gaben an, sie hätten Angst im Nachhinein durch Unterhaltszahlungen belangt zu werden.

Michael (26) aus Jena hat diese Angst davon abgehalten, Samenspender zu werden. Vor ein paar Jahren spielte er mit dem Gedanken, weil er schnell Geld verdienen wollte. Doch 100 Euro waren nicht genug: „Diese Summe reicht einfach nicht aus, die Möglichkeit abzutreten, dem eigenen Kind seine Sicht der Welt mitzugeben. Außerdem haben mich die unzureichenden rechtlichen Regelungen am Ende abgeschreckt.“

In Deutschland sind Samenspender nicht vor Unterhaltsansprüchen geschützt. 1989 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass es ein Persönlichkeitsrecht ist, seine genetische Herkunft zu erfahren. Seit 2007 müssen Unterlagen über eine Samenspende 30 Jahre aufgehoben werden. Am Oberlandesgericht Hamm klagte 2013 erstmals eine Studentin, die durch eine Samenspende gezeugt wurde, mit Erfolg auf die Herausgabe des Namens ihres biologischen Vaters.

Samenspende 2.0

Die Vermittlung von Spendersamen muss nicht über eine Samenbank laufen. Vor allem alleinstehende Frauen und lesbische Pärchen entscheiden sich für die private Samenspende.
Viele von ihnen wollen, dass der Nachwuchs den leiblichen Vater kennenlernt. Außerdem bleibt diesen Frauen meist keine andere Wahl, da viele Samenbanken Spendersamen an sie nicht herausgeben.
Ein weiterer Grund für die Entscheidung sich einen privaten Samenspender zu suchen, ist die hohe Kostenersparnis. Pro Zyklus kostet eine Samenspende bei der Samenbank 500 bis 700 Euro. Einen so hohen Betrag können viele Paare mit Kinderwunsch nicht bezahlen. Die Krankenkassen übernehmen diese Kosten nur teilweise und nur unter bestimmten, sehr strengen Voraussetzungen. So muss das betreffende Paar verheiratet, die Ehefrau unter 40 und der Ehemann unter 50 Jahre alt sein.

In Internetforen treten Menschen mit Kinderwunsch und private Samenspender in Kontakt. So suchen zum Beispiel auf spendesperma.com mehr als 3.700 registrierte Nutzer nach Spendersamen oder bieten Spendersamen an. Es lassen sich aber auch Tipps zur eigenhändigen Befruchtung mit Einwegspritzen und Links zu Onlineshops, die dieses Equipment vertreiben, finden.
Auch über Internetforen würde Michael seinen Samen nicht spenden. „Es würde mein Grundproblem mit der Thematik nicht lösen. Mir ist der Preis für meinen Samen einfach zu hoch.“

Man könnte die Erfüllung des Kinderwunsches durch die künstliche Befruchtung mit Spendersamen kritisch sehen und diesen Weg der Familiengründung als egoistisch bezeichnen. Es gibt schließlich genug Kinder, die auf eine Adoption warten. Allerdings gehen die Menschen, die sich an eine Samenbank wenden oder auf die Suche nach dem Sperma eines Fremden im Internet machen, keinen leichten Weg und sie treffen diese Entscheidung sicher nicht leichtfertig.

Schreibe einen Kommentar

*